Über den Dächern die Sehnsucht

Seite 3: Metaebenen: Im Weimar-Supermarkt

Schwerer wiegen womöglich aber noch die Artefakte aus unserer Gegenwart, die demonstrativ in den Film eingepflegt sind: Moderne Autos, Ampeln, Gebäude im Hintergrund, eine Regenbogenfahne im Vordergrund, ein NSDAP-Wahlplakat unter einem modernen, das erkennbar dem der AfD nachempfunden ist.

Die Absicht ist ein weiteres Nilpferd im Raum, sie ist allzu plakativ erkennbar: Ja, ja, der Schoß ist fruchtbar noch, die Vergangenheit will nicht vergehen. Aber nichts daran schlägt Funken, ist produktiv – sondern es stört einfach. Und spielt dann doch keine Rolle. Kurz mal sind wir immer wieder im falschen Film.

Der größte Irrtum wäre es daher, diesen Film als Historienfilm oder als korrekte Darstellung einer geschichtlichen Epoche zu betrachten. Vielmehr bedient er sich aus der Weimarer Republik wie aus einem Supermarktregal und baut ein 1920er-Jahre-Berlin, das in etwa so aussieht, wie man sich ein zukünftiges Disneyland vorstellen kann. Wenn es aber nicht das Berlin der 1920er ist und auch nicht das Berlin der Gegenwart oder das West-Berlin der 1980er, was ist es dann? Ein imaginäres, erfundenes, gewolltes Berlin.

Das ist es, was man der Serie am meisten vorwerfen muss: Die Rücksichtslosigkeit gegenüber der Epoche. Alles wird dem reißenden Wasserfall der Erzählung und der politischen Absicht untergeordnet; was nicht passt, wird passend gemacht. Ein Paradebeispiel für einen Tendenzfilm.

Plakative Diversität ist "Eldorado KaDeWe" viel wichtiger als Historizität. Das mag pädagogisch wertvoll sein, ist aber ästhetisch problematisch. Und was ist von einem Film zu halten, dem das Ästhetische und Historische offenkundig viel gleichgültiger sind, als politische Moral?

Zumal die Regisseurin die Nazis sehr deutlich und treffend nicht zuletzt auch als ästhetische Barbaren beschreibt, die gegen "das Exquisite" sind. Der Film zeigt in der sechsten Folge mit aller Härte, und ohne falsche Kompromisse oder Trostpflaster, was 1933 kaputtgegangen ist und zu Ende ging. Hier wird nichts schön gefärbt.

Zu viel gewollt

Ansonsten ist alles in allem ein bisschen zu viel gewollt in dieser Serie und dann wird auch ein bisschen zu wenig gezeigt. Historisches Kino ist dann interessant, wenn es aus einer Epoche Funken schlägt und zwar möglichst unbekannte, unerwartete, überraschende. Einfach nur in eine vergangene Epoche Phantasiewelten hineinzuprojizieren oder Wunschvorstellungen der Gegenwart, wird dagegen schnell ziemlich schal und so wird diese Serie früher als viele andere altern.

Sie wird schon in wenigen Jahren vor allem gesehen werden als ein allzu-typisches Produkt unserer Gegenwart; nicht mehr und nicht weniger. Und zwar einer sehr deutschen Gegenwart. Kaum vorstellbar, dass "Eldorado KaDeWe" zu einem ähnlich internationalen Erfolg werden wird wie "Babylon Berlin".

Spoiler: Ende Gelände

Am Schluss gönnt der Film den Hauptfiguren ein auch nicht sehr historisches Happy End: Hedis böser Nazi-Gatte Rüdiger wird mit Gift umgebracht, und sie lebt mit der Tochter, deren Vater sie ermordete und ihrer Freundin, bis dass der Tod sie scheidet. Es wird behauptet, dass diese fiktiven Figuren überlebt haben und noch zwei weitere Kinder bekommen. Harry geht außer Landes, Georg wird reicher Opportunist.

Wie weit Harry Jandorf und Georg Karg auch historisch "ein Leben lang Freunde blieben", wie der Nachspann behauptet, ist wohl eine eher offene Frage. Es gibt eine harmonisierende Tendenz in vielem. Das Eldorado immerhin, erfahren alle, die es noch nicht wissen, "gab es wirklich. Hermann Göring ließ es schließen. In die Räume zog das NSDAP Büro Berlin".

Hedi gehören die letzten Dialogsätze: "Wahrscheinlich war das Leben schon immer so: gut und schlecht. Deswegen finde ich es gemein, wenn man über seine Zeit schimpft. Es ist die einzige Zeit, in der wir leben und sie gehört uns. Egal, was sie uns entgegenwirft."

"Eldorado KaDeWe", bis zum März in der ARD-Mediathek zu sehen.