US-Wahl 2024: Rechtsextreme nutzen Telegram als digitales Hauptquartier
Rechte Gruppen mobilisieren vor der US-Wahl auf Telegram. Eine Million Nachrichten wurden ausgewertet. Was die Journalisten fanden, lässt Schlimmes befürchten.
Vor der Präsidentschaftswahl in den USA im morgigen Dienstag mehren sich die Anzeichen für mögliche Unruhen und Chaos rund um den Wahltag. Auf der Plattform Telegram organisieren sich nach Recherchen US-amerikanischer Medien rechtsextreme Gruppen, um von vornherein Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl zu schüren. Der verschlüsselte Dienst mit fast einer Milliarde Nutzern diene als Sammelpunkt für die Mobilisierung der Rechten, so die New York Times.
Das US-Blatt, das eine Wahlempfehlung für die Kandidatin der Demokraten, Kamala Harris, ausgibt, gibt an, mehr als eine Million Nachrichten in knapp 50 Telegram-Kanälen mit mehr als 500.000 Mitgliedern ausgewertet zu haben. Dabei seien deutliche Netzwerke erkennbar gewesen.
Ziel dieser Akteure sei häufig, die Glaubwürdigkeit der Wahl infrage zu stellen, den Ablauf zu behindern und im Zweifel das Ergebnis anzufechten. Fast alle untersuchten Kanäle wurden nach dem umstrittenen Wahlgang im Jahr 2020 gegründet.
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In Schlüsselstaaten wie Pennsylvania, Georgia, Wisconsin, North Carolina und Michigan fordern selbsternannte "Wahlintegrität-Gruppen" ihre Anhänger auf, Wahllokale zu beobachten und Unregelmäßigkeiten zu melden.
Demokratische Hochburgen stehen besonders im Fokus. Andere rechte Kanäle rufen zur Gewaltbereitschaft auf. Mehr als 4.000 Posts riefen konkret dazu auf, zu Protestkundgebungen zu kommen oder für entsprechende Aktionen zu spenden.
Aufstand bei Trump-Niederlage
Viele Kanäle verbreiten Verschwörungsmythen, wonach alles andere als ein Wahlsieg von Ex-Präsident Donald Trump einen Aufstand rechtfertigen würde. "Der Tag rückt näher, an dem Abwarten nicht mehr möglich sein wird", drohten etwa die "Proud Boys".
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Die gewaltbereite Miliz, die am Sturm auf das Kapitol 2021 beteiligt war, fühlt sich von Trump und Verbündeten wie dem gefeuerten Fox-News-Moderator Tucker Carlson bestärkt, seit diese bei Auftritten ihre Farben trugen.
Gezielte Mobilisierung über Telegram
Während andere Plattformen stärker gegen Hass und Desinformation vorgehen, setzen Extremisten Telegram gezielt ein, um digitale Koordination in reale Aktionen zu übersetzen. Experten sehen das als düsteres Vorzeichen, so die New York Times. "Telegram steht sehr oft im Mittelpunkt, wenn es darum geht, Menschen zu organisieren, die dann auf die Straße gehen", warnt die Analystin Katherine Keneally. Die Plattform werde "sehr strategisch eingesetzt, um zu radikalisieren und zu rekrutieren".
Die massive Mobilisierung auf Telegram im Vorfeld der US-Wahl ist ein alarmierendes Signal. Die Plattform entwickelt sich zu einem Epizentrum für Versuche, demokratische Prozesse zu delegitimieren und im Ernstfall mit Gewalt auszuhebeln.
Um einen friedlichen Verlauf der Abstimmung zu sichern, müssen die Behörden die Gefahren ernst nehmen und Telegram stärker in die Pflicht nehmen, gegen Hassbotschaften und Aufrufe zu Straftaten vorzugehen. Sonst droht sich das Szenario vom 6. Januar 2021 zu wiederholen – dem Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol.