US-Regierung akzeptiert Folterverbot

Nachdem der Kongress mit großer Mehrheit das Folterverbot gebilligt haben, droht man im Weißen Haus nicht mehr mit einem Veto und scheint sich dem Unvermeidlichen zu fügen; allerdings könnte das Folterverbot nicht viel wert sein, wenn das "Graham Amendment" angenommen wird

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US-Vizepräsident Cheney musste vor, um nicht den Präsidenten selbst zu beschädigen, der seit einiger Zeit immer verkündete, dass von US-Angehörigen die Folter nicht praktiziert werde, auch wenn dies mit dem engen Folterbegriff nicht so schwer war. Cheney sollte versuchen, das vom republikanischen Senator John McCain, der im Vietnam-Krieg in Gefangenschaft geraten und gefoltert worden war, vorgeschlagene Folterverbot zumindest für CIA-Angehörige zu durchlöchern. Offenbar hat aber die teils heftige Diskussion der letzten Zeit in den mit den USA befreundeten Ländern über die CIA-Aktivitäten und der vom US-Kongress ausgehende Druck dazu geführt, dass nun Präsident Bush das Folterverbot nun doch akzeptiert.

Mit der Vereinbarung ist die Regelung allerdings noch nicht Gesetz. Und das Folterverbot könnte durch einen bereits vom Senat angenommenen weiteren Zusatz wieder teilweise außer Kraft gesetzt werden, der das rechtliche Niemandsland in Guantanamo zementieren und US-Angehörigen, die "feindliche Kämpfer" misshandeln, schützen würde (Legalisierung von Guantanamo).

Mit überwältigender Mehrheit war das Folterverbot vor einiger Zeit im amerikanischen Senat angenommen worden. McCain, von dem die Initiative stammt, ging es neben der moralischen Begründung vor allem auch darum, die USA zumindest wieder ein Stück von dem negativen Image zu befreien, in das sie spätestens seit dem Abu Ghraib-Skandal geraten ist. Das Pentagon hatte zwar bereits für Militärangehörige einen neuen Kodex erlassen, nach dem die Folterung verboten ist. Aber hier wären viele Schlupflöcher offen geblieben.

Der Senator wollte aber das Verbot klar und unmissverständlich für alle Beauftragten der US-Regierung formuliert sehen und fügte einen entsprechenden Zusatz in den Department of Defense Appropriations Act 2006 ein. Nach diesem ist es verboten, Menschen, die sich in amerikanischer Haft in den USA und im Ausland befinden, unmenschlich, entwürdigend oder grausam zu behandeln. Und es werden die im Army Field Manual ausgeführten Vorschriften allen Verhören zugrunde gelegt, um in Zukunft Uneindeutigkeiten zu vermeiden. Der wichtigste Passus:

No individual in the custody or under the physical control of the United States Government, regardless of nationality or physical location, shall be subject to cruel, inhuman, or degrading treatment or punishment.

Nachdem die Senatoren den Zusatz mit großer Mehrheit annahmen, drohte die Bush-Regierung mit einem Veto des Haushaltsgesetzes des Pentagon und schickte Cheney vor, um zumindest für Geheimdienstangehörige eine Ausnahme zu ermöglichen (US-Regierung will für die CIA eine Ausnahme vom drohenden Folterverbot).

McCain aber blieb standhaft. Dann kam die Diskussion über Transporte von Verschleppten, CIA-Gefängnisse und Folter, die das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der USA noch weiter unterminierten und US-Außenministerin auf ihrer Europa-Reise bereits nötigte, einige noch verbale Zugeständnisse zu machen (Für die EU-Minister ist wieder alles gut). Offenbar haben nun auch die Abgeordneten des Repräsentantenhauses, obgleich hier ebenso wie im Senat die Republikaner die Mehrheit haben, eingesehen, dass eine aggressive Politik, die im Unterschied zu den "bösen" Terroristen für Freiheit, Recht und Demokratie eintreten will, nicht mit denselben Mitteln vorgehen kann wie die Terroristen und Tyrannen.

Die Bush-Regierung schien jedoch unbeirrt den einmal eingeschlagenen Weg fortsetzen zu wollen, dass im Krieg gegen den Terrorismus Menschenrechte und internationale Abkommen nicht mehr eingehalten werden müssen. Die Berufungspolitik des Weißen Hauses, die Deckung der im Pentagon für Misshandlungen in Abu Ghraib, Guantanamo und anderswo Verantwortlichen und vor allem der Versuch, explizit die CIA vom Folterverbot auszunehmen, legen davon Zeugnis ab. Doch das Repräsentantenhaus spielte jetzt auch nicht mehr mit und unterstützte das Folterverbot mit einer Mehrheit von 308 gegen 122 Stimmen.

Auch wenn damit der Zusatz zum Haushaltsgesetz nicht bindend geworden wäre, scheint die innenpolitische Blockade nun im Weißen Haus zum Umdenken geführt zu haben – oder man hat mit den republikanischen Abgeordneten bereits eine Strategie erarbeitet, um trotz des McCain-Zusatzes Schlupflöcher zu schaffe. Allerdings hatten nur 107 republikanische Abgeordnete dafür und 121 dagegen gestimmt. Schon einen Tag später traf sich Bush mit den Senatoren McCain und John Warner. Nach dem Gespräch trat Bush an die Öffentlichkeit und verkündete, dass er sehr erfreut sei, ein Übereinkommen über das Folterverbot erreicht zu haben. Gemeinsam wolle man die USA verteidigen, aber auch sicher stellen, dass die USA "die amerikanischen Werte im Kampf gegen die Terroristen und beim Sieg über sie" bewahre. Man habe damit deutlich gemacht, dass "diese Regierung nicht foltert und dass wir dem internationalen Folterabkommen im In- und im Ausland gehorchen". Und natürlich wurde so getan, als habe die US-Regierung dies eigentlich immer so gesehen und praktiziert, und als wäre die Einigung durch eine "enge Zusammenarbeit" zustande gekommen. Auch John McCain feierte seinen Erfolg und enthielt sich jeder kritischen Bemerkung:

And I would like to also repeat, we've sent a message to the world that the United States is not like the terrorists. We have no grief for them, but what we are is a nation that upholds values and standards of behavior and treatment of all people, no matter how evil or bad they are. And I think that this will help us enormously in winning the war for the hearts and minds of people throughout the world in the war on terror.

John McCain

Die Frage aber wird sein, ob diese späte Erkenntnis ohne jede Aufarbeitung der Vergangenheit tatsächlich zu dem erhofften Umschwung der Menschen auf der ganzen Welt führen wird, so dass nun die Glaubwürdigkeit der Bush-Regierung und ihres Kriegs gegen den Terror gerettet wäre. Möglicherweise aber war es noch schnell genug, um wenigstens die verbündeten Regierungen zu beruhigen und damit auch zu bewerkstelligen, dass der Aufklärungsdruck gering bleibt, zumindest so lange kein neuer Skandal aufkommt.