USA forschen an Starship Troopers
Land Warrior und Exoskelett: Neuartige Kampfanzüge sollen die Landkriegführung revolutionieren
Der technische Fortschritt hinsichtlich Rechenleistung und Miniaturisierung verändert nicht nur die Luftkriegführung (Vgl. Der größte Militärauftrag aller Zeiten). Auch der Landkrieg könnte binnen einiger Jahre ganz andere Züge annehmen: Das amerikanische Militär forscht seit ein paar Jahren an verschiedenen Kampfanzügen, welche die Träger mit erheblich erweiterter Sinnesleistung bzw. Körperkraft ausstatten sollen.
Das Department of Defence lässt derzeit mindestens an zwei unterschiedlichen Suit-Programmen forschen. Während das Land-Warrior-Programm, grob gesprochen, Wearable Computer für Bodentruppen nutzbar machen soll, verfolgt das Exoskeleton-Programm deutlich futuristischere Ziele: In Robert-Heinlein-Manier sollen Infanteristen mit 13 km/h laufen, dabei 70 kg schleppen und keinerlei Ermüdung verspüren.
Land Warrior
Bereits seit 1991 wird an Land Warrior entwickelt. Herauskommen soll dabei eine integrierte Komplettlösung für allein operierende Infanterie. Die Betonung liegt auf Integration: Waffensystem, Panzerung, Computerausstattung und Funkgerät sollen zu einem funktionalen Ganzen verschmelzen, sodass der einzelne Soldat zu einem eigenen Waffensystem wird.
Die Bewaffnung basiert auf dem M-16/M-4-Gewehr. Zeitgemäß wird es erweitert um ein TWS (Thermal Weapon Sight, Infrarotsichtgerät; Datenblatt-PDF, eine Videokamera und einen LRF/DC (Laser Range Finder/Digital Compass). Letzteres Gadget bietet dem Soldaten genaue Informationen zu Entferung und Richtung. Besonders in Kombination mit dem eingebauten GPS ergibt dies eine tödliche Kombination: Land Warriors sind bei jedem Wetter und auch bei kompletter Finsternis voll operabel. Indirektes Feuer wird dank genauer Zielbestimmung stark erleichtert.
Der Helm bietet neben grundsätzlichen Verbesserungen hinsichtlich Gewicht und Festigkeit High-Tech-Spielzeug, und zwar vor allem das kleine Computer-Display, das auf den Fotos wie eine Sonnenbrille aussieht. Dort können beliebige Informationen dargestellt werden, z. B. Landkarten, Daten über Truppenstärken, Ziele etc. Natürlich können auch die Bilder des TWS und der Videokamera dort wiedergegeben werden. Die Körperpanzerung soll robust genug sein, um selbst Feuer aus kurzer Distanz überstehen zu können.
Am spannendsten ist aber das Computer/Funk-System, das sich im Rucksack befindet. Die Steuerung soll eine Art Touchpad übernehmen, das am Brustgurt befestigt ist. Zusätzlich können die wichtigsten Funktionen aber auch durch Buttons wahrgenommen werden, die sich nahe des Gewehrabzugs befinden, so dass Land Warriors auch im Kampf bequem ihren Computer steuern können. Das Funk-System sichert die Kommunikation innerhalb der Einheit und enthält auch den GPS-Empfänger, um genaue Positionen verorten zu können. Über Funkkommunikation soll möglich sein, dass der Einsatzleiter z. B. die Videokamera seiner Soldaten abfragt, sodass stets alle Informationen zur Verfügung hat.
Hinter Land Warrior stehen eine Reihe von Firmen. Neben Rüstungskonzernen wie Raytheon oder Lockheed Martin sind auch Computerfirmen wie Motorola oder Transdimension aktiv.
Unklar ist das Betriebssystem, das bei Land Warrior eingesetzt wird. Nach einem ZDNet-Artikel soll es Windows 2000 sein, andererseits reklamiert LynuxWorks den Land Warrior für ihr LynxOS (ein proprietäres Embedded-Betriebssystem, das binär-kompatibel zur BlueCat Linux-Distribution desselben Herstellers ist)
Interessant ist das Einsatzgebiet: Nach einem Artikel des Army News Service von September 2000 sei der Land Warrior in erster Linie für den Einsatz in der Stadt gedacht. In dieser Umgebung machen Features wie die eingebaute Videokamera (die das Schießen um Ecke ohne Selbstexponierung erlaubt) besonderen Sinn. Jetzt sei es aber speziell für Orte wie Afghanistan konstruiert worden, das ganze Programm wird von 2004 auf nächstes Frühjahr vorgezogen.
Ein ungelöstes Problem ist anscheinend das Gewicht geblieben: Dies sollte durch weitere Miniaturisierung auf unter 80 Pfund sinken, was jetzt nicht mehr machbar scheint. Diese hohen körperlichen Anforderungen und der Preis von $30.000 pro Suit machen Land Warrior zu einer Ausstattung für Elite-Soldaten.
