USA greifen erneut schiitische Milizen in Syrien an
- USA greifen erneut schiitische Milizen in Syrien an
- Syrische Regierung baut auf schiitische Milizen bei der Rückeroberung
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Der russische Außenminister Lawrow reagiert empört. Syriens Süden wird zu einer Konfliktzone mit großem Eskalations-Risiko. Angeblich gab es Geheimgespräche zwischen Russland und den USA in Jordanien
Vom politischen Übergangs-Prozess war in Syrien in jüngster Zeit nicht mehr die Rede. Die Situation wird mehr denn je von Interessen an Einflussgebieten geprägt, die militärisch durchgesetzt werden, zum Teil in Absprache, so etwa bei den beiden großen Mächten, Russland und USA. Bei den vielen Mitspielern und unterschiedlichen Interessen besteht ständig das Risiko, dass bestimmte Aktionen Eskalationen in Gang setzen können.
Syriens Süden und das Wüstengebiet im Südwesten, die syrischen Grenzen zu Israel, Jordanien und dem Irak und das Gebiet um die Stadt Deir-Ezzor markieren grob die Konfliktzonen, bzw. neuralgische Punkte. Durch die nun begonnene nächste Phase des großen Kampfes um Rakka hat sich das "militärische Element" noch weiter intensiviert. Mithinein spielt auch der Kampf um Mosul, wo die schiitischen Milizen (PMU) Gebiete und Dörfer an der Grenze zum Irak aus der Kontrolle des IS erobert haben.
Die Erfolge der Hash-Milizen und der US-Angriff
Die Erfolge der Hashd-Milizen, die Teil der irakischen Armee sind, werden von den USA und ihren Verbündeten mit "gemischten Gefühlen" verfolgt. Im Irak unterstützt die US-Luftwaffe Vorstöße der PMU gegen den IS. In Syrien fliegt sie Angriffe auf schiitische Milizen, die in Verbindung mit den PMU in Irak stehen. Ein solcher Angriff geschah am 18. Mai und nun erneut am 6. Juni, am vergangenen Dienstag.
"Die Koalition hat Streitkräfte, die mit der syrischen Regierung verbündet sind und die innerhalb einer errichteten Nicht-Konflikt-Zone (im Original 'well-established de-confliction zone') vorstieß, zerstört", erklärt das offizielle Statement der Operation Inherent Resolve. Trotz abgegebener Warnungen hätten die pro-regime forces ihren Vorstoß in die abgesprochene de-confliction-zone mit Panzer, Artillerie und Flugabwehrwaffen, mit bewaffneten "technischen" Fahrzeugen und mehr als 60 Kämpfern fortgesetzt.
Von der Koalition sei dies als Bedrohung für sich und ihre Partner an der grenznahen Station at-Tanf in Syrien wahrgenommen worden, weswegen nach mehreren Warnungen die Artillerie und die Flugabwehrwaffen zerstört sowie ein Panzer beschädigt wurde. Von getöteten Menschen ist im Statement der Operation Inherent Resolve nicht die Rede.
Die Newsseite al-Masdar, die der syrischen Regierung nahesteht, berichtet mit Bezug auf das syrische Generalkommando, das den US-Angriff verurteilte, dagegen von mehreren Todesopfern.
Um welche Milizen es sich handelte, wird in dem Bericht nur angedeutet. Getötet worden sei ein gewisser Mohammed Hussieni, der mit einer afghanischen Miliz aufseiten der syrischen Armee gekämpft habe. Laut Long War Journal gehörte Hussieni der Fatemiyoun Brigade an, die eng mit Iran und den Revolutionären Garden verbunden ist.
Wie oft in Berichten über Kämpfe in Syrien gibt es auch hier eine Ungereimtheit: Das Long War Journal verweist nämlich auf eine iranische Nachricht, wonach Hussieni, anders als von al-Masdar hintertragen, bereits am Montag durch eine Mine getötet wurde … Als Information zu behalten ist, dass die Ziele der US-/Koalitions-Luftangriffe schiitische Milizen sind, die sich in der der Grenzzone aufhalten. Das Long War Journal berichtet von "libanesischen Milizen, die von Iran unterstützt werden, von irakischen und syrischen Milizen", die dort mit syrischen Regierungstruppen operieren.
