US-Wahl: War es ein Leak und kein Hack?
Ex-Geheimdienstmitarbeiter mischen sich in die Diskussion ein, überschätzen aber wahrscheinlich die Fähigkeiten der NSA
Es hat lange gedauert, aber nun haben sich auch wieder die ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiter in die aufgeregte Diskussion um den angeblichen russischen Informationskrieg eingeschaltet. Sie haben immer wieder versucht, dafür zu sorgen, dass die von den Geheimdiensten verbreiteten und oft von der Politik gewünschten Informationen auf dem Hintergrund der eigenen Erfahrung im Schlapphut-Gewerbe zurechtgerückt werden ("Der Schlüssel liegt darin, als erster zu lügen"). Es ist natürlich nur eine zusätzliche Meinung, aber immerhin sind es im Gegensatz zu vielen Politikern und Journalisten, die Stimmungen aufkochen, Experten.
Die Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS) schreiben, dass der tatsächlich gewaltig aufgebauschte und bedrohlich stimmende Artikel in der New York Times über die "russische Cybermacht" und die gestreuten Informationen, wonach Wladimir Putin direkt Hacker mit dem Ziel eingesetzt habe, die US-Wahl zugunsten von Trump zu drehen, ohne jeden Beweis sei: evidence-free. Daraus sei aber ein parteipolitischer Nebel entstanden.
Das sei kein Wunder, denn nach ihrer Ansicht hätte sich niemand in die Computer der Demokraten eingehackt, die technischen Details würden für ein Leak sprechen. Die Autoren verweisen auf ihre jahrzehntelange Erfahrung in der Arbeit mit Geheimdiensten und mit Cybersicherheit und darauf, dass sie ohne Furcht und Einseitigkeit schlicht die Wahrheit berichten wollen. Die Behauptungen, die aufgestellt wurden, seien einfach zu widerlegen, das könne selbst ein Kind.
Ihre Behauptung, dass es sich nicht um einen Hack, sondern um ein Leak gehandelt habe, können sie auch nicht beweisen. Sie führen nur an, dass bei einem Hack die NSA - und dann auch die Täter - dies gewusst hätte . Das ist eine Vermutung, die Kapazitäten des NSA voraussetzt, die der Geheimdienst vor allem bei der Verfolgung der Täter keineswegs haben muss und wahrscheinlich bei versierten Tätern auch nicht hat. Aus dieser Annahme leiten sie aber ab, dass nur ein Insider die Daten kopiert und geklaut haben kann, ohne "elektronische Spuren" zu hinterlassen. Aber die Geheimdienste und das FBI wollen Hinweise auf russische Hacker herausgefunden haben, die sie mit der russischen Regierung verbinden. Ähnliches hatte auch ein Sicherheitsunternehmen behauptet, das die Hacks auf russische Gruppen aufgrund ihrer Methode zurückgeführt hatte.
Allerdings berichtete nun auch die New York Times, dass zwar russische Hacker schon lange in das Computersystem des DNC eingedrungen waren, aber dass das Entwenden der Emails vom Email-Account des demokratischen Wahlkampfleiters Podesta mittels eines Phishing-Tricks erfolgt sei. Unachtsamkeit wäre dann der Grund, aber kein Hacken, da man dem Dieb gewissermaßen den Schlüssel übergeben hat, um ins Haus hineinzugehen. Das würde die "russische Cybermacht" mit ihrer Superwaffe schon deutlich weniger bedrohlich machen.
Die Geheimdienstveteranen behaupten, die NSA könnte, wie die Snowden-Leaks belegen würden, Sender und Empfänger bei einem Hack identifizieren. Der Geheimdienst könne auf alle Daten zugreifen, die in die USA kommen und von dort aus in die übrige Welt gehen. Daher würden alle Daten, die von den Computern des DNC oder von Hillary Clinton ausgehen, von der NSA erkannt und durch das Netzwerk verfolgt werden können. Das ist schon richtig, aber ob der Empfänger der Datenpakete auch der Eigner der Computer ist, bleibt fraglich. Gewiefte russische Hacker könnten gehackte Computer in der Ukraine oder wo auch immer benutzen, um Daten zu empfangen, daher ist die Zurückverfolgung zwar möglich, aber sie liefert keine Beweise, mit denen sich die Täter notwendigerweise identifizieren lassen könnten.
Wenn die Geheimdienste also sagen, dass sie die Verantwortlichen höchstwahrscheinlich oder vermutlich ausmachen können, dann ziehen die Geheimdienstveteranen daraus den Schluss, dass es um keinen Hack geht, weil eben die NSA angeblich so gut darin ist, alles zurückzuverfolgen. Weil die Täter aber nicht wirklich benannt werden, würde dies dafür sprechen, dass die Emails von einem Insider geleakt wurden, wie dies bei Snowden oder Manning der Fall war. Die CIA sei im Bereich der Kommunikation fast vollständig von der NSA abhängig, weswegen es ein Mysterium sei, "warum die Medien mit seltsamen Geschichten über das Hacken gefüttert werden, die in Fakten keine Grundlage besitzen." Das stimmt vermutlich, allerdings ist auch die Argumentation der Ex-Geheimdienstler irgendwie postfaktisch, wenn sie die Fähigkeiten der NSA wohl ziemlich überschätzen.
Donald Trump sah sich angesichts der Flut der Behauptungen auch wieder einmal genötigt, Stellung zu nehmen: "If Russia, or some other entity, was hacking, why did the White House wait so long to act? Why did they only complain after Hillary lost?" Die Frage hätte er sich aber selbst beantworten können. Der amtierende Präsident Barack Obama blieb zurückhaltend, weil er Sorge hatte, dass er einen Cyberwar auslösen könnte, dessen Folgen vor allem für die USA nicht vorhersehbar wären, während Russland weniger abhängig von der digitalen Infrastruktur ist. Das kritisieren Falken und versuchen, Obama noch während seiner Restamtszeit zu einem Cyberangriff auf Russland zu drängen (Sollen die USA gegen Putin und die "russische Cybermacht" zurückschlagen?).