US-Regierung hält an Guantanamo fest
Erneuter CIA-Gefangenentransfer nach Guantánamo belegt, dass es weiterhin CIA-Geheimgefängnisse gibt
Die CIA hat erneut einen Gefangenen ins US-Militärgefängnis Guantánamo auf Kuba überstellt, in dem sich noch immer über 270 Menschen in Haft befinden. Das gab das US-Verteidigungsministerium vergangene Woche bekannt. Muhammad Rahim-al Afghani, angeblich ein ehemaliger Übersetzer Bin Ladens, war nach Angaben von US-Regierungsbeamten monatelang in einem geheimen CIA-Gefängnis festgehalten und verhört worden. Der Transfer Rahims nach Guantánamo ist mindestens der dritte, seit die Bush-Administration die Existenz geheimer CIA-Gefängnisse, so genannter black sites, offiziell eingeräumt hat (US-Präsident Bush bestätigt und rechtfertigt die geheimen CIA-Gefängnisse und die Verhörmethoden). Bereits im September 2006 waren 14 Gefangene nach Guantánamo verlegt worden, nachdem sie zuvor bis zu viereinhalb Jahre ohne Kontakt zur Außenwelt in geheimen CIA-Gefängnissen zugebracht hatten. Seither sind vier weitere Gefangene nach Guantánamo überstellt worden, mindestens einer davon aus geheimer CIA-Haft.
Die „Überstellung“ Rahims aus geheimer CIA-Haft ins Gefangenenlager Guantánamo ist ein weiteres Indiz dafür, dass die USA nach wie vor Geheimgefängnisse betreiben, in denen Häftlinge illegal festgehalten und gefoltert werden. Muhammad Rahim al-Afgani wurde vergangenen Sommer in Pakistan von der örtlichen Polizei festgenommen und im August der CIA übergeben. Das US-Verteidigungsministerium beschreibt ihn als ein „hochrangiges Mitglied von Al-Qaida“ und einen „engen Vertrauten von Osama bin Laden“. Er soll dem Terroristenchef maßgeblich bei der Flucht vor US-Soldaten aus dem afghanischen Bergversteck Tora Bora Ende 2001 geholfen haben, heißt es aus Kreisen des US-Geheimdiensts und des Verteidigungsministeriums.
In einem Memo, das unter Mitarbeitern der CIA zirkuliert, beschuldigt CIA-Direktor Michael Hayden Rahim außerdem, er habe bei der Rekrutierung von Terroristen geholfen und versucht, chemische Waffen für einen Angriff auf US-Truppen in Afghanistan zu beschaffen – dieser Angriff fand allerdings nie statt. Rahim habe der Al-Qaida, den Taliban und anderen US-Gegnern in Afghanistan Hilfe geleistet, zitierte die Washington Post den CIA-Chef. Rahim sei „angesichts seiner Vergangenheit und der weiterhin von ihm ausgehenden Bedrohung für US- Interessen“ zunächst an die CIA übergeben worden.
Wie Tausende anderer Gefangener, die von den USA in Afghanistan, im Irak, auf Guantánamo Bay und anderswo festgehalten werden, wurde Rahim keines Verbrechens angeklagt, und er hat auch keinerei Kontakt zu Bürger- oder Menschenrechtsorganisationen.
CIA- und Pentagon-Offizielle haben bislang weder über Rahims Festnahme noch über seine Befragung Details bekanntgegeben. Lokale Zeitungen in Pakistan und Afganistan ließen jedoch durchblicken, dass Rahim im späten Juli 2007 in Lahore nach Zahlung eines Kopfgelds in Höhe von 200.000 US-Dollar arretiert und dann den „US-Streitkräften“ in Gewahrsam übergeben worden sei. Am 2. August 2007 berichtete die pakistanische Zeitung The Nation, Rahim sei möglicherweise entweder „ins Gefängnis in Bagram oder auf Guantánamo“ überstellt worden. Der Luftwaffenstützpunkt Bagram in Afghanistan ist bekannt für die Misshandlung und Folterung von dort inhaftierten Gefangenen.
