Ukraine: Ungleichgewicht im Drohnenkrieg?

Iranische Drohne Shahed 129. Bild: Fars News/CC BY 4.0

Kann Russland mit Drohnen aus Iran und Munition aus Nordkorea gegen die von der Türkei belieferte Ukraine bestehen?

Russland ist derzeit gezwungen, für den Ukrainekrieg Waffen vom Iran und von Nordkorea zu kaufen. Bei Kampfhandlungen unter modernen Bedingungen kommt es bei den Erfolgsaussichten nicht nur auf die Größe der Streitkräfte an. Das technische Niveau und die Kampfkraft der Ausrüstung spielen eine Hauptrolle. Und Drohnen sind dabei heute eine mitentscheidende Komponente.

Türkische Drohnen hatten massiven Einfluss auf die Kämpfe

Die ukrainische Armee greift in ihrem Verteidigungskampf auf das türkische Drohnenmodell Bayraktar TB2 zurück, das seit den ersten Kriegstagen zu einer der wichtigsten Waffensysteme für Kiew geworden ist. Die politisch einzigartige Position Ankaras ermöglicht es den Türken einerseits, sich bei den antirussischen Sanktionen herauszuhalten und wirtschaftlich sogar verstärkt mit Moskau zusammenzuarbeiten. Der türkische Warenexport nach Russland erreichte in den ersten sechs Monaten 2022 ein Achtjahreshoch.

Andererseits verurteilt die Türkei dennoch durchgehend die russische Aggression gegen die Ukraine und verkauft wichtige Waffen nur an Kiew. Die türkischen Offiziellen betonen dabei, dass der Drohnenverkauf ein reines Geschäft ist und nicht etwa Nachschub für die ukrainische Seite.

Auf verschiedenen Kanälen erwarb die Ukraine schon im Januar kurz vor dem russischen Überfall 50 Bayraktar TB2 von den Türken. Nach Beginn der Invasion am 24. Februar wurden zwischen Ankara und Kiew Verträge über die Lieferung mehrerer Dutzend weiterer Drohnen unterzeichnet.

Die genaue Anzahl wurde dabei geheim gehalten. Weiterhin gründete der Drohnenhersteller Baykar im August eine ukrainische Niederlassung und erwarb ein Grundstück für eine örtliche Produktionsstätte, wo die Drohnen vor Ort in der Ukraine hergestellt werden sollen.

Der militärische Vorteil der türkischen Drohne ist zum einen die Möglichkeit des Langzeiteinsatzes. Das Gerät kann bis zu 24 Stunden in der Luft bleiben. Die Reichweite beträgt dabei 150 Kilometer, die Höchstgeschwindigkeit 220 Stundenkilometer.

Die Drohne ist ein Verkaufsschlager, auch weil sie bereits während der Eskalation des Konfliktes zwischen Aserbaidschan und Armenien um die Region Berg-Karabach erfolgreich eingesetzt wurde.

Experten gehen davon aus, dass es auch in der Ukraine türkischen Drohnen zu verdanken war, dass es der ukrainischen Armee in den ersten Kriegswochen gelang, eine riesige Menge russischer Militärausrüstung am Stadtrand von Kiew zu zerstören. Entsprechende Videos wurden auch aktiv von ukrainischen Nutzern in sozialen Netzwerken verbreitet.

Russen kaufen iranische Drohnen, da keine türkischen verfügbar

Interessant sind in diesem Zusammenhang türkische Presseberichte, Putin habe bei einem Treffen mit Erdoğan den Wunsch geäußert, von der Türkei für die russische Armee Bayraktar-Drohnen zu kaufen.

Doch schnell kam ein Statement des Baykar-CEO Haluk Bayraktar gegenüber CNN, übrigens der Schwiegersohn von Erdoğan, dass sein Unternehmen die Drohne niemals an Moskau verkaufen würde, weil die Türkei "den Widerstand der Ukraine unterstützt, seine Souveränität und Unabhängigkeit".

Weiterhin spendete Baykar zweifach kostenlos Drohnen an Kiew, nachdem in Litauen und der Ukraine zwei große Crowdfunding-Kampagnen für zusätzliche Käufe durch die Ukraine durchgeführt wurden.

So musste sich die russische Seite bei ihren wenigen verbliebenen Partnern unter den Waffenproduzenten nach geeignetem Ersatz umsehen. Der Iran reagiere zügig. Werden er und der danach hinzugekommene Munitionslieferant Nordkorea die russische Armee vor einer Blamage in der Ostukraine retten?

In der zweiten Julihälfte gab es die ersten Berichte über mögliche Lieferungen aus dem Iran nach Russland – kurz nach der Teheran-Reise von Putin. Vor allem US-Medien berichteten unter Berufung auf die amerikanischen Geheimdienste, dass russische Spezialisten mit der Ausbildung auf den dortigen Drohnenmodellen im Iran begonnen hätten.

Ende August bestätigte ein Vertreter des Weißen Hauses, dass Moskau laut den eigenen Geheimdiensten tatsächlich Drohnen der Modelle Mohajer-6, Shahed-129 und Shahed-191 aus dem Iran erhalten habe.

Zunächst ging man dabei aus, dass die Iraner die Drohnen über das Kaspische Meer nach Russland liefern würden. Tatsächlich verbreiteten später die US-Geheimdienste, die Lieferung sei schon mit Transportflugzeugen erfolgt.