USA rüsten Bulgarien auf
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Balkanland verweigert sich zugleich militärischer Unterstützung der Ukraine. Erhebliche Unterschiede in Haltung zu Russland
Als US-Verteidigungsminister Lloyd J. Austin am vergangenen Freitag auf dem bulgarischen Luftwaffenstützpunkt Besmer gelandet war, fand er sich wieder in einem Land im Aufruhr. Am Abend zuvor war Bulgariens langjähriger Ministerpräsident Boiko Borissov in vierundzwanzigstündigen Arrest genommen worden.
Es wird ihm vorgeworfen, den Glücksspielmagnaten Vasil Boschkov um Millionen erpresst zu haben. Borissovs Parteifreunde von der größten Oppositionspartei "Bürger für eine Europäische Entwicklung Bulgariens" (Gerb) protestierten vor dem Ministerrat.
Sie werfen der seit drei Monaten regierenden linksliberalen Koalition von Ministerpräsident Kiril Petkov nun vor, eine Diktatur zu errichten.
Ein nie dagewesener Zustrom an Flüchtlingen, Hamsterkäufe aufgrund exorbitanter Preissteigerungen nicht nur bei Benzin, sondern auch bei Speiseöl, und nun auch noch der seit dem Sommer 2009 Bulgariens Politik übermächtige Mann über Nacht auf einer Holzbank in einer Zelle der Hauptzentrale der Nationalen Polizei – was die Unterredung zwischen Pentagon-Chef Austin und Premier Petkov in solch einer chaotischen Situation ergeben würde, wurde von der bulgarischen Öffentlichkeit mit Spannung erwartet.
Möglicherweise würde der US-Verteidigungsminister versuchen, den bulgarischen Regierungschef dazu zu bewegen, seine bisherige Position aufzugeben, der Ukraine lediglich humanitäre, nicht aber militärische Unterstützung zu gewähren. Seit Tagen war spekuliert worden, Bulgarien könne der Ukraine russische S 300- und S 200-Luftabwehrraketensysteme aus dem Bestand seiner Armee liefern.
Doch Kiril Petkovs Erklärung auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Lloyd J. Austin am Samstag überraschte: "Ich möchte sogleich sagen, dass wir in keiner Weise über eine militärische Unterstützung der Ukraine gesprochen haben".
Stattdessen habe man humanitäre Hilfe diskutiert und Bulgariens Beteiligung an der gemeinsamen Strategie der Nato zur Verstärkung ihrer Ostflanke. Sein Land werde der Ukraine weiterhin weder leichte noch schwere Waffen liefern. Eine militärische Unterstützung der Ukraine sei aufgrund Bulgariens geographischer Nähe zur Ukraine unmöglich.
Bulgarische Linke gegen Waffenlieferungen an Ukraine
Tatsächlich beträgt die Distanz zwischen beiden Ländern entlang der Schwarzmeerküste gerade mal zweihundertachtzig Kilometer. Waffenlieferungen könnten sowieso nur erfolgen, "wenn sie das bulgarische Parlament passiert" hätten.
Ein entscheidender Grund für Petkovs Ablehnung von Waffenlieferungen dürfte auch sein, dass sie den Bestand seiner aus vier linken und rechten Parteien bestehenden Koalition gefährden würden. Ihr linker Flügel, repräsentiert durch die post-kommunistische Bulgarische Sozialistische Partei (BSP), sieht nicht nur Sanktionen gegen Russland skeptisch, sondern lehnt eine militärische Unterstützung der Ukraine kategorisch ab.
In der seit Monaten diskutierten Frage der Bildung eines zusätzlichen Bataillons zur schnellen Reaktion zeigt das Kabinett Petkov nun aber Bereitschaft, seine bisherige Haltung zu revidieren. Dies hatte sich bereits mit dem erzwungenen Rücktritt Stefan Janevs vom Amt des Verteidigungsministers angedeutet.
Brigadegeneral Janev hatte sich unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in seinem Kommentar einer euphemistischen Diktion bedient, die eine fatale Nähe aufwies zu Vladimir Putins Sprachregelungen.
Zwar verurteilte Janev die "militärische Intervention der Russischen Föderation in der Ukraine" als "absolut inakzeptabel" und "eklatante Verletzung des Völkerrechts", auch warnte er vor "katastrophalen humanitären Folgen" und dem "Verlust vieler Menschenleben".
Gleichzeitig wies er aber darauf hin, Putin vermeide das Wort "Krieg" sorgfältig, so solle man nicht vorschnell entscheiden, "ob es sich um eine begrenzte Militäroperation oder eine Kriegssituation in der Ukraine handelt".
Minister Janev hatte sich zuvor stets gegen die zusätzliche Stationierung ausländischer Nato-Soldaten in Bulgarien verwahrt. Er zeigte sich zu der von der Nato gewollten Bildung eines zusätzlichen Bataillons zur schnellen Reaktion zwar bereit, wollte dieses aber ausschließlich mit bulgarischen Soldaten besetzen und unter bulgarisches Kommando stellen.
Bulgariens bisheriger Repräsentant bei der Nato in Brüssel, Dragomir Sakov, erhebt als Janevs Nachfolger im Amt des Verteidigungsministers solche Ansprüche nicht.