US-Spionagegericht entscheidet erstmals nicht für die Regierung

Seite 2: Historische Niederlage

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Die EFF veröffentlichte die eigenen Eingaben an den FISC und die Antwort der Regierung. Daraufhin machte auch der FISC selbst den Akt öffentlich. Am Mittwoch erging nun die Entscheidung, und sie historisch: Es dürfte die erste Abfuhr für die US-Regierung vor dem FISC sein. Der Vorsitzende Richter Reggie B. Walton erachtet sein Gericht sehr wohl zuständig dafür, die FISC-Regeln auszulegen.

In seiner Entscheidung führt er aus, dass die einschlägige Vorschrift, nach welcher FISC-Entscheidungen Verschlusssache sind, nicht jene Kopien betrifft, die im Besitz der Regierung sind. Auch sonst habe das Gericht der Regierung nicht untersagt, die gegenständlichen Kopien zu veröffentlichen. Im Übrigen hält sich Walton aber aus der Sache heraus. Denn die Entscheidung, ob die von der Regierung behaupteten Ausnahmen vom Informationsfreiheitsgesetz gegeben sind oder nicht, obliegt dem ursprünglich von der EFF befassten Bundesbezirksgericht.

Berufungsgericht kaum beschäftigt

Sollte die Entscheidung des FISC Rechtskraft erlangen, könnte sich das Justizministerium also nicht mehr mit einem Hinweis auf die FISC-Bestimmungen aus der Affäre ziehen. Wahrscheinlich wird sich das Ministerium aber an das Berufungsgericht (Foreign Intelligence Surveillance Court of Review) und/oder den US Supreme Court wenden. Das Berufungsgericht wird extrem selten beschäftigt, weil der FISC die Regierungsanträge in der Regel durchwinkt. Erst 2002, also 24 Jahre nach Einrichtung des FISC, trat das Berufungsgericht erstmals zusammen. Damals hatte der FISC dem FBI zwar eine Überwachung nach dem FISA genehmigt, aber die strafrechtliche Verwertung der dabei erlangten Informationen untersagt (FBI hat sich Lauschangriffe erflunkert). Diese Einschränkung hob das Berufungsgericht auf.

Aus 2008 ist eine weitere Entscheidung des FISC-Review bekannt. Sie wurde Anfang 2009 in stark zensierter Form veröffentlicht. Darin bestätigt das Berufungsgericht die Auffassung des FISC, dass das Amerika-Schutzgesetz 2007 (Protect America Act) verfassungskonform ist. Mit diesem Gesetz wurden die Befugnisse der US-Dienste deutlich ausgeweitet und vielfach der Kontrolle des FISC entzogen. Dieses Gesetz, das die NSA zu ihrem jetzt durch Snowden bekannt gewordenen Lauschprogramm ermächtigte, war am 1. August 2007 im US-Senat beantragt worden und so rasch beschlossen worden, dass es schon am 5. August vom damaligen Präsidenten George W. Bush unterzeichnet und in Kraft gesetzt werden konnte. Zwar lief das Gesetz Anfang 2008 wieder aus, zahlreiche Bestimmungen wurden aber durch eine weitere Novelle des FISA fortgeschrieben. Bereits laufende Spionage geht nach den alten Regeln weiter (Der Trick mit dem NSA-Lauschgesetz). Notwendig wurde das Gesetz, nachdem 2006 das NSA-Lauschprogramm das erste Mal aufgeflogen war (Umfassender Lauschangriff auf US-Bürger).

Fall Nummer 2

Am Mittwoch hat das FISC übrigens einen zweiten öffentlichen Akt angelegt (Misc. 13-02). Dieser geht auf einen Antrag der Bürgerrechtsorganisation ACLU zurück. Sie ersucht das Gericht, seine Entscheidungen über die Bedeutung, den Umfang und die Verfassungsmäßigkeit von Abschnitt 215 des Patriot Act offenzulegen.

Diese Bestimmung erweitert ebenfalls den FISA und damit die Überwachungsbefugnisse der Geheimdienste. Sie ist auch Basis jener Entscheidung, die The Guardian vergangene Woche veröffentlicht hat (Der Datenkrake NSA Tür und Tor öffnen). Darin werden nicht einzelne Überwachungen genehmigt, sondern die tägliche Weitergabe aller Telefonverbindungsdaten samt Endgerätekennungen durch den Netzbetreiber Verizon. Und das betrifft auch ausschließlich innerhalb der USA geführte Verbindungen, also in erster Linie die Kommunikation zwischen Staatsbürgern und Einwohnern der Vereinigten Staaten von Amerika.