Ukraine-Krieg wird (abgereichert) atomar

Seite 2: Was die Lieferung von Uranmunition für die Ukraine bedeuten würde

Russland hat seinen Unmut über Pläne Großbritanniens zum Ausdruck gebracht, die ukrainische Armee mit panzerbrechender Munition aus abgereichertem Uran zu versorgen. "Ich möchte darauf hinweisen, dass Russland in diesem Fall gezwungen sein wird, entsprechend zu reagieren", sagte Präsident Wladimir Putin am Dienstag nach einem Treffen mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping in Moskau.

Putin fügte an, die russische Regierung werte Urangeschosse als "Waffen mit nuklearer Komponente". Verteidigungsminister Sergei Schoigu sagte: "Natürlich hat Russland eine Antwort parat."

Die britische Regierung hatte am Montag angekündigt, zusätzlich zu den bereits zugesagten Challenger-2-Panzern auch sogenannte DU-Munition an die Ukraine zu liefern. "DU" steht auf Englisch für "depleted uranium", abgereichertes Uran also. Die Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Annabel Goldie, sagte bei einer Anhörung im britischen Oberhaus. "Solche Geschosse sind sehr effektiv, um moderne Panzer und gepanzerte Fahrzeuge aufzuhalten."

Uran ist ein radioaktives Metall. Aufgrund seiner höheren Dichte hat abgereichertes Uran eine größere Durchschlagskraft als Stahl oder Blei. Es durchdringt die Hülle der Zielobjekte und entwickelt aufgrund der Bewegungsenergie und des brennenden Uranstaubs im Inneren der getroffenen Fahrzeuge eine Hitze von tausenden Grad Celsius. Die Besatzung stirbt augenblicklich, zudem kommt es durch die Entzündung der geladenen Panzermunition zu Sekundärexplosionen. Uranmunition wurde in den Kriegen im Irak, in Serbien und im Kosovo eingesetzt.

Der Einsatz der Geschosse ist massiv umstritten. Der Wissenschaftliche Ausschuss für Gesundheits- und Umweltrisiken der Europäischen Kommission stellte sich im Jahr 2010 auf den Standpunkt, es gebe "keine Hinweise auf Umwelt- oder Gesundheitsrisiken" durch abgereichertes Uran: "Die Strahlenexposition durch abgereichertes Uran ist, gemessen an der natürlich vorhandenen Strahlung, sehr gering."

Diese Einschätzung treten Wissenschaftler und Umweltorganisationen entschieden entgegen. Die Ärzte- und Friedensorganisation IPPNW weist auf erhebliche Gesundheitsschäden für die Zivilbevölkerung im Irak hin. Dort hatte die US-Armee in den Kriegen zwischen 1991 und 2003 mindestens 400.000 Kilogramm Uranmunition verschossen. Andere Studien betonen eine Häufung von Krebserkrankungen in Afghanistan, Irak und dem Kosovo.

In der Ukraine würde der Einsatz der umstrittenen Munition wohl eine weitere Eskalation zur Folge haben. Ein russischer Diplomat hatte schon im Januar gewarnt, seine Regierung würde die Verwendung von Uranmunition durch Panzer westlicher Bauart in der Ukraine als Einsatz "schmutziger Atombomben" werten.

Konstantin Gawrilow, Leiter der russischen Delegation bei den Wiener Gesprächen zu Militärsicherheit und Rüstungskontrolle, behauptete, Moskau wisse, "dass der Leopard-2-Panzer sowie Bradley und Marder mit Geschossen mit Urankernen bewaffnet sind". Dies sei eine "nukleare Provokation".

EU-Faktencheck-Seiten hatten die Aussage Gawrilows als Propaganda zurückgewiesen. Tatsächlich nutzt die Bundeswehr keine Urangeschosse, sondern panzerbrechende Munition mit einem Kern aus Wolfram.

In späteren Meldungen russischer Nachrichtenagenturen wird Gawrilow mit der Aussage zitiert, auch der Leopard-2-Panzer "könne" mit Uranmunition ausgerüstet werden. In der Tat werden unterkalibrige Wuchtgeschosse des Typs APFSDS mit Urankern auch für die 120-mm-Glattrohrkanone von Rheinmetall aufgeführt.

Der britische Außenminister James Cleverly hat die Kritik und Drohungen aus Moskau indes zurückgewiesen. Es sei abwegig, von einer nuklearen Eskalation zu sprechen, sagte er am Mittwoch. "Der einzige Staat weltweit, der Nuklearfragen zum Thema macht, ist Russland", fügte er an.

Die Lieferung der Uranmunition sei keine Bedrohung für Russland, sondern helfe der Ukraine, sich zu verteidigen. Es handele sich bei Uranmunition zudem um eine konventionelle Waffe.

Unklar ist, ob Deutschland mit den zugesagten Leopard-2-Panzern auch Wolframgeschosse an die Ukraine liefert. Diese Projektile werden von der Bundeswehr anstelle der Uranmunition eingesetzt, sie stehen gleichwohl im Verdacht, Krebs auszulösen. Eine Anfrage der menschenrechtspolitischen Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, Zaklin Nastic, brachte Anfang Februar zunächst keine Aufklärung über die Munitionslieferungen.

Die Ersatz- und Austauschteile sowie die erforderliche Munition für die Kampfpanzer werde noch ermittelt und stehe daher nicht fest, hieß es damals aus dem Verteidigungsministerium. Es sei aber beabsichtigt, die Lieferung von Ersatz- und Austauschteilen sowie der Munition mit der Abgabe der Kampfpanzer Ende März 2023 zu synchronisieren.

Doch auch jetzt gibt sich das Verteidigungsministerium schmallippig. Auf Anfrage von Telepolis nach der erforderlichen Munition hieß es am Mittwoch lediglich, man werde "der Ukraine wie vereinbart Leopard 2 A6 sowie Munition und ein Ersatz- und Austauschpaket zur Verfügung stellen".

Nastic, die sich gerade im Kosovo aufhält, wo während des Krieges 1999 Uranmunition zum Einsatz kam, kritisierte die geplante Lieferung der geächteten Munition scharf. "Es ist bezeichnend für die Bundesregierung, dass sie auf der einen Seite von einer wertegeleiteten Außenpolitik spricht, zur Lieferung von Uranmunition durch ihren Nato-Partner Großbritannien aber schweigt." Die Pläne seien zudem verantwortungslos gegenüber der Ukraine. Denn am Ende würden die Menschen dort "an den Folgen des Einsatzes dieser umstrittenen Munition leiden".

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