Über 20 Euro Miete pro Quadratmeter – wer kann sich das noch leisten?
Steigende Baukosten, hohe Zinsen und Auflagen könnten Kaltmieten massiv ansteigen lassen. Davor warnten Bauwirtschaft und Gewerkschaften. Was nun helfen könnte.
Deutschland steht vor einem Dilemma: Wohnungen sind knapp und die Mieten steigen. Werden aber Wohnungen neu gebaut, sind die Menschen dennoch mit astronomischen Mieten konfrontiert – es sei denn, die Bundesregierung fördert den Wohnungsbau mit Milliardensummen.
"Wer profitabel Mietwohnungen bauen will, müsse 20 Euro oder mehr pro Quadratmeter an Kaltmiete verlangen", sagte Dietmar Walberg, Leiter des Kieler Bauforschungsinstituts Arge, am Donnerstag auf dem Wohnungsbau-Tag in Berlin. Er begründete dies mit gestiegenen Baukosten und hohen Zinsen.
Der Sektor stehe vor einem "Kipppunkt": Der Bedarf an Wohnungen sei "extrem hoch", aber die sinkende Kaufkraft lasse die Baunachfrage sinken. "Diese brisante Mischung hat es in Deutschland tatsächlich nie gegeben, und deswegen stehen wir jetzt vor einem Problem", so Walberg. Ohne massive Subventionen könnte kein bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden.
Die Stimmung auf dem Wohnungsbau-Tag war trüb. Die großen Verbände des Wohnungsbaus erklärten ebenfalls, der Neubau stehe in Deutschland vor einem Kollaps. Laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) sprach man in Berlin nicht einem Dämpfer oder einer Talfahrt, sondern von einem Absturz der Branche.
Die Bundesregierung solle deshalb dem Wohnungsbau massiv unter die Arme greifen – bei dieser Forderung sind sich die Wirtschaftsverbände mit der Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU) einig.
Konkret seien für den sozialen Wohnungsbau bis 2025 mindestens 50 Milliarden Euro an Fördermitteln notwendig. Diese sollten von Bund und Ländern als Sondervermögen zur Verfügung gestellt werden. Nur mit den zusätzlichen Mitteln könne es gelingen, 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr neu zu bauen.
Ziel der Bundesregierung ist es, dass jedes Jahr 400.000 Wohnungen gebaut werden, davon 100.000 Sozialwohnungen. Doch nach Vorstellung von Gewerkschaft und Verbänden soll nicht nur der soziale Wohnungsbau gefördert werden.
Der Staat müsse zudem dem bezahlbaren Wohnungsbau intensiv unter die Arme greifen: Für 60.000 Wohnungen mit einer Kaltmiete zwischen 8,50 Euro und 12,50 Euro seien in dieser Legislaturperiode des Bundes noch einmal mindestens 22 Milliarden Euro notwendig.
Bauministerin Geywitz verfehlt Ziele klar
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) steht diesen Forderungen skeptisch gegenüber. Sie betonte, bei dem geforderten Sondervermögen handle es sich letztlich um Schulden – und die Möglichkeiten des Staates, Schulden aufzunehmen, seien begrenzt.
Geywitz musste aber auch längst einräumen, dass das Neubauziel für dieses Jahr nicht eingehalten wird. Trotz akuten Wohnungsmangels gingen die Baugenehmigungen bereits im vorigen Jahr um 6,9 Prozent zurück und erreichten eine Zahl von 354.400. Nun warnten die Verbände, es sei möglich, dass bis kommendes Jahr nur rund 200.000 neue Wohnungen hinzukämen.
Die Bundesregierung dürfe den Fokus nicht nur auf die Baugenehmigungen legen, sondern auch auf die rund 900.000 Wohnungen, die zwar genehmigt, aber noch nicht fertig gebaut sind, forderten die Verbände. Knapp 40 Prozent des sogenannten Bauüberhangs existiere bislang auch nur auf dem Papier.
Reihenweise werden die Bauvorhaben auf Eis gelegt, weil sie nicht mehr finanzierbar sind. Es kommt jetzt darauf an, sie für den bezahlbaren und für den sozialen Wohnungsbau zu gewinnen. Bevor Tausende von Wohnhäusern gar nicht gebaut werden, sollte der Staat Bauprojekte, die auf der Kippe stehen, retten.
Ein Förderpaket mit Zuschüssen und günstigen Krediten solle dafür ausgelegt werden, forderten Gewerkschaft und Verbände. Wichtig sei aber auch, dass deutliche Abstriche bei den Auflagen gemacht würden. So könnte günstiger gebaut werden.
Laut dem Münchner Ifo-Institut haben die Stornierungen zuletzt zugenommen. Immer mehr Bauunternehmen würden zurückgezogene Aufträge melden. Im März gaben in der monatlichen Umfrage in der Baubranche knapp 16 Prozent der Firmen an, ihre Kunden hätten bereits erteilte Aufträge wieder zurückgenommen. Im Februar lag dieser Anteil demnach bei 14,3 Prozent und im Januar bei 13,6 Prozent.
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