Ukraine-Krieg: Spaltkeil zwischen Nordkorea und China?

Die Flaggen Nordkoreas, Russlands und der Ukraine auf einer Karte

(Bild: Rokas Tenys/Shutterstock.com)

Mit der Stationierung nordkoreanischer Soldaten stellt sich die Kim-Dynastie an die Seite Putins. Was ein Game-Changer sein könnte, belastet die Beziehungen zu China. Eine Analyse.

Mit der Entsendung von zunächst dreitausend, aktuell zwischen zehntausend und fünfzehntausend Waffenträgern der nordkoreanischen Volksarmee nach Russland wird deutlich, was die russische Seite in ihrem Narrativ immer wieder in den Vordergrund gestellt hat: Es handelt sich keineswegs um ein lokales Scharmützel zweier Anrainer (Russland gegen die Ukraine), sondern vielmehr um den Auftakt zu einem möglicherweise weltumspannenden Gefecht der antagonistischen Modelle globaler Weltordnungsvorstellungen.

Imperialistischer Internationalismus

Auf der Seite der Ukraine war es schon lange logisch, dass Männer aus allen westlichen und armen Ländern, zum Teil auf dem Schlachtfeld ausgeblutet und durch Flucht entkräftet, auf der Seite der proklamierten "Freiheit und Demokratie" die westlichen Werte verteidigen würden.

Die Deutsche Welle berichtet von "Freiwilligen aus bis zu 30 Nationen", insbesondere wurden Söldner aus Kolumbien mit einem Sold von bis zu 3000 Dollar angeworben.

Ob linkslibertärer Anarchist, Bundeswehrveteran außer Dienst oder Nato-Intrigant im Geheimen, Kiew zog alle offenen und verdeckten Register. Erinnert sei nur daran, dass auch in Deutschland verzweifelt neues Kanonenfutter gesucht (und gefunden) wurde, per Rekrutierungsversuch via App oder rund um die Debatte um die Einberufung geflüchteter Ukrainer.

Die militärische Zusammenarbeit auf staatlicher Ebene zwischen dem Reich von Kim Jon Un und der Russischen Föderation hat hingegen eine tiefere, politische und weitreichende internationale Ebene.

Sie muss vor dem Hintergrund der internationalen Sphäre unter Einbeziehung Chinas, des US-Vasallen Südkorea und der erodierenden internationalen Ordnung beleuchtet werden. Wie zu zeigen sein wird: eine neue Qualität mit Gefahren und Potenzialen. Fest steht: Mit dem Eingreifen Nordkoreas hat sich der 2014 ausgebrochene Krieg um die Ukraine internationalisiert.

Qualitative Neuerung: Militär first, Arbeiter second

Für Nordkorea, dessen einziger offizieller militärischer Verbündeter die Volksrepublik China ist, ist die Entsendung nordkoreanischer Truppen ein erfolgreicher Schritt auf die internationale Bühne und ein Schritt aus der Blockade-Isolation des imperialistischen Auslands.

Kim Jong-un analysiert nicht zu Unrecht, dass der Krieg um die Ukraine ein entscheidendes Vehikel auf dem Weg zu einer neuen Ordnung sein könnte. Er will dabei sein, wenn der neue Kuchen angeschnitten wird.

Während die nationalistisch überladene, ursprünglich sozialistische Juche-Ideologie Eigenständigkeit und Autarkie proklamierte, wurde mit einer Verfassungsänderung 2009 mit der Songun-Ideologie ("Armee zuerst!") ein zweites, ideologisches Standbein aufgebaut.

Darin wird die Armee mit der im Marxismus wichtigsten Kraft, der Arbeiterklasse, gleichgesetzt. Neben der Landesverteidigung erhält diese auch wirtschaftliche und repressive Kompetenzen. So soll die Armee ein Mindestmaß an Produktion sichern und als revolutionäres Vorbild dienen.

Neue Achse des Bösen?

Im Juni unterzeichneten Wladimir Putin und Kim Jong-un eine Comprehensive Strategic Partnership, die neben dem Transfer von Menschenmaterial an die Front auch umfangreiche Lieferungen von Militärgütern und Wissenstransfer vorsieht.

Für Nordkorea ist der Schritt aus der Krise notwendig: Die Wirtschaft krankt an vielen Gebrechen. Energie- und Nahrungsmittelknappheit, fehlende Investitionen und einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 1000 Dollar (Südkorea: 35.000). Es versteht sich von selbst, dass dies in direktem Zusammenhang mit den westlichen Sanktionen steht und die Zahlen wenig valide sind.

Dennoch: Würde China seine Grenzen schließen und die Hilfe aus dem Ausland ausbleiben, würde das Land innerhalb weniger Tage kollabieren. Deshalb: Die Kim-Dynastie wird versuchen, ihre Söldner zu Höchstpreisen an Russland zu verkaufen. Es geht um Kapital, Treibstoff, KI, höherwertige Militärtechnik und technisches Know-how.

Zuvor hatte Russland in der UNO sein Veto gegen weitere Kontrollen des nordkoreanischen Atomprogramms eingelegt. Kurzum: Mit den Drohnenlieferungen aus dem Iran (4000 Stück im Einsatz in der Ukraine) und der diplomatischen Rückendeckung aus Beijing formiert sich, so die Analyse des Cnas, eine "Achse des Aufruhrs".

