USA: Reiche zahlen Hunderte Milliarden US-Dollar zu wenig an Steuern
Weil sie es sich leisten können, so das US-Finanzministerium. In Deutschland spricht sich Uli Hoeneß gegen die Vermögenssteuer aus: "ein Schmarrn"
Den US-Staatskassen geht wieder mal das Geld aus. Finanzministerin Janet Yellen warnt, dass sie schon im Oktober erschöpft sein. Yellen drängt in einem Brief an wichtige Kongress-Politiker darauf, dass die Schuldengrenze weiter angehoben wird.
Bis zur letzten Minute zu warten, könnte "das Vertrauen von Unternehmen und Verbrauchern ernsthaft schädigen, die kurzfristigen Kreditkosten für die Steuerzahler erhöhen und sich negativ auf die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten auswirken", zitiert die Financial Times aus dem Schreiben.
Das ist bekannter politischer Poker. Es geht darum, dass sich Demokraten und Republikaner über Pakete einigen. Biden beabsichtigt, wie berichtet, einen 1,2 Billionen US-Dollar-Infrastrukturplan, dessen sozialpolitischen Konsequenzen Wellen schlagen (US-amerikanische Sozialpolitik - gibt’s denn so was?). Das muss seine Regierung erst durch Kongress bringen. Die Republikaner gaben, so die britische Finanzzeitung, zuletzt Zeichen, dass sie sich einer Erhöhung der Schulden widersetzen würden. Offensichtlich braucht Yellen aber trotz einer Mehrheit der Demokraten die Unterstützung von Führern der Republikaner.
Das bildet den Hintergrund zu einer Forderung des Finanzministeriums, von der viele maßgebliche Republikaner und deren Unterstützer und Gönner nicht begeistert sein dürften. Der jüngste Bericht des US.-Treasury macht auf eine Steuerlücke von jährlich geschätzt 600 Milliarden US-Dollar aufmerksam.
Im nächsten Jahrzehnt könnte dies zu Steuerausfällen von etwa sieben Billionen Dollar führen, warnt die Verfasserin des Berichts, die 32-jährige Natasha Sarin, die als "Deputy Assistant Secretary for Economic Policy" im Ministerium arbeitet und wie es die New York Times beschreibt, als Teamführerin mit der Mission betreut wurde: "to crack down on tax cheats" ("gegen Steuerbetrüger vorzugehen"). Dafür will das Finanzministerium mehr Leute mit den notwendigen Skills einstellen, damit mehr Steuern bezahlt werden.
Im Visier stehen besonders die sehr Reichen. Die Zahlen, die im Bericht genannt werden, bestätigen zum x-ten Mal die Ungleichheit zwischen den sehr Reichen und denen, die mit sehr viel weniger auskommen müssen. Demnach soll sich die entgangene Steuersumme derjenigen, die zu den Top Ein-Prozent der Einnahmen gezählt werden, auf 160 Milliarden US-Dollar belaufen, was etwa 28 Prozent der Steuerlücke von 600 Milliarden US-Dollar ausmacht. Die Formulierung hierzu lautet: "Steuern, bei denen sich das oberste eine Prozent entschied, sie nicht zu bezahlen".
Zählt man zusammen, was die obersten fünf Prozent lieber nicht an Steuern bezahlen, so kommt man, wie das Medium VOA aufgrund des Berichts ausrechnet, auf 307 Milliarden Dollar jährlich. Als Kontrastmittel dazu wird erwähnt, dass 90 Prozent der Steuerzahler "mit den niedrigsten Einkommen" ("the country's lowest-earning") ungefähr die Summe entrichten, die die Reichen nicht bezahlen: die 600 Milliarden-Dollar-Steuerlücke. Den 90 Prozent werde die Steuern vorwiegend direkt vom Gehalt abgezogen.
Schaut man sich das Kleingedruckte im Bericht an, so fällt sofort auf, warum das Finanzministerium kompetente Mitarbeiter in größerer Zahl braucht. Denn die Zahlen, mit denen die Vorwürfe an die Reichen begründet werden, sind Schätzungen, da deren Einkünfte schwer zu berechnen und nachzuweisen sind. Die Schätzungen werden von wissenschaftlichen Grundlagen gestützt (DeBacker, Jason et al., 2020. "Tax Noncompliance and Measures of Income Inequality"), aber sie sind nicht eindeutig und konkret belegbar.
In dieser schwer ermittelbaren Grauzone liege auch der Vorteil der Begüterten. Sie können sich Finanzberater, Buchhalter und Steuerberater engagieren, die ihnen helfen, "ihre wahre Einkommenssteuerschuld zu verheimlichen", stellt der Bericht fest, der eindeutig von "unbezahlten Steuern" ausgeht. Man müsse wählen "zwischen steigenden Defiziten, geringeren Ausgaben für wichtige Prioritäten oder weiteren Steuererhöhungen, um die entgangenen Einnahmen zu kompensieren - was nur von gesetzestreuen Steuerzahlern getragen werden kann".
Den gesetzestreuen Steuerzahlern in Deutschland, die sich fragen, ob eine Vermögensteuer für mehr Steuergerechtigkeit sorgen könnte, teilte Steuerexperte Uli Hoeneß seine Einsicht mit, wonach dies nichts verändere und nur Schaumschlägerei sei. Er wünsche der Linken, dass sie "bei der Wahl 4,9 Prozent kriegen würde, dann müssten wir uns so einen Schmarrn nicht mehr anhören".