US-Grenzkontroversen: Bidens unerwartete Rechtskurve im Schatten Trumps
Migration im US-Wahlkampf: Wie die Demokraten versuchen, das Terrain der Republikaner zu erobern und die Konservativen doppelt gewinnen.
Im Wahlkampf gegen Joe Biden setzen die Republikaner auf altbekannte Themen. Die konservativen Medien, allen voran Fox News, konzentrieren sich vor allem auf ein Thema: die Südgrenze zu Mexiko.
Dabei handelt es sich um die üblichen rechten Talking-Points, die irgendwo zwischen den Umvolkungsmythen und akuter Bedrohung durch Drogenkartelle angesiedelt sind. Obwohl sich die Biden-Administration in Sachen Grenzsicherheit immer mehr den Konservativen annähert, versuchen die Republikaner im Wahlkampf gegen Joe Biden ausgerechnet mit diesem Thema Boden gutzumachen - mit einigem Erfolg.
Denn der auf Angstpropaganda und Rassismus basierende Wahlkampf kommt vor allem den Republikanern zugute.
Biden und Trump: Grenzpolitik im Vergleich
Joe Biden hat während seiner Amtszeit hinreichend bewiesen, dass er bereit ist, seine vermeintlich liberalen Überzeugungen zugunsten anderer politischer Ziele unterzuordnen.
Mit dem Ergebnis, dass sich Bidens Grenzpolitik stellenweise kaum von der seines Vorgängers und jetzigen Herausforderers Donald Trump unterscheidet.
Schon kurz nach der gewonnenen Präsidentschaftswahl 2020 zeigte sich, dass eine Revision der unter Trump eingeführten Grenzgesetzgebung nicht zu den Prioritäten der neuen demokratischen Regierung gehört.
Der Unwille der Biden-Administration, beim Thema Grenzsicherheit klar Stellung zu beziehen, zeigte sich im Oktober letzten Jahres: Die Regierung des konservativen Bundesstaates Texas kündigte an, die notwendigen rechtlichen Schritte einzuleiten, um den Bau von 20 Kilometern der von Trump so oft beschworenen Grenzmauer endlich möglich zu machen.
Versprechen versus Realität
Die liberale Regierung Biden sah sich außerstande, die vom konservativen Kongress für die Mauer vorgesehenen Mittel für 2019 anderen Zwecken zuzuführen. Und zwar wäre es für die Regierung der Demokraten aus rechtlicher Sicht schwierig gewesen, die Gelder für eine Barriere an der Südgrenze für eigene andere Projekte umzudeklarieren.
Dennoch schien es vielen US-Bürgern, als hätte die Biden-Administration ihr Wahlversprechen gebrochen, während ihrer Amtszeit "keinen Fuß Grenzmauer mehr zu bauen". Die Demokraten wehren sich gegen diese Kritik mit dem Verweis auf die rechtlichen Umstände und der Behauptung, ihnen seien in diesem Fall schlicht die Hände gebunden.
Asylgesetzgebung und die Unterstützung Israels und der Ukraine
Spätestens seit Anfang Januar ist jedoch klar, dass Joe Biden, wenn es um Grenzsicherheit geht, nicht weit links von seinem politischen Gegner Donald Trump steht.
Laut einer bislang nur mündlichen Vereinbarung mit dem Senat ist das Weiße Haus zu einer nachhaltigen Verschärfung der Asyl- und Einwanderungsgesetzgebung sowie weiteren Zugeständnissen an die Konservativen in Sachen "Grenzschutz" bereit.
Im Gegenzug sollen die Konservativen weiterhin die finanzielle und militärische Unterstützung Israels und der Ukraine garantieren.
Details des Deals
Über die Details des Deals ist bisher wenig bekannt. Angeblich sieht der Deal die Einstellung von rund 1.300 zusätzlichen Grenzschützern sowie die Ernennung von 375 zusätzlichen "Immigration Judges" und 1.600 zusätzlichen "Asylum Officers" vor, um die Asylverfahren an der Grenze zu beschleunigen.
Neben den außenpolitischen Zielen scheint es Joe Biden auch darum zu gehen, die Republikanische Partei wahlpolitisch rechts zu überholen und sich gegen die politischen Angriffe von rechts durch Donald Trump abzusichern.
