US-Psychologen: Tausend Dollar am Tag für Entwicklung der Foltertechniken
Die Wissenschaftler verdienten nicht nur gut an der Folter, die scheinbar wissenschaftliche Begründung der Techniken sorgte auch für die Akzeptanz
Die "harten Verhörmethoden" (enhanced interrogation techniques), wie die Foltertechniken von der US-Regierung genannt wurden, sind auf der Grundlage von seit langem bekannten Techniken nach dem 11.9. entwickelt worden (Die Folter hat System). Maßgeblich an der Entwicklung der 10 "einzigartigen und innovativen" Foltertechniken beteiligt waren Psychologen, wie durch die Veröffentlichung von Memos durch Barack Obama noch einmal bestätigt wurde (Schmerz und Lüge). Sie gaben nicht nur Ratschläge, wie man den Willen von Gefangenen brechen kann, und entwickelten gegen gutes Geld für die CIA das Programm, sondern bescheinigten als Wissenschaftler auch, dass die Methoden medizinisch und psychologisch unbedenklich, wirksam und sicher seien.
Offenbar war diese Versicherung, dass das Folterprogramm angeblich wissenschaftlich fundiert und geprüft ist, mit ein Grund dafür, warum Kritiker im Pentagon nicht beachtet wurden und angeblich zunächst davor zurückschreckende CIA-Mitarbeiter es schließlich doch einsetzten – und das manchmal bis zum Exzess, wenn beispielsweise einzelne Gefangene hunderte Male dem Waterboarding unterzogen wurden. Wohl nach der Devise: Ist ja nach Auskunft der Experten ganz harmlos, verursacht nur Todesangst.
Zudem sorgte die scheinbare wissenschaftliche Expertise auch an der politischen Spitze im Weißen Haus dafür, die gewünschten Instrumente auch wirklich einsetzen zu können, nachdem die Wissenschaftler und Juristen auch versicherten, dass die Verhörtechniken nicht nur sicher seien, sondern auch keineswegs als Folter gelten könnten. Die Rolle der Psychologen weist einmal wieder darauf hin, welche Verantwortung Wissenschaftler allein schon dadurch haben, dass sie als Experten etwas "wissenschaftlich" absichern. Das berühmte Milgram-Experiment basierte just darauf, dass Versuchspersonen im Vertrauen auf die wissenschaftliche Autorität des Versuchsleiters vermeintlich andere Menschen mit Elektroschocks bis zu Tode quälten (Zum Folterknecht kann fast jeder werden).
Das Waterboarding ist zwar eine alte Technik, von den USA wurde sie beispielsweise auch im Vietnam-Krieg eingesetzt, aber die Zuschneidung auf die neuen Bedürfnisse und überhaupt deren Einsatz haben im wesentlichen zwei Psychologen geleistet. Jim Mitchell, einer der beiden Psychologen – auch "Mormonen-Mafia" wegen ihrer Religion genannt - hatte wenige Monate vor dem 11.9. eine Sicherheitsfirma gegründet, Bruce Jessen war schon in den späten 90er Jahren ein "leitender Psychologe" beim SERE-Programm (survival, evasion, resistance and escape training) der US-Luftwaffe. Aus diesem Training, das eigentlich dafür gedacht war, den US-Soldaten zu lehren, wie sie Verhören standhalten sollen, wurden durch "Reverse Engineering", wie schon spätestens seit 2005 bekannt, die Foltermethoden nach dem 11.9. abgeleitet – allen voran von Mitchell und Jessen. Beide waren seit Jahren zuvor als Psychologen am SERE-Programm der US-Luftwaffe auf der Fairchild Air Base beteiligt gewesen, das unter der Leitung des Armeepsychologen Colonel Louie (Morgan) Banks für Guantanamo und Bagram nutzbar gemacht wurde.
Die beiden Psychologen haben tatkräftig dabei mitgewirkt, aber nicht mehr als Angestellte des Pentagon, sondern als "contractors". Das hatte nicht zuletzt den Vorteil, dass sie als "contractors", die für die CIA die Verhörtechniken entwickelten, die Verhörer schulten und für "wissenschaftliche" Beratung sorgten, sehr viel besser bezahlt wurden. Mitchell war der Psychologe, der schon ab Ende März 2002 und nach Auflösung seiner ersten Firma Knowledge Works die Foltermaßnahmen für Abu Subaida forciert hatte, der zunächst in Thailand "verhört" wurde (Ärzte und Psychologen als Folterknechte). Der Psychologe war dabei so kreativ, dass er auch Foltermethoden wie das zeitweise Begraben von Subaida in einem Sarg vorschlug, was auch der CIA zu weit ging.