Absprachen zwischen USA und Russland
Die offizielle OIR-Erklärung ist derjenigen ganz ähnlich, die nach dem Angriff am 18. Mai abgegeben wurde. Auffallend ist, dass es diesmal keinen Verweis darauf gibt, dass man Russland vor dem Angriff Bescheid gegeben habe. Das ist allerdings wahrscheinlich, da der Informationsaustausch zwischen den USA und Russland derzeit intensiv sein soll und auf dem Niveau von zwei-Sterne-Generälen stattfinde, wie der US-amerikanische General Jeffrey Harrigian in einem al-Monitor-Bericht zitiert wird.
Dieser Bericht hat es in sich, denn er hat Geheimabsprachen zwischen Russland, den USA und Jordanien zum Gegenstand. Zentrales Thema der Absprachen war angeblich die erwähnte de-confliction-zone. Lawrows entrüstete Reaktion auf den US-Luftangriff ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Von RT wird der russische Außenminister mit einer entschiedenen Verurteilung der amerikanischen Militäraktion auf syrischen Boden, also gegen alle internationale Regeln, gegen Streitkräfte, die mit der syrische Regierung verbündet sind, zitiert.
Lawrow geht dabei auch die von den USA behaupteten "Nicht-Konflikt"- bzw. Schutzzonen ein. Er wisse davon nichts ("I don’t know anything about such zones"). Es müsse sich um ein Territorium handeln, das einseitig erklärt wurde, so Lawrow, der betonte, dass "De-Eskalationszonen" in Syrien das Einverständnis von allen Seiten benötigen, also auch und insbesondere von der syrischen Regierung und von Iran.
Schwierige Lage für Russland
Das zeigt eine schwierige Lage für Russland an. Dass es Ende Mai ein oder sogar mehrere Treffen in Jordaniens Hauptstadt Amman mit hohen Vertretern der US-Regierung, der russischen Regierung und der jordanischen Regierung gegeben hat, ist sicher. Laut dem erwähnten al-Monitor-Bericht, verfasst von einem jordanischen Journalisten, der im Ruf steht, gut unterrichtet zu sein, haben sowohl der US-Außenminister Tillerson wie auch Russlands Präsident Putin eindeutige Hinweise auf laufende Gespräche gegeben.
Auf der Hand liegen die Themen und Interessen aufseiten Jordaniens, der USA und Israels, das dabei auch eine Rolle spielt: Sie wollen keine schiitischen Milizen in der Nähe ihrer Grenzen zu Syrien. Die USA vertreten deren Forderungen, die darauf hinauslaufen, dass es von Quneitra an der syrisch-israelischen Grenze bis al-Tanf eine Zone geben soll, wo sich schiitische Milizen, die von Iran unterstützt werden, nicht aufhalten sollen.
Ob Russlands Vertreter oder ob Putin über Telefon nun tatsächlich der US-Forderung zugestimmt haben, dass um al-Tanf eine 55-Meilen-Schutzzone vereinbart wurde, bleibt allerdings offen. In al-Tanf, der syrischen Seite des Grenzübergangs, der im Irak al-Waleed heißt, ist die "neue syrische Armee" stationiert. Ihr Name: Maghawir a-Thawra.
Das ist eine FSA-Miliz, die in Jordanien unter Federführung der USA ausgebildet und mit Waffen versorgt wurde, sie hält dort einen von nur drei offiziellen Grenzübergängen zwischen dem Irak und Syrien. Er liegt an eine wichtigen Verbindungsstraße nach Damaskus. Es ist eine Abzweigung der Straße, die Bagdad mit Amman verbindet. Für diese wichtige Verbindung sollen die USA laut New York Times bereits geschäftliche Absichten geäußert haben, die Irans Interessen entgegenstehen.