Exoskelett
Wenn man der Elite angehören muss, um mit einem 40kg-Kampfanzug in die Schlacht ziehen zu können, dann gilt für ein Exoskelett grosso modo das Gegenteil: Diese Sorte von Suit soll irgendwann aus einem Soldaten egal welcher körperlicher Konstitution eine Kampfmaschine machen, die ohne zu ermüden mehr als 12 Stunden bei 13 km/h mit einer 70 kg-Last herumläuft, geradezu schwerelos über Hindernisse springt und über unbeschreibliche Körperkräfte verfügt.
Das lesen wir nicht bei Heinlein, sondern in der aktuellen Ausgabe von New Scientist und bereits vor einem halben Jahr bei Science News. Danach investiert das amerikanische Militär $50 Millionen in die Entwicklung von Exoskeletten, die in vier Jahren verfügbar sein sollen. Solche militärische Grundlagenforschung organisiert die DARPA (die eine eigene Exoskelett-Site unterhält: die Entwicklung der Exoskelette leitet die Firma Sarcos, die ansonsten Roboter für Industrie, Film und Medizin konstruiert.
Das Ganze funktioniert im Prinzip so: Der Mensch steckt in einer Art mechanischer Hülle, die ihn umgibt und die mit zahllosen Motoren ausgestattet ist. Diese Motoren reagieren auf kleinste Bewegungen des Trägers und verstärken sie ungemein, sodass man bereits mit mäßigen Schritten schnell läuft oder mit geringem Schwungholen weit springen kann.
Klingt gut, aber zahllose Fragen stellen sich sofort: Woher soll die Energie kommen? Was wird der "Anzug" wiegen? Wie kann man das Interface zum menschlichen Körper gestalten? Ist das Tragen des Anzugs nicht gefährlich?
Vorab: Auch andere Wissenschaftler auf der Welt arbeiten an Exoskeletten. Das Forschungsziel des Pentagons scheint auf den ersten Blick weit hergeholt, aber ein japanischer Wissenschaftler konstruierte ein Exoskelett für Krankenschwestern, um diesen das schwere Heben von Patienten zu erleichtern:
Diese Anwendung macht durchaus Sinn: Zwar könnte auch eine Gabelstaplervariante Patienten heben, aber das könnte unbeabsichtige Folgen für die Körper der Patienten haben. Hier ist eine semibiologische Lösung gut aufgehoben. Auch die Industrie hat bereits die Vorteil haptischer Interfaces erkannt: In der Automobil-Industrie werden Windschutzscheiben mit Roboterarmen eingebaut, die vom Arbeiter via "Force-Feedback" gesteuert werden, um feinste Bewegungen zu erlauben.
Der japanische Konstrukteur baute seinen Antrieb elektrisch. Das ist seinen Kollegen von Sarcos nicht möglich: Eine Exoskelett, das militärischen Anforderungen genügen würde, hätte samt Batterien 1,8 Tonnen Gewicht. So verfielen die Forscher von Sarcos auf die Idee, das Armee-Exoskelett mit Sprit zu betreiben, und zwar nicht mit einem großen Motor, sondern zahlreichen kleinen, die an den einzelnen Gliedmaßen sitzen.
Doch Keijiro Yamamoto, der Konstrukteur des Krankenschwester-Exoskeletts, hält eine brennstoffbetriebene Variante für ziemlich gefährlich. Und New Scientist kommentiert trocken:
Halten Sie sich von offenen Flammen, schwachen Brücken und starken Magneten fern. Und wenn ihre Nase juckt, kratzen Sie sie bloß nicht. Sie würden Sie vielleicht nie wieder sehen.
In der Tat wirkt die gesamte militärische Version sehr unrealistisch: Die Brandgefahr ist unglaublich hoch, der ständige Auspuffgestank an den Gliedern würde schnell zu Übelkeit führen. Auch ist unklar, ob es wirklich so wenig anstrengend ist, wenn man motorunterstützt schnell läuft. Immerhin bleibt die Schrittlänge gleich: Während ein Radfahrer kurz die Beine unbewegt lassen und trotzdem weiterfahren kann, würde der Exoskelett-Träger sofort stehenbleiben. Noch schlimmer ist die Vorstellung, was dem Träger widerfahren würde, spielten die Motoren an den Gliedern verrückt und setzten sich von selbst (mit der mehrfachen Kraft eines Menschen!) in Bewegung.
Auf der anderen Seite wäre es ein Zeichen von Phantasielosigkeit, diese Forschungen pauschal als Irrwitz abzutun. Diejenigen, die glaubten, dass Schiffe nicht unter See fahren könnten oder Menschen nie zum Mond kämen, waren zu ihrer Zeit auch in der Mehrzahl.