Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz: Russland für Krieg verantwortlich
Abschlusserklärung mit Forderungen an Moskau. Teilnehmer kritisieren Abwesenheit Russlands als Hindernis für Fortschritte. Hoffnungen auf Folgekonferenz.
Von der internationalen Friedenskonferenz für die Ukraine im Schweizer Nobelhotel Bürgenstock, an der Vertreter aus über 90 Ländern teilnehmen, wurde heute der Entwurf für eine Abschlusserklärung bekannt. Demnach wird Russland für den Krieg in der Ukraine verantwortlich gemacht.
Im Text des Entwurfs, der am Sonntagvormittag über Reuters verbreitet wurde, wird die russische Regierung zur "Achtung der territorialen Integrität der Ukraine" aufgerufen.
Der Entwurf zur Abschlusserklärung fordert nach Informationen der Nachrichtenagentur, der das Papier vorliegt, die Rückgabe der Kontrolle über das Atomkraftwerk Saporischschja und den Zugang zu den ukrainischen Häfen am Schwarzen und Asowschen Meer an Kiew. Alle ukrainischen Kriegsgefangenen sollen freigelassen und aus der Ukraine deportierte Kinder in ihre Heimat zurückgebracht werden.
Betont werde darüber hinaus, dass eine Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen gegen die Ukraine im Zusammenhang mit dem laufenden Krieg "unzulässig" sei.
Der Rückzug der russischen Armee aus Gebieten in der Ost-Ukraine, die Russland als Staatsgebiet reklamiert, wird demnach in der Erklärung nicht gefordert.
Unsicherheit, ob alle unterschreiben
Auch ohne diese Forderung, die von Konferenzteilnehmern mit wichtigen Beziehungen zu Russland niemals unterschrieben worden wäre, ist nicht sicher, ob alle Teilnehmer das Dokument unterzeichnen.
So erwartet etwa der österreichische Kanzler Karl Nehammer "nicht, dass alle Staaten die Abschlusserklärung der Friedenskonferenz unterschreiben werden", wie die Frankfurter Rundschau mit Bezug auf die dpa heute Mittag meldet.
Als Grund nennt Nehammer "jedoch lediglich Feinheiten und einzelne Wörter", weshalb er sich wenig besorgt um eine gemeinsame Grundhaltung zeige.
Frieden ohne Russland unerreichbar
Bundeskanzler Olaf Scholz betonte auf der Konferenz die Notwendigkeit von Gesprächen mit Russland.
Es ist wahr, dass der Frieden in der Ukraine nicht erreicht werden kann, ohne Russland mit einzubeziehen.
Olaf Scholz
Daher hofft der Kanzler darauf, dass bei zukünftigen Konferenzen auch eine Beteiligung Moskaus ermöglicht werde. Ähnliche Ansichten äußerten auch andere Redner und Teilnehmer der Konferenz. Eine genaue Zeitplanung oder ein Zeitpunkt für eine mögliche Folgekonferenz mit Russland ist jedoch noch ungewiss.
Russlands Abwesenheit bemängelt
Saudi-Arabiens Außenminister Prinz Faisal bin Farhan Al-Saud und andere Teilnehmer kritisierten die Abwesenheit Russlands als Hindernis für Fortschritte. Saudi-Arabien und die Türkei könnten mögliche Gastgeber für eine zukünftige Konferenz sein, an der Russland teilnehmen könnte.
Putins Bedingungen
Die russische Nachrichtenagentur Tass berichtete in der vergangenen Woche von Bedingungen, die der russische Präsident Wladimir Putin für die Beilegung des Kriegs in der Ukraine genannt hat: Das sind vor allem der Rückzug der ukrainischen Armee aus dem Donbass und "Noworossija" (Neurussland) sowie die Weigerung Kiews, der Nato beizutreten.
Putin betonte, dass eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts ohne Gespräche mit Russland unmöglich sei. Er kritisierte die Schweizer Konferenz als "Weg ins Nichts" und warf den Organisatoren vor, die Aufmerksamkeit von den wahren Ursachen der ukrainischen Krise abzulenken und die Diskussion in eine falsche Richtung zu lenken.
Die internationale Gemeinschaft hofft, dass eine Folgekonferenz, die auch Russland einbezieht, noch in diesem Jahr beschlossen wird. Das Ziel ist es, das Terrain für direkte Gespräche zwischen den Kriegsparteien vorzubereiten. Aber eine konkrete Zeitplanung oder ein genauer Zeitpunkt für eine solche Konferenz ist noch unklar.
"Weniger Strahlkraft ohne China"
Die Politikwissenschaftlerin Nora Meier wies im Telepolis-Podcast mit Dietmar Ringel zur Konferenz darauf hin, dass eine Teilnahme von China die Konferenz mit einer anderen Strahlkraft aufgewertet hätte.
Die Nichtteilnahme Chinas sei aber nicht das Ende des Prozesses. Immerhin sei es gelungen, dass neben den G7 und den EU-Institutionen auch Staaten aus dem sogenannten Globalen Süden teilnehmen. Unter anderem auch Indien. Die Nichtteilnahme von Präsident Biden sei zwar bedauerlich, aber nicht überzubewerten.
Letztlich muss Russland am Tisch sein, meint auch die Politikwissenschaftlerin und Mitinhaberin des Forschungs- und Beratungsunternehmens Ambühl Meier AG, das sich auf Verhandlungsfragen und Konfliktmanagement spezialisiert hat.
Und ich glaube, das Wichtigste, das diese Konferenz unterscheiden könnte, ist das Momentum, das dadurch generiert werden könnte. Es geht vor allem darum, wie man dann den Nachgang gestaltet, der auf die Bürgenstock-Konferenz folgen könnte, und dieses Momentum dann zu nutzen, um den Prozess weiterzuführen.
Nora Meier, Telepolis-Podcast