US Regierung bezieht Stellung in der Frage der Domain Names
Alles geklärt, nichts entschieden
Das US Department of Commerce hat am Freitag vergangener Woche, dem 05.06.1998, sein lange erwartetes zur Frage der Administration des Domain Name Systems (DNS) abgegeben. Was nun, nach einem langen Beratungsprozess herausgekommen ist, sind weniger klare Leitlinien, als vielmehr die Beschreibung eines Prozesses, bei dem bis Oktober dieses Jahres eine neue, nicht-kommerzielle internationale Organisation geschaffen werden soll, welche die Reform der DNS-Administration dann übersehen wird, was bis zum Jahr 2000 dauern soll.
Wir rekapitulieren: Domain Names sind jene Namen, die Internetrechner für Menschen erkennbar machen und leicht zu merken sind (z.B. www.telepolis.de). Ein Domain Name ist jeweils mit einer einzigen IP-Nummer verbunden (z.B. 98.37.241.30), die als Routing-Adresse für die Rechner beim Transport der Datenpakete dienen. Die Auflösbarkeit der Namen in Nummern und wieder zurück kennzeichnet das Domain Name System, das für das Funktionieren des Internets unerläßlich ist.
Derzeit werden die sogenannten Generic Top Level Domains (gTLD) - die nicht länderspezifischen Domains mit den Endungen .com, .org, und .net - vom Unternehmen Netsol. Inc verwaltet. Der Vertrag des Unternehmens mit der US-Regierung läuft im Oktober dieses Jahres aus. Die US Regierung hat schon vor längerer Zeit deutlich gemacht, sich aus der Frage der "governance" des Internets zurückzuziehen, um den neuen Entwicklungen seit Anfang der neunziger Jahre (Privatisierung und Internationalisierung) Rechnung zu tragen. Zugleich macht die US Regierung aber auch klar, daß es ein geordneter Rückzug werden soll. Wenn sich nun z.B. wie gefordert diese neue Organisation formiert, dann wird die zuständige Abteilung im Department of Commerce (NTIA - National Telecommunication and Information Adsministration) ein wachendes Auge darauf werfen, ob alle Leitlinien befolgt wurden und ob die neue Organisation wirklich vertretungsberechtigt ist. Endgültig soll die "Macht" über das Namenssystem dann bis zum Jahr 2000 abgegeben werden.
An der Administration der gTLDŽs durch Netsol hatte es verbreitete Kritik gegeben. Zum einen hat die Firma eine Art privatwirtschaftliches Monopol. Die Registrierung kostet Geld, aber Wettbewerb ist aus systemimmanenten Gründen derzeit praktisch nicht möglich, so kann Netsol ganz bequem Gewinne erwirtschaften. Die Datenbanken mit den Verzeichnissen der IP-Adressen und Domain Names sind auf den sogenannten Root Servern gespeichert. Davon gibt es 13 Stück und diese befinden sich alle in den USA. Der oberste Server in der Hierarchie der Root Server steht bei Netsol Inc. Ein Fehler beim täglichen Update der Datenbank, bevor sie auf die nächstunteren Rechner in der Hierarchie übertragen wird, hatte im Vorjahr die Verwundbarkeit des Systems gezeigt und auch, wie hierarchisch das angeblich so dezentrale Internet eigentlich ist. Kritker von Netsol wie der New Yorker Internet-Aktivist Paul Garrin behaupten zudem, Netsol wäre komplett von Ex-Geheimdienstlern, NSA und DoD Leuten unterwandert. (siehe dazu Interview mit Paul Garrin)
Durch das schnelle Wachstum des Internet in den letzten Jahren sind zudem einige Domains, allen voran die Domain .COM stark überlaufen. Rechtsstreitigkeiten entstehen, weil verschiedene Firmen Ansprüche auf den gleichen COM Domain Namen stellen (www.firma.com). Inhaber eines geschützten Markennamens in einem Land zu sein, bedeutet noch nicht automatisch, das Recht auf den gleichlautenden Domain Namen weltweit zu haben. Bei den immer häufiger auftauchenden Rechtsstreits hatte Netsol zuletzt die Praxis angewandt, den jeweiligen Domain Namen solange nicht zugänglich zu machen (also sozusagen in Warteposition zu halten), bis der Fall vor Gericht geklärt ist.
Doch wie Kritiker bemerken, ist dieser Engpass eigentlich künstlich. Theoretisch könnte es beliebig viele TLDŽs geben, die sich aus beliebig vielen Buchstaben, und nicht nur drei, zusammensetzen könnten. Diese künstliche Knappheit mache das Monopol von Netsol zusätzlich zu einem Unding.
Immer größerer Unmut hatte sich auch in Europa und Asien darüber geregt, daß die Administration entscheidender Schnittstellen des Internets wie eben des DNS sich immer noch allein in den Händen der USA befindet. So war Ende 1996 ein Internet Ad Hoc Committee gegründet worden, an dem sich einige große Telekommunikationsunternehmen beteiligten, sowie auch internationale Organisationen mit Sitz in Genf, die World Intellectual Property Organisation (WIPO) und die International Telecommunications Union (ITU). Nach dem Plan des Ad Hoc Kommittees sollte es sieben neue TLDs geben, deren Vergabe von 50 neuen Registrierungsstellen gehandhabt werden solle. Doch mit diesem Lösungsansatz hatten wiederum die USA ein Problem.
