USA und Libyen: Bad News für Ankara
US-Kongress stuft Massaker an Armeniern als Genozid ein; es gibt neue Sanktionsdrohungen. Auch die Zypern-Politik richtet sich gegen Ankara. In Libyen will Haftar Tripolis erobern. Mit seinem Gegenspieler hat die Türkei einen Sicherheitspakt geschlossen
Aus den USA kamen in dieser Woche keine guten Nachrichten für die Türkei. Das US-Waffenembargo gegen den "nicht-türkischen" Teil Zyperns soll aufgehoben werden, die Lieferung von F-35-Jets an die Türkei definitiv blockiert und es sollen Sanktionen wegen des türkischen Erwerbs des russischen S-400-Luftabwehrsystems eingeleitet werden. Zuletzt gab es gestern noch eine Mehrheit im Senat für eine Resolution, die das Massaker an den Armeniern im Jahr 1915 zum Genozid (Völkermord) erklärt.
Nachdem das Repräsentantenhaus Ende Oktober der gleichlautenden Resolution bereits mit einer überwältigenden Mehrheit (411 zu 11 Stimmen) zugestimmt hatte, steht mit dem einstimmigen Beschluss des Senats der ganze US-Kongress hinter dieser Einstufung des Geschehens, dem mehr als 1,5 Millionen Armenier und bis zu 500.000 syrenische Christen zum Opfer fielen.
Politische Kämpfe in den USA
Die Türkei hat als Nachfolgerin des Osmanischen Reiches dazu bekanntlich eine andere Auffassung. Sie erkennt zwar ein Massaker an, das sie bedauert, die Einstufung als Völkermord weist sie allerdings vehement zurück. Der Streit über die Einordnung wird mit großer Hitze ausgetragen, unter Präsident Erdogan hat sich die Debatte noch weiter aufgeladen. Dass die Verabschiedung der Resolution im US-Senat so lange hinausgezögert wurde, zeigt, dass dies auch in den USA mit politischen Kämpfen verbunden ist.
Die Entscheidung des Repräsentantenhauses Ende Oktober wurde in Ankara als "Rache" für die türkische Syrienpolitik, die sich gegen die kurdischen Verbündeten der US-Truppen richtet, aufgefasst. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu kritisierte die Resolution deshalb als "beschämenden Versuch, die Geschichte für Tagespolitik zu missbrauchen". (US-Repräsentantenhaus erklärt Massenmord an Armeniern zum Genozid).
Der Beschluss im Senat brauchte mehrere Anläufe, weil das Weiße Haus aufgrund des ohnehin gespannten Verhältnisses versuchte, diese Erklärung zu verhindern. Von Trump wird überdies behauptet, dass er sich scheut, harte Maßnahmen gegen Erdogan zu ergreifen, mit dem er persönlich ein gutes Verhältnis habe.
Der "Genozid"-Resolution, die nun den Kongress hinter sich hat, wird auch von ihren Unterstützern, dem Armenian National Committee of America zwar ein hoher Symbolwert, aber keine bedeutenden praktischen politischen Konsequenzen zugestanden. Der Kern liege in der "Zurückweisung der türkischen Leugnung des Genozids", in der "Anerkennung und im Gedenken dieses Verbrechens" und drittens in der Unterstützung beim Unterricht von Schülern und Studenten über den Völkermord, um Grausamkeiten in der Gegenwart und Zukunft zu verhindern, wie das Statement der ANCA erklärt.
Die englischsprachigen Ausgaben der türkischen Medien halten sich heute mit aktuellen Reaktionen zurück. Hürriyet Daily News berichtet von Aussagen, die Präsident Erdogan bereits Mitte November zur Sache machte: Die USA sollten sich mit politischen Parteinahmen zurückhalten. Das sei eine Angelegenheit für Historiker, eine einseitige Parteinahme würde zu "irreparablen Schäden im türkisch-US-amerikanischen Verhältnis führen".
Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu Agency veröffentlich heute einen Bericht, der anhand der Worte des US-Botschafters der Türkei bekräftigt, dass sich trotz der Resolution nichts an der Haltung der US-Administration und ihres Präsidenten geändert habe, die das Wort "Genozid" vermeiden. Trump umgeht die politische Mine, indem er den armenischen Begriff "Meds Yeghern" verwendet.
Sanktionen
Doch selbst wenn die Haltung des US-Kongresses aus der Sicht Ankaras als bloßer symbolpolitischer Affront abgetan werden könnte, so wird der Ärger darüber nicht gerade beschwichtigt, wenn es um die zwei anderen Gesetzesvorhaben geht.
Im neuen Paket zum Verteidigungshaushalt sind auch Maßnahmen, die gegen die Interessen der Türkei gerichtet sind: Sanktionen, die mit der türkischen Invasion in Syrien in Verbindung stehen und mit der S-400, die die Türkei von Russland erworben hat, und eben die Aufhebung des 32 Jahre alten US-amerikanischen Waffenembargos gegen den "griechischen" Teil der Insel, der Republik Zypern.
Die Aufhebung des US-Waffenembargos gegen Zypern
Die Aufhebung des Waffen-Embargos sieht der National Defense Authorization Act 2020 vor (siehe US-Sanktionen gegen Nord Stream 2: "Schattenboxen"). Zwar ist er noch nicht von Trump abgesegnet, und die Bedingungen für die Aufhebung des Waffenembargos in Zypern wurden an Anti-Geldwäsche-Regulierungen gekoppelt sowie an ein Verbot, dass russische Kriegsschiffe an zypriotischen Häfen auftanken können, aber die Hauptsache für Ankara ist: Die Maßnahme ist an den Streit über die Erdgasvorkommen im Mittelmeer gekoppelt.
Und dort stehen die USA auf der anderen Seite, nämlich aufseiten der Interessen der Republik Zyperns, Griechenlands und Israels.
Die Türkei hatte Ende November eine Vereinbarung mit der libyschen Einheitsregierung geschlossen, in der sie der großen Öffentlichkeit - und der UN - gegenüber ihre eigenen Ansprüche auf die Erschließung von Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer aufmerksam machte (Türkische Mittelmeerpläne: Libyen als "Trojanisches Pferd").
Dass die EU die Ansprüche aus diesem Abkommen als "ungültig und gegenstandslos" erklärte, zeigt die Hitze dieses Streits an, mit einer eindeutigen Positionierung der USA, die mit Militärhilfe einhergeht, wird das kaum abflauen.
Türkischer Militärbeistand für libysche GNA-Regierung?
Mit welcher Militärhilfe die von der UN anerkannte libysche GNA-Regierung vonseiten der Türkei rechnen kann, wird sich wahrscheinlich schon die nächsten Tage deutlicher zeigen. In den letzten Tagen wurde diskutiert, ob das die Grenzziehungen im Mittelmeer flankierende Sicherheitsabkommen zwischen der Regierung Sarradsch und Erdogans Regierung auch einen militärischen türkischen Beistand bedeute, wenn diese um Hilfe bitte. Es hieß aus Ankara, dass die Türkei auch Truppen nach Libyen entsenden könne.
Gestern kündigte der große Gegenspieler der GNA-Regierung, General Haftar, eine große und entscheidende Offensive auf die Hauptstadt Tripolis an, wo auch die GNA ihren Sitz hat …