Überwachungskapitalismus und Wissenschaftssteuerung
Seite 3: Planwirtschaft mit Datenkapitalismus
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Es drängen sich gleich verschiedene Metaphern auf, um die sich entfaltenden Szenarien zu beschreiben, eine betriebswirtschaftliche, gepaart mit Elementen des Krieges, des Datenkapitalismus und der Planwirtschaft und eine Metapher der Zucht.
Die betriebswirtschaftliche Metapher ist durchsetzt mit dem Jargon der Kalkulation und Effizienz, in Gestalt berechneter Kooperationen mit prognostizierten Drittmittel-Einnahmen und empfohlenen Partnerschaften mit erwirtschafteten Renditen in Form von Impact-Raten sowie Exzellenz-Attributen. Ein Szenario, das neben den Gewinnern selbstredend Verlierer braucht, weswegen das Moment des Wettbewerbs nicht fehlen darf: "Showcasing research is critical as competition increases among institutions to secure funding and attract faculty and students", verlautbarte Elsevier anlässlich der Bepress-Akquise.
Der Nutzen des Dienstes PLUM X wurde (vor dem Kauf durch Elsevier) folgerichtig mit Worten, die weniger an Wissenschaft als Public Good gemahnen, sondern an Wissenschaft als darwinistischem Überlebenskampf, geschildert: "Arm your researchers to compete for funding", hieß es 2016 auf der PLUM Website. Auch 2018 wohnt der Verkaufsargumentation eine militärische Konnotation inne, denn Festlegungen müssen strategisch sein: SciVal "… will revolutionize the way in which you develop your research strategy". Werden die strategischen Vorgaben umgesetzt, wandeln die Wissenschaftler sich von freien Akteuren zu Erfüllungsgehilfen eines von Research Intelligence Providern geschmiedeten Plans. Diese sich abzeichnende wissenschaftliche Planwirtschaft wird allerdings paradoxer Weise durch einen radikalen Marktwettbewerb zwischen Hochschulen legitimiert. Man mag hier auf einen Vergleich mit China verfallen, das nach außen in Konkurrenz zu anderen Staaten stark wettbewerbsorientiert agiert, sich intern aber nach wie vor planwirtschaftlerisch gibt.
Diese Melange wird abgerundet durch eine Sahnehaube Datenkapitalismus der besonderen Art. Die kostenpflichtigen Planungswerkzeuge formulieren ihre Vorgaben anhand von Informationen, die die Wissenschaftler selbst produzierten und zwar in Diensten, die sie selbst kostenlos nutzen können wie Mendeley, SSRN oder Bepress und auch solchen, die die Hochschulen Geld kosten, wie wissenschaftliche Zeitschriften oder Forschungsinformationssysteme.
Andere Ausführungen auf der früheren PLUM Website, "Determine who should apply for grants" und "Find collaboration partners", verwiesen auf die zweite Metapher, die biologische der Auswahl und Zucht. Diese findet sich, wie erwähnt, auch in den werbenden Beschreibungen zu SciVal, wenn es heißt: " Identify and analyze existing and potential collaboration opportunities based on publication output and citation impact" bzw. "Test scenarios by modeling (…) groups of researchers to apply for a large-scale grant program". Wobei diese dirigistische Komponente der betriebswirtschaftlichen implizit zuwiderläuft.
Bestimmte Entscheidungen, z.B. welcher Forscher sich in Kooperation mit andern Forschern um Drittmittel einer Förderorganisation bemüht, sollen nicht mehr so ohne Weiteres alleine dem Forscher selbst überlassen sein, sondern mit Hilfe der Daten eines Research Intelligence Anbieters getroffen werden. Ähnlich sollen Kooperationen nicht mehr basierend auf Einschätzungen und Expertisen der Wissenschaftler zustande kommen, sondern gezielt nach Effektivitäts - und Rentabilitätskriterien ausgerichtet werden. Eine Vorstellung, die (bislang?) eher an Zuchtprogramme ("Determine who should apply for grants" / "modeling (…) groups (…) to apply for a large-scale grant program") oder Zwangsehen ("Find collaboration partners" / "Identify (…) potential collaboration opportunities"), denn an freie Wissenschaft denken lässt.
Wer diese Assoziationen weitertreibt, gelangt unweigerlich und sehr schnell zu sehr skurrilen bis unschönen Vorstellungen von Designer-Babys, Inzucht, Degeneration und Sterilität bis hin zu nicht von Wissenschaftspartnervermittlungen bewilligten wilden Ehen zwischen Forscherteams, die, man mag es kaum schreiben, Projektbastarde hervorbringen. Die Partnervermittlung ElitePartner trägt bereits einen passenden Namen und könnte womöglich Dienstleistungen der Beziehungs-/Kooperationsanbahnung für Hochschulen anbieten.
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So deftig, so düster: Denn eine Wissenschaft, deren Protokollierung und Steuerung sich immer weiter vorantreiben und deren Entwicklung durch herbeikalkulierte Kooperationen und Selektionen immer geplanter wird, perfektioniert sich am Ende womöglich zu Tode. Schließlich lehrt uns die Evolution, dass jeder Verbesserung und jedem Selektionsvorteil eine Abweichung vom genetischen Plan, eine Mutation, ein Regelbruch, kurzum: ein Fehler vorhergehen muss. Allesamt Phänomene, die eine ausgefeilte Research Intelligence zu eliminieren verspricht.