In Anlehnung an George Bush und seine Achse des Bösen werden der Achse des Aufruhrs nur Staaten zugeordnet, die dem US-Imperium feindlich gegenüberstehen.

Kein Blutzoll

Während davon auszugehen ist, dass Kim explizit Waffen und Material Made in Nordkorea testen will, meint Putin das Gegenteil.

Auch wenn der Kreml zu den offiziellen Kriegstoten schweigt, eine fünf- bis sechsstellige Zahl ist anzunehmen, kaum wahrnehmbare, aber vorhandene Proteste von Kriegswitwen belegen dies. Eine gesellschaftliche Mobilisierung neuer Truppen würde weitere Unzufriedenheit und soziale Proteste befördern. Diesem Schreckensszenario versucht der Kreml auszuweichen.

Zudem ermöglicht der strategische Akt neue Planspiele im russischen Generalstab. Während die Region Kursk stabilisiert werden kann, wird im Osten angegriffen.

Die Verschiebungen und Heranführungen aus dem russischen Fernen Osten, einst Teil des chinesischen Kaiserreichs, zeigen aber auch, dass Russland keineswegs mit einem Angriff oder nur mit einer Aggression aus China rechnet. Die Ostflanke des größten Landes der Welt wäre nicht zu verteidigen.

Drittes Rad am Wagen: China

Die chinesische Diplomatie balanciert – auch unter dem Eindruck des offenen wirtschaftlichen Angriffs einer Trump-Administration – zwischen Zurückhaltung und dem Beharren auf strikten außenpolitischen Prinzipien.

Auch wenn China und Nordkorea der Geburtsmythos der nordkoreanischen Kim-Dynastie verbindet und die riesige Volksrepublik der mit Abstand wichtigste Wirtschaftspartner ist, wird das Engagement mit Skepsis betrachtet werden. Aus Chinas Sicht ein unkalkulierbares Risiko.

Offiziell verhält sich die KPCh in der Ukraine-Causa neutral und kommentiert auch die Entsendung der Soldaten nicht.

Doch die schleichende Entfremdung Nordkoreas lässt China nicht kalt. Während 80 bis 90 Prozent aller nordkoreanischen Exporte über das Reich der Mitte liefen, verweigerte Beijing dem nordkoreanischen Raketenprogramm weitgehend die Zustimmung.

Die Spannungen zwischen Nordkorea und seiner Schutzmacht China wuchsen. Es gibt Risse im Gartenzaun zwischen Nordkorea und China.

China verfolgt mit dem Plan 2049, der BRI und der Kooperation auf Augenhöhe ("Harmonie") eine Politik, die sich nur schwer mit einem heißen Konflikt vereinbaren lässt. China befürchtet, vermutlich zu Recht, eine Ausweitung des Konflikts auf den Indopazifik, ein offenes Eingreifen der USA sowie eine weitere Aufrüstung gegen Nordkorea und damit gegen China.

Konvergenz und Divergenz

Welche Rolle die nordkoreanischen Soldaten in dem Konflikt tatsächlich spielen, muss an dieser Stelle offen bleiben.

Eine aus Nordkorea geflohene Quelle, die der Eliteeinheit der nordkoreanischen Armee angehören soll, gab im Weltspiegel-Podcast an, dass es sich bei den gezeigten nordkoreanischen Soldaten um einfache Fußtruppen ohne nennenswerten strategischen Wert handele. Es gibt jedoch zumindest Gerüchte, dass sich unter ihnen auch Spezialeinheiten mit hoher Kampfkraft befinden.

Besonders zu beachten ist, dass die russisch-koreanische Annäherung in eine Phase immenser Feindseligkeiten auf der koreanischen Halbinsel fällt.

Ob Müllanschläge, Musikterror an beiden Grenzseiten oder kurzzeitiger Ausnahmezustand in Südkorea – Nordkorea hat Südkorea in einer Revision seiner Sicherheitsdoktrin zum "Hauptfeind" erklärt.

Südkorea wird von den USA massiv aufgerüstet und auf allen Ebenen unterstützt, Nordkorea testet weiterhin ballistische Raketen und feilt zumindest verdeckt an seinem Atomprogramm.

Allerdings: China ist an einer weiteren Eskalation nicht interessiert. Auch wenn, am historischen Beispiel Vietnam, ein Krieg in anderen Teilen der Welt Rückwirkungen auf die koreanische Halbinsel hat, ist eine vom Westen gewünschte Spaltung zwischen China und Russland unwahrscheinlich.

Zwei Schlussbemerkungen: Erstens offenbart die Posse um die nordkoreanischen Soldaten, dass es im Team der multipolaren Weltordnung keine Konvergenz, sondern Divergenz gibt.

Jeder Staat spielt auf seiner eigenen Klaviatur der Ideologie, Ziele, Wege und Interessen. Und schließlich: Sollte es dem kollektiven Westen gelingen, Südkorea in einen Krieg zu ziehen, wäre das Chaos und womöglich der Weltenbrand proklamiert. Eine brandgefährliche Situation.