Ukraine: Angst vor der Überflüssigkeit

Die Turkish-Stream-Trasse durch das Schwarze Meer. Karte: Consiglieri88. Bearbeitung: TP. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Außer durch Nord Stream 2 droht dem Land auch Konkurrenz durch die Pipeline Turkish Stream

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Die Ukraine und die deutschen Presseverlage haben einiges gemeinsam: Beide bangen um Einnahmen, die durch technische Neuerungen wegfallen könnten. Und beide hoffen auf die EU, die das verhindern soll. Die Presseverlage drängten deshalb auf das diese Woche vom EU-Parlamentsplenum verabschiedete neue Urheberrecht, das Profite in ihre Taschen umleiten soll (vgl. Überforderte Abgeordnete oder zu kompliziertes System?). Die faktische Uploadfilterpflicht, die es enthält, verstößt gegen den Koalitionsvertrag der deutschen Bundesregierung.

Dass deren Minister trotzdem zustimmten, hängt Spekulation nach damit zusammen, dass ihr der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, der diese Filterpflicht möglichst sofort einführen will, als Gegenleistung die Gaspipeline Nord Stream 2 genehmigte (vgl. Upload-Filter: Bundesregierung stellt sich hinter die EU-Urheberrechtsreform und Ausdehnung der EU-Gasrichtlinie mit Ausnahmen).

Zwei-Fronten-Wettbewerb

Nord Stream 2 ist eine der technischen Neuerungen, wegen denen die Ukraine fürchtet, Einnahmen aus dem Gas-Transit zu verlieren. Je mehr Erdgas durch sie fließt, um so weniger muss potenziell durch die noch in den 1970er Jahren errichtete Druschba-Leitung gepumpt werden. Um der Ukraine entgegenzukommen, hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin deshalb die Aussage abgerungen, Erdgas für die EU-Länder auch nach der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 weiterhin durch die Druschba-Pipeline zu leiten, wenn dies wirtschaftlich vertretbar ist.

Allerdings ist Nord Stream 2 nicht das einzige Problem der Ukraine (vgl. Ukraine wird zum unsicheren Gas-Transit-Land). Denn außer an dieser Pipeline wird auch an einer weiteren gebaut, die vom russischen Hafen Anapa aus durch das Schwarze Meer führt und in Kıyıköy im europäischen Teil der Türkei anlandet. Von dort aus können nach ihrer Fertigstellung jedes Jahr 15,75 Milliarden Kubikmeter Gas nach Bulgarien, Serbien, Ungarn und in andere europäische Länder fließen. Ursprünglich war geplant, diese Pipeline direkt in Bulgarien anlanden zu lassen, was die EU jedoch verhinderte (vgl. Ende von South Stream).

Belgrad genehmigte trotz Drucks aus Brüssel

Bislang bezieht Bulgarien sein Erdgas aus der Trans-Balkan-Pipeline, die ebenso wie die Druschba-Trasse durch die Ukraine läuft. Diese Pipeline könnte stillgelegt werden, wenn die von der hundertprozentigen Gazprom-Tochter South Stream Transport B.V. gebaute Turkish-Stream-Trasse in Betrieb genommen wird. Spekulationen, dass das geplant sein könnte, verlieh der russische Energiekonzern Gasprom unter anderem durch die Meldung Nahrung, man plane, die Abnehmer in Bulgarien ab Ende 2019 über die neue Leitung zu versorgen. Die bulgarische Energieministerin Temenuschka Petkowa geht deshalb davon aus, dass die 110 Millionen Dollar Transitgebühren jährlich für die Trans-Balkan-Pipeline nur noch dieses Jahr fließen.

Serbien wurde zwar von Brüssel gedrängt, den Turkish-Stream-Weiterbau nicht zu erlauben, hat aber trotzdem am 5. März eine Genehmigung erteilt. Mit dem Bau der Trasse dort will der bulgarische Pipeline-Betreiber Bulgartransgas noch im April beginnen. Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó rechnet deshalb damit, dass sein Land ab der zweiten Jahreshälfte 2021 mit russischem Erdgas aus der neuen Pipeline beliefert wird und hat bereits eine entsprechende Vereinbarung mit Gazprom geschlossen. "Je mehr Gasleitungen", so der Fidesz-Politiker dazu, "desto besser". Zu einer ähnlichen Ansicht gelangte man in der italienischen Regierung, die ihr Land ebenfalls an die Turkish-Stream-Pipeline anschließen will.

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