USA: Wie die Außenpolitik-Eliten jeden Kontakt zu ihren Bürgern verlieren
- USA: Wie die Außenpolitik-Eliten jeden Kontakt zu ihren Bürgern verlieren
- Amerikaner sind zunehmend gegen langen Krieg und für Verhandlungen
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Die Zustimmung der Amerikaner zu einer Fortsetzung des Ukraine-Kriegs bröckelt. Das Establishment in Washington erklärt ihre Meinung aber für irrelevant. Nicht zum ersten Mal, wie ein Blick auf Vietnam, Afghanistan und Irak zeigt.
Was hält man in Washington wirklich von der öffentlichen Meinung in den USA?
Seit Jahren versucht das Establishment des Politikbetriebs, die sogenannten Beltway-Insider in Washington, verzweifelt, die Vorstellung zu widerlegen, dass es sich bei ihren Vertretern tatsächlich um Eliten handelt: ohne Bezug zu dem, was normale Amerikaner wollen und benötigen, während sie als Sklaven der konventionellen außenpolitischen Lehre und Dogmen agieren.
Aber es sind wieder Kriegszeiten, und da fallen die Masken. Es begann mit einem Strom von Artikeln der politischen Analysten Eliot Cohens und Anne Applebaums im Zuge der russischen Invasion, in denen sie fordern, dass die Amerikaner den Krieg in der Ukraine als unseren Kampf ansehen, als Kampf für die Demokratie und die liberale Weltordnung. Wenn die Amerikaner dafür nicht bereit seien, dann stimme etwas nicht mit ihnen, dann hätten sie moralisch versagt.
Dieses ungeschickte Agieren passt zu den Taktiken der Neokonservativen, denn sie haben dasselbe im globalen "Krieg gegen den Terror" versucht und in hohem Maße dazu beigetragen, dass der Irak-Krieg fast ein Jahrzehnt und der in Afghanistan volle 20 Jahre lang andauerte.
Neben der Zerstörung zweier Länder, Billionen von verschleuderten Dollar, einer massiven Flüchtlingskrise, einer neuen Generation von US-Kriegsveteranen, die lebenslang auf Hilfe angewiesen ist, und unzähligen Toten sowie Verwundeten sind diese "Eliten" zu einem großen Teil für das Misstrauen gegenüber Washington verantwortlich, das die Kultur und Politik hierzulande bis ins Mark zerfressen hat.
Eine Umfrage nach der anderen zeigt, dass das Vertrauen in die amerikanischen Institutionen, einschließlich des einst gepriesenen Militärs, immer mehr schwindet. Das ist es, was ein Krieg, der auf Lügen, Verzerrungen und rhetorischem Mobbing basiert, in einer bereits angespannten und gespaltenen Gesellschaft anrichten wird.
Hinzu kommt der finanzielle Zusammenbruch von 2008, dem die US-Regierung mit einer beispiellosen Bankenrettung begegnete, während Hausbesitzer und Arbeiter ums Überleben kämpften. Das bildet die Grundlage für großen populistischen Bewegungen – auf der Linken wie auf der Rechten.
Der Aufstieg von Bernie Sanders und Donald Trump wurde zum Teil durch die anhaltende Skepsis gegenüber den laufenden Kriegen und den Eliten an der Spitze der US-Außenpolitik begünstigt. Diese Politik wird zunehmend als eigennützig und abgekoppelt von den amerikanischen Interessen wahrgenommen.
Man sollte meinen, dass die Eliten ihre Lektion gelernt hätten.
Aber der Krieg in der Ukraine hat die Ignoranz wiederbelebt. Erneut werden die Ansichten und Bedürfnisse der amerikanischen Öffentlichkeit beiseite geschoben, während man die Bürger bevormundet. Ein Kommentar von Gian Gentile und Raphael S. Cohen, der letzte stellvertretender Direktor der Army Research Division der Rand Corporation bzw. des Air Force Strategy and Doctrine Program, sagt alles.
Der Artikel mit dem Titel "The Myth of America's Ukraine Fatigue" richtet sich eindeutig an das Beltway-Establishment in Washington. Er propagiert zugleich, dass man sich nicht um Umfragen oder gar die öffentliche Meinung in den USA kümmern sollte. Der lange Krieg der Ukraine (und in der Tat auch Washingtons) werde weitergehen, egal was der hoi polloi, das gemeine Volk denkt oder fühlt, so die Botschaft.
Im Krieg ist es aus rein politischer Sicht für Politiker in der Regel sicherer, den Kurs beizubehalten. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die Demokratien in bewaffneten Konflikten ziemlich gut darin sind, auch länger zu kämpfen. Von den antiken Athenern während des Peloponnesischen Krieges bis zum heutigen Tag waren Demokratien in der Regel nicht die Wankelmütigen, verschrumpelte Veilchen, wie sie von ihren Gegnern gerne dargestellt werden. In den Vereinigten Staaten waren die Kriege in Korea, Vietnam, Irak und Afghanistan letztlich allesamt äußerst unpopulär. Dennoch kämpften die USA drei Jahre lang in Korea, fast neun Jahre lang im Irak (bevor sie sich nach dem anfänglichen Rückzug wieder zurückzogen) und fast 20 Jahre lang sowohl in Vietnam als auch in Afghanistan. In all diese Kampagnen wurde wesentlich mehr amerikanisches Blut und Vermögen investiert, als es das Engagement der USA in der Ukraine bisher erfordert hat.
Die Autoren beziehen sich auf eine Reihe aktueller Umfragen, die zeigen, dass die bedingungslose Unterstützung der Amerikaner für die Ukraine gegen die russische Invasion an ihre Grenzen stößt und in einigen Fällen sogar schwächer wird.