Ukraine: Der Mord an einem russischen Journalisten, der keiner war
In einer grotesken, bis hinauf zum Präsidenten gefeierten Inszenierung wurde angeblich ein von russischen Geheimdiensten geplanter Terroranschlag verhindert
Die ukrainische Regierung und der Geheimdienst SBU haben mit der vorgetäuschten Ermordung des kremlkritischen russischen Journalisten Arkady Babchenko das Vertrauen verspielt. Am Dienstag war seine Ermordung berichtet worden. Er sei von seiner Frau blutüberströmt in seiner Wohnung gefunden wurden und auf dem Weg ins Krankenhaus im Krankenwagen verstorben. Angeblich sei er, als er vom Brotholen in die Wohnung zurückkehrte, mehrere Male in den Rücken geschossen worden.
Auch Kiews Polizeichef Andriy Kryschenko war mit von der Partie und führte den angeblichen Mord auf Babchenkos "berufliche Tätigkeit" zurück, was natürlich in Richtung Moskau zeigen sollte. Auch ein Bild des vermeintlichen Mörders wurde veröffentlicht. Hinters Licht geführt wurden nicht nur die Frau von Babchenko und die Bürger der Ukraine, sondern auch die Regierungen befreundeter Länder. Besonders beeilte sich der britische Außenminister Johnsohn, selbst maßgeblich an der Inszenierung im Fall Skripal beteiligt, zu kondolieren, nachdem "wieder einmal ein russischer Journalist ermordet wurde". Auch Bundespräsiden Steinmeier zeigte sich "erschüttert".
Präsident Petro Poroschenko war offenbar eingeweiht und war sich sicher, dass die Operation gelungen war. Jedenfalls schrieb er: "Ich gratuliere dem SBU. Sie haben eine brillante Operation ausgeführt, um das Leben des russischen Journalisten Arkady Babchenko zu schützen. … Moskau wird kaum nachgeben. Ich habe angeordnet, dass Arkady und seine Familie unter einen 24-Stunden-Schutz gestellt werden."
Ganz vorne auch wieder Generalstaatsanwalt Yuriy Lutsenko, der Russland für den Krieg und die Organisation von Terroranschlägen in der Ukraine verantwortlich machte: "Wir haben wiederholt russische Spione und Terroristen bei der direkten und indirekten Organisation von Terrorangriffen und Morden in der Ukraine aufgedeckt. Heute können wir sagen, dass wenn früher als Wege nach Rom geführt haben, heute alle Wege des Kriegs und der Terrorangriffe nach Moskau führen. Im Übrigen meinte er gestern, er sei von der Reaktion der meisten ukrainischen Politiker auf die Ermordung enttäuscht.
Gestern stand Babchenko dann wieder auf den Toten und erklärte, die Mordinszenierung sei Teil einer Spezialoperation des Geheimdienstes SBU, um seinen wirklichen Mörder zu finden. Angeblich habe es nämlich ein Mordkomplott gegen ihn gegeben. Man muss nicht lange raten, wer dahinter steckt: die russischen Geheimdienste. Die hätten nach Angaben des SBU, auf den im Übrigen auch viele der Beweise in der MH17-Untersuchung zurückgehen, einen Ukrainer gefunden, der für 40.000 US-Dollar die Ermordung organisieren sollte. Dieser habe wiederum einen ukrainischen Veteranen, der im Donbass gekämpft hatte, gefunden, der das für 30.000 US-Dollar machen wollte.
Der SBU entdeckte angeblich die Planungen, kehrte den Auftragsmörder, der bereits die Hälfte des Geldes erhalten hatte, zum Doppelagenten um und inszenierte den Mord, um des Organisators habhaft zu werden. Der Killer soll über den Organisator ein Dossier über den russischen Journalisten mit genauen Angaben über sein Leben, seine Familie, seine Aktivitäten, Telefonnummer, Bankkonten etc. erhalten haben. Überdies sollte der Organisator mit dem Geld der russischen Geheimdienste auf dem Schwarzmarkt Waffen und Munition für Waffenlager in Kiew kaufen. Zwei Seiten mit Angaben über Babchenko und Waffen werden in Fotos gezeigt.
Wie berichtet wird, habe der SBU diesen Ukrainer namens "G" auf offener Straße dann auch festgenommen, der im Auftrag der russischen Geheidienste insgesamt 30 Russen in der Ukraine töten sollte, mit Babchenko sollte nur der Anfang gemacht werden. SBU-Chef Vasyl Hrytsak erklärte, man kenne die Namen der Menschen, die ermordet werden sollten. Babchenko soll, wie es weiter heißt, schon einen Monat vor seiner inszenierten Ermordung in die Spezialoperation eingebunden worden sein, die seit 2 Monaten lief.
Unklar ist, warum Babchenko die Schmierenkomödie mitspielte und was wirklich hinter der Geschichte steckt, die von Kiew von oberster Ebene aus kurz vor der Fußballweltmeisterschaft und nach den ebenso bereits zweifelhaften Skripal-Fall und dem mutmaßlichen Giftgasangriff in Douma ausgeheckt wurde.
Präsident Poroschenko, der sich demonstrativ mit Babchenko, dem SBU-Chef und dem Generalstaatsanwalt traf, bezeichnete die "Rettung" des Journalisten als den "Geburtstag der großen 45-Millionen-Nation, die die Prüfung der Staatlichkeit geschafft" habe: "Wir haben endlich gelernt, uns zu verteidigen, das Land zu verteidigen, seine Bürger zu verteidigen und dies mit den professionellen Anstrengungen des neuen Geheimdienstes, der fähig ist, die Prüfungen jeder Komplexität zu bestehen."
Poroschenko griff, wie er es gerne macht, zu einer martialischen Sprache, die das Ganze noch mehr zur Posse macht: "Ich war heute stolz, dass ich der Präsident einer solchen Nation bin. Nicht nur die Redaktionen sorgten sich um Euch, nicht nur Medien und das Fernsehen - Ich sah, wie Menschen heute weinten und glücklich waren, als sie die Nachrichten während der Pressekonferenz hörten." Die Prüfung hätten nicht nur einzelne, sondern die "gesamte Nation" bestanden. Der Angriff auf den Journalisten sei vom "Gebiet der Russischen Förderation" durch eine Person organisiert worden, die ein "riesiges Waffenarsenal besitzt, Waffenverstecke schaffen und Terrorangriffe organisieren kann".