Überraschung: Der Wahltag verlief nahezu reibungslos

Demo in Washington. Screenshot C-Span

Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl ist offen, Donald Trump versucht, den Sack zuzumachen

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Die Fragen, die zu Beginn des Wahlabends die Öffentlichkeit bewegen, sind: Wieviele “Swing States” kann Joe Biden kippen? Wird er die Schlacht um die Vororte für sich entscheiden? Einige Stunden später ist die Kernfrage nur noch: Wie lange wird die Hängepartie dauern?

Der Wahltag war geradezu antiklimaktisch: Nach der Rekordbeteiligung während der Frühwahlen in den Wochen zuvor, bilden sich erneut Schlangen vor den Wahllokalen. Doch bis auf kleinere zu erwartende technische Defekte verlief der Tag nahezu reibungslos. Keine Konflikte vor den Wahllokalen. Keine bewaffneten Milizionäre, die versuchten, Wähler einzuschüchtern. Keine böswilligen Cyberaktivitäten, so das Department of Homeland Security.

Gute Nachrichten, schlechte Nachrichten

Die Auszählung der Wahlergebnisse ist bereits seit mehreren Stunden in vollem Gang, als sich endlich die erste Sensation abzeichnet — die jedoch keine ist: Kein einziger der besonders umkämpften "Swing States" im Mittleren Westen der USA scheint zu "flippen". Den Demokraten scheint es nicht gelungen zu sein, einen dieser Bundesstaaten umzudrehen und in ihr Lager zu ziehen.

In Florida, das laut Prognosen zu den besonders umkämpften Staaten zählt, kommt es zunächst zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Präsidentschaftskandidaten. Donald Trump muss hier gewinnen, um sich eine Chance auf den Wahlsieg zu erhalten. Ein anfänglicher Vorsprung für Joe Biden schmilzt schnell dahin, die Ergebnisse, besonders in Miami-Dade County, sind für ihn nicht erfreulich. Anscheinend kann Trump Zugewinne unter Latinos verzeichnen. Er wird Florida mit einem soliden Vorsprung, den wenige in dieser Höhe erwartet haben, für sich entscheiden.

Auch aus anderen Bundesstaaten kommen zunächst gute Nachrichten für Biden: Er liegt in Führung in fünf der umkämpften "Swing States", sogar in Texas, was selbst manche Demokraten überrascht. Doch die anfänglich gemeldeten Stände sind noch nicht verlässlich, da erst eine geringe Zahl an Stimmen ausgezählt ist. Je nachdem ob zunächst Stimmen aus der Früh- und Briefwahl oder vom Wahltag selbst gezählt werden, verschieben sich die Ergebnisse zu einem der Kandidaten. In den Wochen der Frühwahlen gingen mehr Demokraten an die Wahlurnen, am Wahltag mehr Republikaner.

Gut sieht es für Biden zunächst auch in Ohio aus. Diesen Bundesstaat gewann Trump bei der letzten Wahl mit einem Vorsprung von acht Prozent. Doch in den Wochen vor der Wahl sah es so aus als könnte Biden das Ergebnis seiner Vorgängerin Hillary Clinton übertreffen. Ohio ist einer der Bundesstaaten, um die es Trump ging, als er von Trade Deals und China und Jobs sprach. Nach der Auszählung von etwa 90 Prozent der Stimmen ist sicher: Donald Trump gewinnt in Ohio.

Einen "Erdrutsch", soviel ist jetzt schon sicher, wird es nicht geben. Lokale Verschiebungen der Wählerpräferenzen, sowohl in die eine, wie auch in die andere Richtung, sind überschaubar und heben einander weitgehend auf. Die Wahl sieht, wie von vielen befürchtet, nach einer Hängepartie aus.

Eine kleine Sensation und eine große

Eine kleine Sensation ergibt sich dann doch: Joe Biden gewinnt in Arizona. Der Bundesstaat im Südwesten des Landes ist klassisches republikanisches Territorium. Die Demokraten hatten gehofft, aufgrund der Zuwanderung liberaler Wähler und der wachsenden Latino-Bevölkerung hier ihre Chancen verbessern zu können. Um 00.50 Ortszeit (2:50 EST) erklärt die Associated Press Joe Biden zum Gewinner in Arizona. Trump könne seinen Rückstand angesichts der noch auszuzählenden Stimmzettel nicht mehr wettmachen.

Die Wahl ist noch längst nicht entschieden, schon meldet sich Donald Trump auf Twitter zu Wort: "Wir haben einen GROSSEN Vorsprung, aber sie versuchen die Wahl zu STEHLEN." Der Nachrichtendienst versieht die Message mit einem Warnhinweis: "Einige oder alle in diesem Tweet geteilten Inhalte sind umstritten und könnten über eine Wahl oder einen anderen demokratischen Vorgang in die Irre führen."

Der Fokus liegt nun auf den verbliebenen Swing States: Wisconsin, Michigan und Pennsylvania. In Wisconsin sieht es gut für Biden aus, er liegt dort mit einem knappen Vorsprung vorn. In Michigan steht es noch umgekehrt, dort führt Trump. Doch noch sind längst nicht alle Stimmen ausgezählt und die Situation könnte sich ähnlich wie in Michigan entwickeln. In Pennsylvania ist der Ausgang noch völlig offen, dort wird die Auszählung gerade auch der Briefwahlstimmen noch geraume Zeit in Anspruch nehmen (US-Wahl: Showdown im Rust Belt).

Alle drei dieser Bundesstaaten konnte Trump bei der letzten Wahl für sich entscheiden. Sollte dieses Mal Joe Biden das Rennen machen, dann wäre doch noch die ganz große Sensation perfekt.

Damit es nicht so weit kommt, tritt Donald Trump auf den Plan. Er möchte den Sack zumachen, bevor alle Stimmen ausgezählt sind. Am frühen Morgen meldet er sich aus dem Weißen Haus. "Wir haben uns auf eine große Feier vorbereitet", so Trump. "Wir haben alles gewonnen. Und plötzlich wurde es einfach abgesagt." Ohne Belege dafür vorzulegen erklärt Trump, dass ein Wahlbetrug begangen werde. "Dies ist ein Betrug an der amerikanischen Öffentlichkeit." Er habe die Wahl gewonnen ("Ehrlich gesagt, wir haben die Wahl gewonnen", Der Rechtspopulist im Weißen Haus agiert wie ein Brandstifter).

Trump liest von einem Teleprompter ab und zählt die Liste der Bundesstaaten auf, welche die Republikaner gewonnen haben. Und er kommt auf Arizona zu sprechen, den Staat, in welchem er keine Chance mehr hat, weil feststeht, dass Biden ihn gewonnen hat, was laut Trump, der gerade den Wahlsieg im ganzen Land beansprucht, jedoch nicht sicher sei. Sicher ist zu diesem Zeitpunkt lediglich, dass die Präsidentschaftswahl 2020 im “Rust Belt” entschieden wird. Trump sieht dies anders. Er erklärt vorsorglich, die Wahl auch in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania gewonnen zu haben.