Gleichwohl hat das vermeintliche Knacken von al-Subaida durch die SERE-Methoden das von den Psychologen vor Ort entwickelte Programm so wirksam erscheinen lassen, dass die Rechtsberater des Weißen Hauses es für legitim erklärten und es dann in Guantanamo, Bagram und auch Abu Ghraib sowie in anderen Geheimgefängnissen angewandet wurde – obgleich der "Erfolg", selbst bei al-Subaida, in Wirklichkeit bestenfalls gering war. 2005 gründeten die beiden Psychologen und Folterexperten dann als Terrorgewinnler das "Beratungsunternehmen" Mitchell Jessen and Associates in Spokane, östlich von Washington. Nach einer Anzeige bietet es "understanding, predicting, and improving performance in high-risk and extreme situations" an.
Katherine Eban hatte die Rolle der beiden Psychologen, die die erwünschten härteren Verhörtechniken "sicher, legal und wirksam" machen sollten, bereits 2007 in ihrem Artikel Rorschach and Awe beschrieben, der in Vanity Fair erschienen ist. Weder Mitchell noch Jessen hatten bis dahin irgendwelche Erfahrungen mit Folter, traten jedoch als wissenschaftliche Experten auf, die der CIA das alles als wissenschaftlich geprüft verkauften, weswegen es dann ja auch gut sein musste. Sie selber
Katherine Eban hatte bereits darauf hingewiesen, dass sie von Informanten gehört habe, die beiden Psychologen hätten für ihre Dienste im Ausland pro Tag 1000 US-Dollar – steuerfrei – verdient, die Auslagen wurde extra bezahlt. Dass die beiden Folterspezialisten gut mit Steuergeldern bezahlt wurden, bestätigt nun ein Bericht von ABC News. Das Honorar von 1000 US-Dollar am Tag scheint richtig zu sein, Col. Steven Kleinman, der bei der Luftwaffe Verhöre macht, bestätigt auch, dass das Folterprogramm auf das Konzept der beiden Psychologen zurückgeht, die über keinerlei Erfahrung für Verhöre verfügten. Auch die Erfahrung mit Waterboarding, was auch bei SERE-Ausbildungen an Soldaten kurz ausgeführt wird, war nicht wirklich vorhanden. Die Psychologen verkauften diese Foltermethode dennoch als medizinisch sicher und wirksam.
Abu Subaida wurde, soweit bislang bekannt, mindestens 87 Mal dem Waterboarding unterzogen, Khalid Sheikh Mohamed mindestens183 Mal. Die Video-Aufzeichnungen dieser Folterverhöre wurden von der CIA vernichtet, aber es gibt noch schriftliche Aufzeichnungen.
In den USA wird weiterhin darum diskutiert, ob die wegen der Misshandlungen in Abu Ghraib verurteilten Soldaten nur als Sündenböcke herhalten mussten und es nicht doch Zeit wäre, die für die Folter Verantwortlichen Politiker, Militärs, Wissenschaftler und Juristen, die ganz oben in der Hierarchie stehen, zur Rechenschaft zu ziehen. US-Präsident Obama hat zwar Waterboarding mittelweile als Folter bezeichnet und einige Papiere veröffentlicht, deren Inhalte allerdings schon weitgehend bekannt waren, den an der Folter beteiligten CIA-Mitarbeitern hat er aber schon Straffreiheit zugesichert, während er selbst nicht geneigt zu sein scheint, die Verantwortlichen aus der Vorgängerregierung wie Rumsfeld, Rice, Cheney oder Bush belangen zu wollen. Nachdem von den CIA-Chefs und von Cheney die "harten Verhörtechniken", einschließlich Waterboarding, als richtige und wirksame Mittel verteidigt wurden, schloss sich dem auch Charles Krauthammer, der neokonservative Leitartikler der Washington Post, an.
In seiner Apologie der Folter, in der auch die Scheinheiligkeit mancher Demokraten aufgespießt wird, wiederholte er mit Verweis auf die CIA-Direktoren das Mantra, dass aufgrund von ihr zahlreiche Menschen gerettet worden seien. Folter sei dann statthaft, wenn die unmittelbare Gefahr eines Anschlags drohe oder wenn aus hochrangigen Gefangenen Informationen herausgepresst werden müssten, weil Gefahr bestünde, aber man nicht wisse, was man tun solle. Man dürfe niemals einen Menschen, der der Folter aus Prinzip abschwört, das Oberkommando überlassen. Vermutlich mit Blick auch auf Obama schrieb er weiter:
Private principles are fine, but you don't entrust such a person with the military decisions upon which hinges the safety of the nation. It is similarly imprudent to have a person who would abjure torture in all circumstances making national security decisions upon which depends the protection of 300 million countrymen.