Man erwartete also von der Gründungsmacht des Internet ein klares Wort, da es auch klar war, daß es so nicht weitergehen konnte. (Boris Gröndahl hat im Artikel "Zigeunerbarone im Namensraum" das Gerangel vom Vorjahr treffend zusammengefaßt.)
Entsprechend hatte das US Department of Commerce am 2. Juli 1997 einen sogenannten "Request for Comments (RFC)" über die DNS-Administration herausgegeben. Mehr als 430 Kommentare gingen ein, von insgesamt mehr als 1500 Seiten Text. Am 30.Januar 1998 wurde dann schließlich ein "Green Paper" mit Vorschlägen zur Verbesserung des technischen Managments der Internet-Namen und -Adressen herausgegeben. Wiederum gab es die Möglichkeit für eine internationale Öffentlichkeit die Vorschläge zu kommentieren, wiederum wurde zahlreich (650 z.T. lange "comments" gingen ein) davon Gebrauch gemacht.
Das nun vorliegende Policy Statement will alle diese Kommentare und Vorkommunikation berücksichtigt haben. Die eigentliche Beantwortung der vielen offenen Fragen, welche die DNS-Administration betreffen, ist jedoch offen geblieben und die US-Regierung hat eindeutig den Ball an die Privatindustrie zurückgespielt. Die Befürchtung ist nun, daß das Gerangele wieder von vorne losgeht, da der Privatsektor eigentlich bereits bewiesen hat, unfähig zu sein, eine allgemein akzeptable Lösung zu finden.
Aber so ganz falsch ist es vielleicht gar nicht, was sich das Department of Commerce da ausgedacht hat. Es wurden vier Aufgaben identifiziert, die für ein reibungsloses Funktionieren des DNS und damit des Internet von entscheidender Bedeutung sind. Diese Aufgaben sind:
1. Die Politik für die Zuordnung von IP Nummern festzulegen und diese zu vergeben
2. Die Arbeit des Internet Root Server Systems handzuhaben.
3. Die Politik festzulegen, unter welchen Umständen neue Top Level Domains eingeführt werden sollen.
4. Die Entwicklung anderer technischer Protokoll Parameter zu koordinieren, soweit diese die Connectivity im Internet betreffen.
Diese Funktionen sollen von einem 15-köpfigen Dirketorium einer noch zu gründenden Körperschaft wahrgenommen werden. Das Direktorium soll sich zusammensetzen aus drei Repräsentanten regionaler Nummernverwalter (das wäre dann z.B. DE-NIC), zwei Mitgliedern, die vom Internet Architecture Board festgesetzt werden, zwei Mitgliedern von Domain Name Registrierungsunternehmen und Domain Name Registrierten, sieben Repräsentanten der Internet User und einem CEO der neuen Körperschaft selbst.
Die neue Organisation soll ihren Sitz in den US haben, da "in den USA auch die längste Erfahrung und das Expertenwissen über das DNS beheimatet ist", wie es in dem Papier, offensichtlich Vorwürfen des US-Zentrismus vorbeugend, so schön heißt.
Diesen Vorwurf wird sich das neue Papier allerdings trotzdem machen lassen müssen, und auch den, daß die eigentliche Arbeit des sich Zusammenraufens nun erst beginnt. Wenn dieser Weg auch zäh erscheint, so wurden in der umfangreichen Begründung und Historie zumindest einige "fundamentals" klar gemacht. Der "Ad Hocismus" hat zunächst wohl ausgespielt und man kann zumindest davon ausgehen, daß durch den langen Beratungsprozess und die zahlreichen Eingaben das Department of Commerce eine gewisse Weisheit zur Domain Name Frage angesammelt hat, wodurch es zu salomonischen Entscheidungen (jedenfalls für die US-Interessen) bei den sicher bald entstehenden Flügelkämpfen fähig sein sollte.
Man könnte also sagen, eigentlich wäre gar nichts geschehen. Gar nichts oder wenig ist jedoch manchmal besser, als zuviel. Denn vom entgegengesetzten Ausgangspunkt kommend, z.B. mit der deutschen Methode, dann gäbe es jetzt wohl schon ein neues Gesetz, das an den technischen Gegebenheiten vorbeigeht und womit erst recht wieder keine klare Grundlage gewährleistet wäre. So besteht zumindest die Chance, daß sich, wenn auch US-gesteuert, die zukünftige Administration des DNS in einem einigermaßen demokratischem und internationalem Prozeß - oder was man in einem Haifischteich von Software-, ISP-, Telco- und IT-Oligopolisten so darunter versteht - entwickelt.
Links zum Thema:
Presseerklärung zum Policy Statement
Policy Statement, ausgesprochen lesenswert, da es auch eine Zusammenfassung der gesamten Vorgeschichte enthält.
Boris Gröndahls Artikel "Zigeunerbarone im Namensraum".