In einer vagen Stellungnahme erklärte Hayden gegenüber der Presse, Rahim sei „schließlich in US-Gewahrsam geraten und … in das CIA Verhör-Programm aufgenommen worden.“ Das legt den Schluss nahe, das Rahim in einem jener geheimen Gefängnisse festgehalten wurde, wie sie die CIA etwa in Ägypten, Jordanien oder Syrien benutzt. In diesen Einrichtungen werden Gefangene übelsten Folterpraktiken ausgesetzt, einschließlich dem zu trauriger Berühmtheit gelangten „Waterboarding“; sie werden geschlagen, über Studen und Tage in Stresspositionen gezwungen und über lange Zeit an Ketten aufgehängt. Unter dem Bruch internationaler Gesetze verweigert die Bush-Regierung Beobachtern des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes bis geute den Zugang zu diesen Gefangenenlagern.
Laut der New York Times „wollten Geheimdienstbeamte nicht sagen, ob die CIA bei der Befragung Rahims in monatelanger geheimer Haft irgendeine jener Methoden angewandt hat, die sie als 'erweiterte Techniken' bezeichnet“. Trotzdem zitierte die Zeitung CIA-Sprecher Paul Gimigliano, der behauptete, „diese Festnahme geschah, wie die anderen, in Übereinstimmung mit dem US-Recht“. Diese Formulierung lässt aufhorchen. Nach der von der Bush-Regierung entwickleten „Rechtstheorie“ erlaubt das amerikanische Recht eine große Bandbreite von Verhörtechniken, auch wenn es sich dabei faktisch um vom internationalen Recht, wie den Genfer Konventionen – und demnach auch von US-Gesetzen – als Folter geächtete Praktiken handelt. Um das internationale Recht auszuhebeln, hat die Bush-Regierung für Gefangene, die von den USA festgenommenen und verschleppt wurden, die besondere Kategorie des „feindlichen Kämpfers“ geschaffen.
US-Offizielle versichern, dass die CIA bei der Befragung von Gefangenen das „Waterboarding“ nicht mehr anwendet. Allerdings hat die Bush-Regierung im vergangenen Monat bestätigt, dass der Präsident die Anwendung von „Waterboarding“ bei Gefangenen autorisiert und sich die Entscheidung darüber vorbehalten hat, diese Praxis auch künftig zu autorisieren, wann immer es notwendig erscheint. Darüber hinaus wenden CIA- und Militärvernehmer regelmäßig andere „erweiterte Befragungstechniken“ an, wie Schlafentzug, sensorische Deprivation (Minimierung von Sinnesreizen), extreme Hitze oder Kälte sowie die Beschallung mit Lärm und erzwungene Stresshaltungen.
„Wie frühere Gefangene, die in Guantánamo angekommen sind“, so teilt das Pentagon mit, werde Rahim „eine Periode der Eingewöhnung durchlaufen, wobei man ihm helfen werde, sich an die Haftregeln und Prozeduren zu gewöhnen. Er wird eine Gefangenen-Seriennummer erhalten und vor einem Combatant Status Review Tribunal angehört werden.“
Bei den von der Bush-Regierung eingerichteten Tribunalen zur Überprüfung des Kombattanten-Stautus (CSRT) handelt es sich freilich um alles alles andere als um unparteiische rechtliche Institutionen. Ihre Funktion besteht vielmehr darin, den Gefangenen den Status „feindlicher Kämpfer“ zuzuweisen, indem ihnen der Zugang zu zivilen Gerichten und elementarsten demokratische Rechten verweigert wird. Im Rahmen der Tribunale dürfen die Militärankläger Beweismittel gegen die Gefangenen verwenden, die unter Folter erlangt wurden, während andere Beweismittel unter Veweis auf die „nationale Sicherheit“ zurückgehalten werden. Auch können Gefangene von ihren eigenen Verfahren ausgeschlossen werden.
Vergangene Woche hat die American Civil Liberties Union (ACLU) Anzeige gegen die Bush-Regierung erstattet. Darin fordert die Bürgerrechtsorganisation nach dem Informationsfreiheitsgesetz die Freigabe der nicht redigierten Protokolle von den Tribunalen gegen 14 andere so genannte „hochkarätige“ Gefangene. Laut ACLU beschreiben die Gefangenen darin, wie sie während ihrer Gefangenschaft in geheimen CIA-Gefängnissen gefoltert wurden.