Ukraine: Krieg um die "Schwarze Erde"

Seite 2: EuroChem und ein geplatzter Deal

Ein weiteres Problem sind die extrem hohen Düngerpreise. Für die Herstellung von Stickstoffdünger braucht man Erdgas. Interessant: Im Frühjahr hatte einer der weltweit größten Düngemittelproduzenten, der Riese EuroChem (Umsatz im ersten Halbjahr 2021: 4,4 Milliarden Dollar), um ein Haar die Stickstoffsparte des österreichischen Chemiekonzerns Borealis übernommen.

Hinter dem beabsichtigten Deal sehen Branchenkenner den russischen Oligarchen Andrey Igorevich Melnichenko am Werk (geschätztes Vermögen: gut 24 Milliarden Dollar), der als Gründer von EuroChem gilt und der den Global Player zu über 90 Prozent kontrolliert.

Doch dann kam es anders. Gut zwei Wochen nach dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine ließ Borealis das Geschäft platzen. In einer Pressemitteilung teilten die Österreicher mit:

Borealis hat beschlossen, das verbindliche Angebot von EuroChem vom 2. Februar 2022 für den Erwerb des Stickstoffgeschäfts von Borealis, welches Pflanzennährstoffe, Melamin und technische Stickstoffprodukte umfasst, abzulehnen.

Presseerklärung des Unternehmens, 10. März 2022

Nach Ansicht des österreichischen Rundfunks ORF waren die Verkaufsverhandlungen mit den nunmehr zurückgewiesenen Bietern von EuroChem bereits im Januar abgeschlossen worden, das heißt: passend vor Kriegsbeginn.

Die operative Zentrale von EuroChem befindet sich dem Sender zufolge in Moskau.

Der Kampf um die ukrainische Landwirtschaft

Wie die Deutschen-Wirtschafts-Nachrichten Ende Februar berichteten, versucht auch China seit geraumer Zeit, Kredite an die Ukraine zu vergeben, um seinen Einfluss auf die landwirtschaftliche Flächen der Ukraine zu erhöhen.

Das Wirtschaftsportal führt mit Bezug auf einen Artikel der Financial Times aus, das Ziel solcher Kredite scheine darin zu bestehen, "einheimische landwirtschaftliche Flächen direkt zu pachten oder lokale Produzenten zu finanzieren und sie an Leihgaben für Ernten zu binden - alles mit der Absicht, Exporte zu sichern, um die Ernährungssicherheit in der Heimat zu verbessern".

BayWa-Chef Lutz vermutet, dass Russland hinter den Kulissen mit China dealt, das heißt, unter anderem an China Getreide aus den besetzten Gebieten verkauft:

Es gibt Deals an den Getreidebörsen vorbei, und ich glaube, dass Chinesen von Russland den Weizen kaufen, um damit deren Krieg mitzufinanzieren.

K. J. Lutz, BayWa Vorstand, KStA Wirtschaft vom 2./3. Juli 2022, Printausgabe

Geballte Handelsmacht

Fünf Agrarkonzerne beherrschen den Weltmarkt. "ABCD" werden die vier westlichen Firmen abgekürzt, die den Welthandel mit landwirtschaftlichen Produkten dominieren. Die Konzerne besitzen Hochseeschiffe, Häfen, Eisenbahnen, Raffinerien, Silos, Ölmühlen und Fabriken. Ihr Weltmarktanteil liegt bei 70 Prozent.

In den vergangenen Jahren hat der chinesische Getreidehändler Cofco, ein Staatsbetrieb mit Sitz in Peking, zu ihnen aufgeschlossen. In Russland nahm im Jahr 2015 erstmals der Getreidehändler RIF einen Spitzenplatz unter den Exporteuren ein. Diese Entwicklungen spiegeln den Aufstieg Russlands als bedeutender Weizenexporteur und die Rolle Chinas als bedeutender Getreideimporteur wider.

Fazit: Die Handelsmacht Russlands und Chinas nimmt aktuell auch in Bezug auf den globalen Weizenhandel zu. RIF hat mittlerweile alle Konkurrenten in Russland vom Markt verdrängt.