US-Gesundheitsreform: Fristsetzung via Obamacare-Ablaufgesetz?

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Nach dem Scheitern des modifizierten Repräsentantenhausentwurfs im Senat propagieren die Republikaner einen gemeinsam mit den Demokraten ausgearbeiteten Ersatz

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Eigentlich wollten die Republikaner den als "Obamacare" bekannten Affordable Health Care Act nach einem Wahlsieg umgehend abschaffen - nun sieht es so aus, als ob er noch länger in Kraft bleiben könnte. Stimmt der Senat in den nächsten Tagen für einen von Mehrheitsführers Mitch McConnell angekündigten Verfallsdatumsentwurf, dann gilt Obamacare wahrscheinlich noch zwei Jahre. Findet der Entwurf keine Mehrheit (was unter anderem die New York Times vermutet), dann könnten der Affordable Health Care Act sogar noch länger im Kraft bleiben.

Der von McConnell angekündigte Entwurf ist eine Frist, die sich der Senat selbst setzen soll, um sich auf ein neues Krankenversicherungsgesetz zu einigen. Gestern Nacht musste der Mehrheitsführer nämlich den bereits mehrfach verschobenen modifizierten Repräsentantenhausentwurf der Republikaner endgültig zurückziehen, weil nicht nur die republikanischen Senatoren Rand Paul und Susan Collins, sondern auch Jerry Moran und Mike Lee ankündigten, dagegen zu stimmen. Damit hätte das Gesetz in dem hundertköpfigen Gremium, in dem die GOP nur über 52 Sitze verfügt, wahrscheinlich keine Mehrheit gefunden, wie McConnell öffentlich eingestand.

Angst um Krankenhäuser

Mike Lee, einer der vier Senatoren, die den modifizieren Repräsentantenhausentwurf scheitern ließen, hatte zusammen mit dem Texaner Ted Cruz und zwei weiteren Senatoren durchgesetzt, dass der Entwurf Versicherten die Möglichkeit zum Erwerb billigerer Krankenversicherungen bietet, die nur relativ wenige Grundrisiken abdecken. Anders als Cruz war er jedoch mit der Umsetzung dieser Forderung durch McConnell nicht zufrieden. Jerry Moran, ein Senator aus Kansas, rechtfertigte seine Ablehnung vor allem mit einer seiner Ansicht nach ungerechten Behandlung von Bundesstaaten, die sich nicht für eine von Obamacare geförderte Ausweitung der Armenkrankenversicherung Medicaid entschieden. Außerdem befürchtete der von der Kansas Hospital Association unter Druck gesetzte Politiker negative Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung in ländlichen Räumen.

Aus diesen ländlichen Räumen kam auch Druck aus Bundesstaaten, die sich für einen Ausbau des Medicaid-Programms entschlossen hatten, auf das viele Krankenhäuser angewiesen sind - aus West Virginia, Ohio und Alaska, wo die Gouverneure vor einer Wahl zwischen geschlossenen Krankenhäusern und Steuererhöhungen gestanden hätten. Auch die Mainer Senatorin Susan Collins nannte als einen der Gründe für die Verweigerung ihrer Stimme besorgte Briefe von Wählern, die befürchten, dass ein Krankenhaus, das zu 60 Prozent von Medicaid abhängt, schließen muss.

Trump möchte Demokraten beteiligen

Nun will McConnell einen sehr einfach gehaltenen Entwurf vorlegen, der lediglich vorsieht, dass Obamacare komplett abgeschafft wird - aber erst in zwei Jahren. Das soll den Kongress unter Druck setzen, sich bis dahin auf ein Ersatzgesetz zu einigen. Beschließt der Senat ein Ablaufdatum für Obamacare, müsste sich dem auch das Repräsentantenhaus anschließen. Dort haben die Republikaner zwar eine deutlich breitere Mehrheit, brachten den ersten Ersatzgesetzentwurf aber trotzdem nur mit Mühe und Verzögerungen durch, weil die Gesundheitspolitik ein innerparteilich sehr umstrittenes Thema ist.

Das neue Ersatzgesetz will McConnell auch unter Beteiligung der Demokraten ausarbeiten, damit es eine Mehrheit findet, wenn einige Republikaner nicht damit einverstanden sind. Dieses Vorgehen hatte Präsident Trump via Twitter propagiert - ob mit oder ohne Rücksprache mit McConnell ist unklar. Auch der wegen eines Blutgerinnsels über dem linken Auge frisch operierte Senator John McCain, einer der innerparteilichen Erzfeinde des Präsidenten, sprach sich gestern Nacht für eine gesundheitspolitische Zusammenarbeit zwischen Demokraten und Republikanern aus.

Charles Schumer, der Fraktionschef der Demokraten im Senat (den in den letzten Wochen eher das Problem zu beschäftigen schien, dass es angeblich Leute gibt, die koffeinhaltiges Kakaopulver nicht als Getränk zubereiten, sondern durch die Nase schnupfen) zeigte sich gestern offen für eine gesundheitspolitische Zusammenarbeit mit den Republikanern und forderte als Ziel "langfristige Stabilität" für die Gesundheitsmärkte und niedrigere Beiträge für Versicherte. Sprecher der Versicherungslobby hatten am Freitag gewarnt, der modifizierte Repräsentantenhausentwurf werde wegen der von der Cruz-Gruppe durchgesetzten billigen Spartarife mit Basisschutz zu steigenden Beiträgen für andere Versicherte führen.