USA scheinen sich in Syrien gefährlich zu verheddern
Offenbar haben US-Kampfflugzeuge nun Stellungen des syrischen Militärs bei Deir-Ez-Zor angegriffen, Russland verlangt eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats
Immer noch warten um die 40 Lastwagen mit Hilfslieferungen an der türkisch-syrischen Grenze, um die 250.000 Eingeschlossenen in Aleppo versorgen zu können. Obgleich Russland und USA einen Waffenstillstand vereinbart hatten, der am Montag in Kraft trat, ist er wieder einmal brüchig geblieben. Rebellen und syrische Truppen werfen sich gegenseitig Verletzungen des Waffenstillstands vor.
Russland wirft den Rebellen vor, über 50 Angriffe auf Stützpunkte der syrischen Truppe und Zivilisten begangen zu haben. Es seien mindestens 12 Zivilisten getötet worden, sagte der russische General Vladimir Savchenko. "Die Situation in Syrien verschlechtert sich." Russland erklärt, dass man mit allen Mitteln versuche, die syrischen Regierungstruppen zurückzuhalten, das Feuer zu erwidern. Das Pentagon wird hingegen scharf kritisiert, die von ihm unterstützten "gemäßigten" Milizen von der Kooperation mit al-Nusra und anderen islamistischen Gruppen abzubringen. Wenn die USA ihre Verpflichtungen nicht wahrnehmen, so der russische General Viktor Poznikhir, werde ein vorzeitiges Ende des Waffenstillstands in die Verantwortung von Washington fallen. Jabhat Fateh al-Sham bzw. Al-Nusra nutzt den Waffenstillstand, um einen Angriff auf Homs auszuführen.
Die USA, offenbar zunehmend nervös und unsicher werdend, weigern sich angeblich, die Einzelheiten des Abkommens mit Russland bekannt zu geben. Vitaly Churkin, der russische UN-Botschafter, wirft den USA deswegen vor, dass ein Treffen des UN-Sicherheitsrats am Freitag abgesagt werden musste und deswegen eine Resolution zur Unterstützung des gemeinsamen Abkommens über Syrien gefährdet sei. Man könne die Mitglieder des Sicherheitsrats nicht zur Unterstützung eines Abkommens bringen, wenn sie dessen Details nicht kennen.
Gestern wurde bekannt, dass amerikanische Soldaten, die mit türkischen Truppen und den von ihnen unterstützten Rebellen offenbar aus der Stadt al-Rai abgerückt sind, nachdem Rebellen gedroht hatten, gegen sie vorzugehen (US-Soldaten wurden in Syrien angeblich von "moderaten Rebellen" bedroht). Ein Kämpfer versuchte die ablehnende Einstellung zu den US-Soldaten, die beim Vormarsch beratend und unterstützend tätig sein sollen, zu erklären. Anonym sagte er: "Die USA können nicht weiterhin jeden unterstützen, der gegen uns kämpft, Russen und Kurden eingeschlossen, und erwarten, dass wir froh sein sollen, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Sie unterstützen die Kurden, die uns überall in Aleppo bekämpfen. Die erlauben dem syrischen Regime, ihre Luftwaffe einzusetzen, um uns täglich abzuschlachten. Jetzt planen sie, militärisch mit Russland zu kooperieren, um die Gruppen zu bekämpfen, die gegen Assad kämpfen, so dass Assad gewinnen kann. Sie sollten verstehen, dass ihre Handlungen auch Folgen haben." Angeblich sollen die Amerikaner nach türkischer Intervention wieder zurück in al-Rai sein.
Am Donnerstag beschuldigten sich Russen und Amerikaner gegenseitig, für einen Luftangriff auf die Stadt Al-Mayadin in der weitgehend vom IS kontrollierten Provinz Deir Ez-Zor verantwortlich zu sein. Die Provinz ist vom Waffenstillstandsabkommen ausgeschlossen. Dabei sollen 23 Menschen, auch Kinder, getötet worden sein. Das Central Command erklärte, man habe davon gehört, aber US-Luftangriffe hätte dort nicht stattgefunden, sondern nur 20 km entfernt. Dafür besteht man darauf, dass der IS-Propagandachef Al-Adnani von den "Koalitionsstreitkräften" und nicht von russischen Kampfflugzeugen getötet worden zu sein.
Aber jetzt wirft die syrische Regierung den USA vor, am Flughafen von Deir Ez-Zor mit vier Kampflugzeugen Stellungen des syrischen Militärs angegriffen und dabei 62 Soldaten getötet und 100 verletzt zu haben. Auch das russische Verteidigungsministerium beschuldigt die USA. Dessen Sprecher, Generalmajor Igor Konashenkov, sagte gestern, dass die US-Flugzeuge am Samstag Einheiten der syrischen Truppen, die von IS-Kämpfern bedrängt wurden, angegriffen haben. Die Flugzeuge seien vom Irak gekommen. Unmittelbar nach dem Angriff habe der IS einen Angriff gestartet. Jetzt würden dort heftige Kämpfe stattfinden, "wo für eine lange Zeit humanitäre Hilfe an die Bewohner mit Fallschirmen geliefert wurden".
Während das syrische Regime die USA beschuldigt, direkt den IS zu unterstützen, erklärte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums: "Wenn dieser Luftangriff durch einen irrtümliche Ziellokalisierung verursacht gewesen sollte, dann ist es eine direkte Folge der dummen Weigerung der USA, den Kampf gegen Terrorgruppen in Syrien mit Russland zu koordinieren." SOHR beziffert die Toten auf 83 und spricht von 120 Verletzten. Der IS habe die bombardierten Stellungen auf der Erhöhung Tharda daraufhin einnehmen können. Der IS selbst hat die Einnahme ebenfalls verkündet. Allerdings heißt es von syrischer und russischer Seite, die syrischen Truppen hätten die Stellung wieder zurückerobern können.
Russland forderte eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats. Man habe Sorge, dass der Luftangriff den Waffenstillstand untergrabe. Angeblich hat das CentCom den Angriff in einer Stellungnahme eingeräumt und ihn als Irrtum bezeichnet. Es sei schwierig in Syrien, die unterschiedlichen Gruppen zu unterscheiden, die eng beieinander sind ("Syria is a complex situation with various military forces and militias in close proximity"). Man sei davon ausgegangen, dass es sich um IS-Stellungen handele, die man längere Zeit beobachtet habe. Man habe die Angriffe sofort eingestellt, nachdem das russische Militär die Amerikaner informiert hatte.