USA: "Extreme Sicherheitsüberprüfungen" statt Einreiseverbot
Die Schlappe im Rechtsstreit will Trump mit einem neuen Erlass kontern; Razzien und Festnahmen von illegalen Einwanderern aus lateinamerikanischen Staaten sorgen für "Panik und Ängste"
Vom neuen US-Präsidenten wird vieles erwartet und vieles befürchtet. Seine Umsetzung von "America First" hat große Aufmerksamkeit. Zuletzt durften sich die politischen Gegner freuen. Das große Projekt, die Immigrationspolitik spektakulär zu verändern, hat sich, was das Einreiseverbot von Personen aus "gefährlichen Staaten mit muslimischer Mehrheit" anbelangt, im Rechtsstreit verfangen.
Gerichtsurteile haben dem harten Kurs des Präsidenten eine Schlappe beschert (USA: Trumps Einreiseverbot bleibt ausgesetzt). Beim Battle um die Publikumsgunst sieht es besser aus. Trump punktet laut Umfragen. Auch in Europa kann er auf große Sympathien für seine kantige Abschottungspolitik gegenüber Einwanderern zählen (Trumps Einreiseverbot in den USA und in Europa mehrheitsfähig).
In Europa schaut man vorwiegend auf den Verlauf des Rechtsstreits beim "Einreiseverbot für Muslime", so die populäre Übersetzung des Erlasses für das Einreiseverbot von Staatsbürgern aus sieben Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit. Dazu will Trump nachlegen, er kündigte ein neues präsidentielles Dekret an, das eine "sehr, sehr starke Überprüfung" vorschreiben werde, eine "extreme Sicherheitsüberprüfung".
Verhaftungen von Einwanderern aus lateinamerikanischen Ländern
Weniger beachtet wurde in der europäischen Öffentlichkeit ein anderer Erlass zur Immigrationspolitik. Wie die Washington Post berichtet, sollen "Hunderte von illegalen Einwanderern in mindestens einem halben Dutzend US-Staaten in einer Reihe von Razzien verhaftet" worden sein.
Mit den Durchsuchungen und Verhaftungen werde zum ersten Mal in großem Stil ein Erlass des Präsidenten vom 26. Januar umgesetzt, der zum Ziel habe, gegen geschätzte 11 Millionen Einwanderer vorzugehen, die sich ohne gültige Papiere in den USA aufhalten.
Als auffällige Abweichung gegenüber ähnlichen Maßnahmen gegen illegale Immigranten notiert der Zeitungsbericht, dass nicht nur gegen Einwanderer, die einen Eintrag im Strafregister haben, vorgegangen werden, sondern auch Einwanderer, die dahingehend unbescholten sind, im Ziel der Maßnahmen stünden.
Zwar soll Trump zunächst angekündigt haben, dass drei Millionen illegale Einwanderer, die Vorstrafen haben, ausgewiesen würden, er habe dies aber vor einem Monat korrigiert, wonach das Homeland-Ministerium auch Einwanderer ohne gültige Aufenthaltspapiere ausweisen könne, die nur kleinere Vergehen oder gar keine begangen hätten.
Panik, Furcht und "mass confusion"
Laut Informationen der Zeitung betrafen die Behördenaktionen Einwanderer aus einem Dutzend lateinamerikanischer Länder. Zivilrechtliche Organisationen und Anwälte, die zitiert werden, sprechen von einer ersten Welle, die "Panik", "Furcht" und mass confusion in den Gemeinschaften der Einwanderer verbreiten. Mitarbeiter der Homeland-Ministeriums-Abteilung Immigration and Customs Enforcement (ICE) würden teilweise von Haus zu Haus gehen.
In der Region Los Angeles seien in der vergangenen Woche bis Freitag 160 Personen festgenommen worden, ungefähr 75 Prozent hätten ein Vorstrafenregister, bei den anderen gebe es entweder nur Einträge wegen kleinerer Vergehen oder gar keine. 37 Festgenommene in Los Angeles wurden nach Mexiko abgeschoben.
Der Präsident hat Kenntnis von einer "gewaltigen Bedrohung"
Indessen wird sich der Rechtsstreit über das Einreiseverbot gegen Immigranten aus sieben Ländern mit muslimischer Mehrheit in die Länge ziehen. Die inhaltliche Auseinandersetzung steht noch aus. Das Berufungsgericht entschied in der Eilsache nur darüber, ob die Aufhebung des Erlasses einen unmittelbaren Schaden für die USA bedeute.
Nach Auffassung des Gerichts, das die Begrenzung der Reisefreiheit gegen die Bedrohung durch Terroristen abwog, konnte die Regierung keine überzeugenden Gründe oder einen Beweis dafür erbringen, wonach die Bedrohung durch die Einreisenden aus dem Irak, aus Iran, Libyen, Somalia, Sudan, Syrien oder dem Jemen den Erlass rechtfertige, zumal bislang kein Angehöriger aus diesen Staaten einen terroristischen Anschlag in den USA ausgeführt habe. Etwaige Anschlag-Planungen wurden nicht berücksichtigt.
Inwieweit der Erlass inhaltlich mit anderen Gesetzen oder Grundrechten in Konflikt steht, ist Gegenstand laufender Verfahren. Offen ist noch, ob die Auseinandersetzung vor den Supreme Court kommt. Die Signale von Trump sind noch nicht eindeutig. Die Juristen der Gegenseite sind sehr gut, ob Trumps Mannschaft gut Paroli bieten kann, ist unsicher.
Trump erklärt vor Pressevertretern viel lieber, dass ihm Einsichten in Geheimakten das Bild einer "gewaltigen Bedrohung" nahegebracht hätten. Das könnte allerdings nur der Präsident erfahren. Ob die genaue Natur der Bedrohung im Rechtsstreit - und nicht bloß im Battle um öffentliche Aufmerksamkeit - aussagekräftig genug ist oder überhaupt verwendbar, wird sich erst herausstellen.