Der Trend führt zur Ununterscheidbarkeit der Positionen
Die Demokraten reagieren damit auf einen aktuellen politischen Trend. Denn ein wachsender Teil der US-Bevölkerung macht sich Sorgen über die Situation an der Südgrenze. Die aktuelle Rhetorik des demokratischen Präsidenten macht es schwer, die demokratische Position von der konservativen zu unterscheiden.
Bidens Aussage vom 27. Januar, er werde die Grenze sofort schließen, wenn der Kongress ihm die nötigen Vollmachten gebe, klingt allzu sehr nach den politischen Forderungen der ultrarechten Propagandisten auf Fox News. Die Demokraten versuchen also wieder einmal, den Konservativen politisch rechtskonservative Wähler abspenstig zu machen.
Trumps Reaktion
Dieser Herausforderung müssen sich die Konservativen natürlich stellen. Dies gilt insbesondere für den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Dieser forderte jüngst seine Verbündeten im Kongress auf, einen solchen "unbedeutenden"-Deal lieber nicht zu akzeptieren, auch wenn das bedeute, dass das Land vorübergehend nicht abgeschottet werden könne.
Offensichtlich will Trump so kurz vor der Wahl seine Sprecherposition im Grenzsicherheitsdiskurs nicht durch irgendwelche Deals seiner Partei gefährdet sehen. Biden mag den Senat von seinem Deal überzeugt haben, im Trump-nahen, republikanisch kontrollierten Repräsentantenhaus könnte der Präsident auf mehr Widerstand stoßen, so der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson.
Das erzkonservative Lager: Die Armee Gottes
Andere aus dem erzkonservativen Lager gehen noch weiter. Greg Abbott, der Gouverneur von Texas, beruft sich derzeit auf juristische Argumente aus der Zeit der Konföderierten Staaten, um der Bundesregierung die Rechtshoheit über den texanischen Teil der Südgrenze streitig zu machen.
Die Aufwertung des "Border-Issue" zum "States-Rights-Issue" führt unweigerlich zu der für die USA so typischen Reaktion militanter Rechtsradikaler.
Und so rollt seit einigen Tagen die selbsternannte "Army of God" - ein Autokonvoi aus rund 50 Fahrzeugen - voll mit "Militia-Typen" an die texanisch-mexikanische Grenze, um die texanischen Behörden gegen die Übergriffe der Bundesregierung zu unterstützen.
Den Organisatoren des Konvois mangelt es an Zulauf. Grund dafür sind wohl hartnäckige Gerüchte in der rechten Szene, dass die Organisatoren des Konvois Spitzel der Bundesregierung seien. Aber auch eine kleine Gruppe durchgeknallter bewaffneter Frührentner wird wohl kaum zur Entspannung an der texanisch-mexikanischen Grenze beitragen.
Von all dem Chaos profitiert Trump, denn die Partei der Sicherheit in den USA bleiben die Republikaner, da kann sich Biden noch so sehr bemühen, den Konservativen nach dem Mund zu reden.
Konservative gewinnen doppelt
Die Konservativen gewinnen also doppelt: Durch eine Mischung aus wahl- und außenpolitischen Motiven rückt die Demokratische Partei unter Biden weiter nach rechts und lenkt nebenbei die öffentliche Aufmerksamkeit weiter auf die Lieblingswahlkampfthemen der Konservativen.
Die Republikaner, die Trump nahestehen, betrachten die Zugeständnisse des Präsidenten jedoch als gefährliche Angriffe im Wahlkampf und setzen alles daran, sich von der liberalen Regierung nicht rechts überholen zu lassen.
Ultrakonservative wie der texanische Gouverneur Greg Abbott greifen zu allen Mitteln, um bewusst oder unbewusst die extremen Ränder der konservativen Ultrarechten zu mobilisieren.
Bei all dem Lärm fällt es schwer, die tatsächliche Lage an der Südgrenze der USA realistisch einzuschätzen. Fest steht, dass das Schicksal von Asylsuchenden wieder einmal zum Spielball im US-Wahlkampf geworden ist. Das Deprimierende daran: Der Wahlkampf hat gerade erst begonnen.