Ukraine-Krieg: Droht Russland eine neue Krise in Moldawiens abtrünnigem Staat?

Der russische Verteidigungsminister Sergei Shoigu inspiziert die Garnison mit russischen Soldaten in Transnistrien, 2019. Bild: Mil.ru / CC BY 4.0

Der Krieg in der Ukraine setzt die russischen "Friedenstruppen" in Transnistrien unter Druck. Wird das ignoriert, könnte es einen weiteren ethnischen Konflikt auslösen. Warum Georgien folgen könnte.

Der nächste Konflikt in der ehemaligen Sowjetunion könnte sich in Transnistrien, der nicht anerkannten abtrünnigen Region der Republik Moldau, zusammenbrauen.

Die kleine Truppe (etwa 1.500 Mann) russischer "Friedenstruppen" und anderer russischer Einheiten, die die Region seit den 1990er-Jahren schützen, befinden sich jetzt in einer strategisch ausweglosen Lage, da sie durch eine feindliche Ukraine von Russland abgeschnitten und der ukrainischen Armee zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen sind.

Anatol Lieven ist Senior Research Fellow für Russland und Europa am Quincy Institute for Responsible Statecraft.

Seit dem Sommer 2022 blockiert die Republik Moldau die rotierende Erneuerung russischer Friedenstruppen in Transnistrien. Der moldauische Premierminister Dorin Recean hat die Ausweisung der russischen Soldaten gefordert.

Ein Vorgehen der ukrainischen oder moldauischen Streitkräfte gegen die russische Garnison könnte eine größere Eskalation Russlands an anderer Stelle auslösen. Zugleich würde eine Wirtschaftsblockade der Region ausreichen, um die stationierten Truppen schnell in die Knie zu zwingen.

Bombenanschläge in der Hauptstadt Tiraspol, dazu die Behauptung von russischer Seite, die Ukraine plane militärische Aktionen gegen Transnistrien sowie Äußerungen von der ukrainischen und moldauischen Regierung über ein russisches Komplott, bei dem prorussische Kräfte in der Republik Moldau einen Staatscoup initiieren sollen, unterstreichen die aktuelle Gefährdung, die von der Transnistrien-Frage ausgeht.

Wie bei so vielen post-imperialen Streitigkeiten ist der Hintergrund der Transnistrien-Frage außerordentlich kompliziert. Geografisch gesehen ist das heutige Transnistrien Teil der Sozialistischen Sowjetrepublik Moldau, der östlich des Flusses Dnister liegt.

Es handelt sich um einen schmalen Streifen von ungefähr 2.500 Quadratkilometer Land, etwa 300 Kilometer lang, aber an seiner breitesten Stelle kaum 40 bis 50 Kilometer breit. Von den 475.000 Einwohnern sind etwa 29 Prozent Russen, 28 Prozent romanischsprachige Moldauer und 23 Prozent Ukrainer, der Rest sind Bulgaren und andere, die sich während des russischen Reichs dort niedergelassen haben.

Ukraine mit westlich davon Moldawien, dazwischen, gelb markiert, Transnistrien. Bild: Store norske leksikon / CC BY NC SA 3.0

In der frühen Neuzeit war die Region größtenteils von türkischen Nomaden bevölkert, die dem osmanischen Sultan treu ergeben waren. Im Jahr 1812 eroberte das Russische Reich das rumänischsprachige Gebiet der heutigen Republik Moldau von den Osmanen und machte daraus die Provinz Bessarabien.

Das heutige Transnistrien wurde jedoch zwischen den benachbarten, hauptsächlich ukrainischsprachigen Provinzen Cherson und Podolien aufgeteilt. Als das Russische Reich im Ersten Weltkrieg zusammenbrach, wurde Bessarabien von Rumänien erobert. Das heutige Transnistrien fiel unter sowjetische Herrschaft und wurde Teil einer "moldawischen autonomen Region" innerhalb der Ukraine.

Infolge des Molotow-Ribbentrop-Pakts gewann Stalin 1940 die Republik Moldau zurück und schloss den größten Teil der autonomen moldauischen Region an Russland an, um die Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik mit einer großen rumänischsprachigen moldauischen Mehrheit zu schaffen.

Transnistrien blieb jedoch ethnisch eigenständig und unterschied sich auch sozioökonomisch von der übrigen Republik Moldau. Es war stärker industrialisiert, was wiederum Arbeitsmigranten aus Russland und der Ukraine anzog. Wie anderswo in den industrialisierten Regionen der Sowjetunion sprach die Mehrheit der Bevölkerung Russisch.

Als die Sowjetunion 1990/91 zusammenbrach, wuchs in Transnistrien die Forderung nach Abtrennung von der Republik Moldau und nach einer Rückkehr zu dem separaten Status, der vor 1940 bestanden hatte. Wie auch die russischsprachige Bevölkerung der Krim wies man darauf hin, dass nie gefragt worden sei, zu welcher Sowjetrepublik man gehören wolle.

Nach meinen eigenen Reisen in die Region als britischer Journalist in den 1990er-Jahren und diversen Umfragen zu urteilen, fürchteten viele Einwohner nicht nur die ethnische Diskriminierung durch die Moldauer, sondern auch, dass Moldawien für den Anschluss an Rumänien stimmen könnte, wodurch die russischsprachige Bevölkerung Transnistriens zu einer winzigen und machtlosen Minderheit würde. Diese Befürchtungen wurden vom russischen Geheimdienst KGB eifrig ausgenutzt, um die Unabhängigkeit Moldawiens zu verhindern.

Daraus erwuchs ein kurzer Konflikt in der ersten Hälfte des Jahres 1992 zwischen Moldawien und den transnistrischen Separatisten (die von Teilen der ehemaligen sowjetischen Armee unterstützt wurden), der etwa 700 Tote forderte und durch das Eingreifen russischer Friedenstruppen beendet wurde.

Seitdem herrscht ein Waffenstillstand, mit sehr wenigen gewaltsamen Auseinandersetzungen. Es gibt zudem einen regen Handel zwischen Moldawien und Transnistrien sowie durch die beiden Länder in andere Regionen.

Transnistrien wird von keinem anderen Staat (auch nicht von Russland) offiziell anerkannt, wird aber ökonomisch am Leben gehalten durch eine Mischung aus halblegalem Handel und russischen Subventionen (einschließlich kostenlosem Gas, das paradoxerweise weiterhin durch die Ukraine fließt). Russland hat die Transnistrien-Frage als Mittel genutzt, um die moldauischen Bemühungen um eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union und der Nato zu blockieren.