US-Regierung will für die CIA eine Ausnahme vom drohenden Folterverbot
Erstmals verlangt die US-Regierung damit explizit eine Foltergenehmigung Bis Morgen hat das Pentagon noch Zeit, einem Gerichtsurteil nach Freigabe weiterer Folterbilder von Abu Ghraib nachzukommen
Morgen müsste das Pentagon weitere Bilder herausgeben, die Misshandlungen und Folter im Gefängnis Abu Ghraib zeigen. Bislang wurde noch kein Einspruch eingelegt. Die Herausgabe der Bilder – eine Auswahl hatten nur einige Kongressmitglieder unter Geheimhaltungsverpflichtung ansehen dürfen (Schlimmeres kommt noch) - fordern mehrere Bürgerrechtsorganisationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Nach Auswertungen von ebenfalls nach dem Informationsfreiheitsgesetz erhaltenen Dokumenten glaubt die Bürgerrechtsorganisation ACLU beweisen zu können, dass bei Verhören in Afghanistan und im Irak Gefangene getötet wurden. Vizepräsident Cheney will trotz einem bereits vom Senat beschlossenen strikten Verbot für Folter und Misshandlungen Mitarbeitern der CIA weiterhin volle Freiheit gewährleisten.
Ende September hatte das Gericht in New York einen Einspruch des Pentagon zurückgewiesen. Das hatte zunächst die Weigerung damit begründet, dass die Persönlichkeitsrechte der Misshandelten durch die Freigabe verletzt würde. Nachdem das Gericht die Unkenntlichmachung der Gefangenen anordnete, erklärte das Pentagon, eine Freigabe würde den Widerstand im Irak stärken und das Leben von US-Soldaten gefährden. Der Richter ließ aber diesen Einwand nicht gelten (Die versteckten Bilder von Abu Ghraib).
Nach Auswertung von Dokumenten, die die ACLU nach dem Informationsfreiheitsgesetzt erhalten hat, waren Misshandlungen und Folterungen keineswegs nur die Tat von einzelnen "bad apples" auf unterster Stufe, wie das Pentagon immer wieder behauptet. Gefangene wurden für Verhöre unter Kapuzen gesteckt, gefesselt, geknebelt, gewürgt, mit Gegenständen geschlagen und kalten oder heißen Bedingungen ausgesetzt. Das habe auch zum Tod einiger Gefangener geführt. Nach der Durchsicht von 44 Autopsien von Gefangenen, die im Irak oder in Afghanistan in amerikanischer Haft zu Tode kamen, waren nach Ansicht der ACLU 21 Tötungen. Acht davon wurden durch übermäßige Gewaltanwendung wie Würgen, Ersticken oder Schläge von US-Soldaten oder Mitgliedern von OGA (Other Governmental Agency), also der CIA, begangen.
An Iraqi detainee (also described as a white male) died on January 9, 2004, in Al Asad, Iraq, while being interrogated by "OGA." He was standing, shackled to the top of a door frame with a gag in his mouth at the time he died. The cause of death was asphyxia and blunt force injuries. Notes summarizing the autopsies record the circumstances of death as "Q by OGA, gagged in standing restraint."
Um zu verhindern, dass wegen der bewusst im Ungefähren gehaltenen und damit auslegbaren Vorschriften des Pentagon, die unter Rückendeckung des Weißen Hauses mit Unterstützung des jetzigen Justizministers Gonzales geschaffen (Die US-Regierung und die Folter) und nur halbherzig revidiert wurden, weiter Gefangene in US-Haft gefoltert werden, hatte Senator John McCain einen Zusatz in den Department of Defense Appropriations Act 2006 eingefügt, der im Senat mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde. McCain war im Vietnamkrieg Kriegsgefangener gewesen und gefoltert worden. Er wirft der US-Regierung vor, dass die USA das einzige Land seien, das für sich explizit das Recht in Anspruch nimmt, Gefangene, die als feindliche Kämpfer klassifiziert werden, "grausam und unmenschlich" behandeln zu können. Zudem gebe es zu viele Uneindeutigkeiten.
Die Senatoren sind der Überzeugung, dass auch im Kampf gegen den Terrorismus Menschenrechte beachtet werden müssen und dass die bekannt gewordenen Folterungen und Misshandlungen dem Kampf, aber auch der Glaubwürdigkeit der USA erheblich geschadet haben. 90 Senatoren stimmten bei 9 Gegenstimmen für den Zusatz 1977, der es allen Mitarbeiter der US-Regierung verbietet, Gefangene, gleich ob im In- oder Ausland, unmenschlich zu behandeln oder zu foltern:
No individual in the custody or under the physical control of the United States Government, regardless of nationality or physical location, shall be subject to cruel, inhuman, or degrading treatment or punishment.
Das Weiße Haus hatte bereits ein Veto für das Haushaltesgesetz angedroht, wenn der Zusatz in ihm enthalten bleibt. Wie nun bekannt wurde, trafen sich Vizepräsident Cheney und CIA-Chef Goss letzte Woche mit dem republikanischen Senator McCain, um ihm den Vorschlag zu unterbreiten, in dem Zusatz zum Pentagon-Haushaltsgesetz CIA-Mitarbeiter vom Folterverbot auszunehmen. Im Rahmen von "verdeckten Antiterroroperationen im Ausland" sollen Mitarbeiter der US-Regierung, die nicht dem Verteidigungsministerium angehören, gegenüber "Terroristen, die keine US-Bürger sind", von der Regelung nicht betroffen sein. Die CIA soll auch im Ausland selbst einige Lager betreiben, in denen Terrorverdächtige festgehalten und wahrscheinlich mit den entsprechenden Zwangsmitteln verhört werden, wenn sie nicht zur Folterung an befreundete Staaten direkt oder mit Entführungen gebracht werden.
Sie sagen zum ersten Mal explizit, dass die Geheimdienste die Möglichkeit haben müssen, Gefangene unmenschlich zu behandeln. Man kann Soldaten aber nicht sagen, dass eine unmenschliche Behandlung moralisch immer falsch ist, wenn sie mit ihren eigenen Augen sehen können, dass CIA-Mitarbeiter genau dies machen dürfen.
Tom Malinowski von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch
Der Vorschlag, der erstmals explizit die Ausübung von grausamer und unmenschlicher Behandlung von Gefangenen bei Verhören durch die CIA (oder anderen Behörden mit Ausnahme des Verteidigungsministeriums) gestatten würde, scheint darauf zu beruhen, dass der US-Präsident zunächst erklärt, dass solche Maßnahmen zum Schutz der USA und seiner Bürger vor Terroranschlägen unausweichlich wären. Das wäre eine Beschränkung, die eingeführt wurde, um die Zustimmung zu erhalten, aber der Präsident könnte dies wiederum allgemein und ohne Kontrolle allen Antiterroroperationen der CIA genehmigen. McCain scheint aber standhaft geblieben zu sein und lehnte die Aufweichung des Zusatzes ab.