Ukraine: Dieser Krieg wird lange dauern

Soldat der ukrainischen Grenztruppen mit einer Panzerabwehrkanone in Charkiw. Bild: Міністерство внутрішніх справ України, CC BY 4.0

Ukrainische und westliche Nachrichtendienste gehen von einer Fortführung der Kampfhandlungen bis Oktober aus. Das dürfte untertrieben sein

Die Hoffnungen auf ein schnelles Ende des Krieges in der Ukraine schwinden. Am Wochenende haben westliche Nachrichtenagenturen gemeldet, dass sich die russische Armee auf Kampfhandlungen bis zum Herbst einstellt. Die Information stamme von US-Militärexperten, die sich wiederum auf Angaben des ukrainischen Militärgeheimdienstes berufen. Allerdings könnte auch alles anders kommen, schränkte die Nachrichtenagentur dpa ein: "Etwaige Änderungen der Pläne hängen den Informationen nach vom Erfolg im Donbass ab."

Auch wenn die konkreten Informationen nicht überprüfbar sind und man ihnen – wie gemeinhin bei nachrichtendienstlichen Quellen – Glauben schenken kann oder nicht: Der russische Krieg in der Ukraine wird nach vielseitiger Einschätzung so schnell nicht vorbei sein. Einen "Zermürbungskrieg" prognostiziert die Frankfurter Allgemeine Zeitung, während die Frankfurter Rundschau einen zweiten russischen Angriff auf die ukrainische Kapitale Kiew drohen sieht.

Wenig optimistisch ist auch die Sicht von anderen Kontinenten: Auf Telepolis schrieb der ehemalige indische Diplomat M. K. Bhadrakumar, der Krieg in der Ukraine könne sich "laut einigen Prognosen bis weit in das kommende Jahre hinziehen". Ländern des Globalen Südens beunruhigt diese Perspektive vor allem, weil ein erheblicher Teil des Getreides auf den Weltmärkten aus der Ukraine und Russlands stammt.

In Deutschland hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der Industrie und den Menschen in Ostdeutschland indes Unterstützung zugesagt, damit sie die negativen wirtschaftlichen Folgen der Krise bewältigen können. Viele Betriebe in den östlichen Bundesländern verfügen über historisch enge Kontakte mit russischen Partnern. Sie leiden seit Jahren unter der westlichen Sanktionspolitik.

Sanktionen: "Das kann Putin nicht über Nacht ersetzen"

Am gestrigen Sonntagabend sprach Scholz vor diesem Hintergrund auf dem Ostdeutschen Wirtschaftsforum in Bad Saarow:

Wir haben von Beginn an gesagt: Wir tun nichts, was uns mehr schadet als Putin. Und dabei haben wir immer auch Ostdeutschland im Blick, das aufgrund seiner Geschichte und Geographie natürlich andere Voraussetzungen hat in Sachen Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie. Gerade das Ölembargo, das wir vorletzte Woche beim EU-Gipfel beschlossen haben, ist ein drastischer Schritt; er wird Russland hart treffen. Das kann Putin nicht über Nacht und vor allem nicht ohne erhebliche Einbußen ersetzen.

Natürlich hat das Embargo auch Folgen bei uns in Deutschland. Ich denke an Leuna und hier in Brandenburg an die Raffinerie in Schwedt, die bisher an der Druschba-Pipeline hängt. Für Leuna zeichnet sich bereits eine alternative Belieferung über den Hafen Danzig ab. Für Schwedt ist die Sache komplizierter, aber auch das arbeitet eine Arbeitsgruppe des Bundeswirtschaftsministeriums zusammen mit anderen Ministerien und dem Land ganz konkret – mit einer Lösung – ab. Und ich bin zuversichtlich, dass wir auch hier schnell vorankommen und eine gute Lösung finden werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz

Zu Wochenbeginn spielt vor allem eine mögliche Reise des deutschen Kanzlers nach Kiew in den eine Rolle. Bislang hatte der Sozialdemokrat einen Besuch der ukrainischen Hauptstadt abgelehnt, weil Präsident Wolodymyr Selenskyj Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, dessen SPD-Parteimitgliedschaft nur qua Amtes ruht, ausgeladen hatte. Inzwischen wurde der Streit beigelegt.

"Wie viele andere Staats- und Regierungschefs" könne Scholz demnächst seine Solidarität mit der angegriffenen Ukraine bei einem Besuch demonstrieren, schrieb nun unter anderem die Nachrichtenagentur dpa: Nach einem unbestätigten Bericht der Bild am Sonntag sei noch vor dem G7-Gipfel Ende Juni eine Reise von Scholz mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Regierungschef Mario Draghi nach Kiew geplant. Dabei dürfte es auch um das EU-Beitrittsgesuch der Ukraine gehen.

Die EU-Kommission befürwortet das Vorhaben, allerdings bräuchte die Ukraine für einen künftigen Beitritt zur EU die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten, was derzeit ausgeschlossen ist.