Ukraine: Warum sich das enorme US-Militärbudget auf dem Schlachtfeld nicht auszahlt
Der militärisch-industrielle Komplex mit seinen 850 Milliarden Dollar ist nicht darauf ausgelegt, Kriege zu führen. Das zeigt der verzweifelte Kampf der Ukrainer mit US-Waffen. Woran liegt das?
Als ich kürzlich ein Video sah, in dem ukrainische Truppen aus einem von den USA gelieferten Bradley-Kampfpanzer steigen, nachdem dieser auf eine Mine gefahren war, erinnerte ich mich daran, wie sehr die Bürokraten der US-Armee und die Auftragnehmer, die diese Militärfahrzeuge entwickelt haben, darum gerungen hatten, dass es eine Todesfalle für jeden werden soll, der darin Platz nimmt.
Wie ursprünglich konstruiert, gehen Bradley-Panzer sofort in Flammen auf, wenn sie von etwas getroffen werden, das deutlich stärker als eine Gewehrkugel ist, wodurch alle Insassen verbrennen. Die Bürokraten rund um die Panzerkonstruktion waren sich dieses Mangels wohl bewusst, aber eine Unterbrechung der Entwicklung für eine Neukonstruktion hätte ihr Budget beeinträchtigt, also verzögerten und betrogen sie bei den Tests, um das Programm auf Kurs zu halten. Vor einem Test ersetzten sie heimlich die explosive Munition durch Wasserbehälter.
Erst als Jim Burton, ein mutiger Oberstleutnant der Luftwaffe aus der Testabteilung des Pentagons, den US-Kongress aufforderte, einen ordnungsgemäßen Beschuss-Test durchzuführen, wurden die niederträchtigen Machenschaften der Armee aufgedeckt und korrigiert. Seine prinzipientreue Haltung kostete ihn seine Karriere, aber der Bradley wurde umgestaltet, sodass er für die Insassen weniger tödlich war. Und so überlebten vierzig Jahre später diese glücklichen Ukrainer.
Diese weitgehend vergessene Geschichte dient als anschauliches Beispiel für eine elementare Wahrheit über unseren Militärapparat: Er ist nicht am Krieg interessiert.
Wie sonst wäre es nachzuvollziehen, dass man sich weder um das Leben der Soldaten noch um die Herstellung eines funktionierenden Waffensystems kümmert? Wie Burton in seinen lehrreichen Memoiren "Pentagon Wars" von 1993 feststellt, ist das US-Verteidigungssystem "ein korruptes Unternehmen – ethisch und moralisch korrupt von oben bis unten".
In den vergangenen Jahren ist nichts geschehen, was diese Einschätzung widerlegen könnte, mit drohenden düsteren Folgen für die Männer und Frauen an der Front.
Gegenwärtig gibt die US-Luftwaffe etwa ihre traditionelle Rolle auf, die Truppen am Boden zu schützen und zu koordinieren, bekannt als Close Air Support (CAS). Wenn man bedenkt, wie wenige oder gar keine Auswirkungen auf den Verlauf von Kriegen die Bombenoffensiven in der Vergangenheit hatten, war CAS wahrscheinlich die einzige nützliche Funktion, die die Luftwaffe (widerstrebend) erfüllte.
Die Luftwaffe hat den Nahunterstützungsauftrag immer abgelehnt, hat ihn aber nur deshalb übernommen, weil die Übergabe ans Heer bedeutet hätte, dass man Anteile am Haushaltsbudget verloren würde. So wurde die A-10 "Warthog", ein speziell für CAS bestimmtes Flugzeug, von der Luftwaffe nur entwickelt, um die Drohung des Heers abzuwehren, ihr diese Aufgabe mit einem neuen Hubschrauber abzunehmen.
Wie sich herausstellte, war die A-10 dank des engagierten Genies ihrer Erfinder, insbesondere des verstorbenen Pierre Sprey, für diese Aufgabe hervorragend geeignet. Doch ihre Erfolgsbilanz stößt bei der Luftwaffe auf taube Ohren, die mit aller Macht versucht, die A-10 loszuwerden, seit die Bedrohung durch einen militärischen Konkurrenten im ewigen Kampf um Budgetanteile beseitigt wurde.
Der koordinierte Widerstand geht nun in die letzte Phase. Die Luftwaffe entledigt sich nicht nur ihrer verbliebenen A-10-Flotte, sondern auch der Fähigkeit zur Durchführung der Luftnahunterstützung, indem sie die für diese hoch spezialisierte Aufgabe erforderliche Ausbildung von Piloten und Bodenkontrolleuren einstellt.
Zwar behauptet die Air Force, dass das berühmt-berüchtigte F-35-"Kampfflugzeug" diese Aufgabe übernehmen kann und wird, aber das ist aus vielen Gründen eine lächerliche Vorstellung, wobei die 25-mm-Kanone des Flugzeugs nicht einmal geradeaus schießen kann.
Die Folgen für die US-amerikanischen Bodentruppen in künftigen Kriegen werden verheerend sein, aber ihr Schicksal fällt offenbar kaum ins Gewicht in Bezug auf den unstillbaren Drang der Luftwaffe, unabhängig von den schmutzigen Realitäten der Bodenkämpfe zu sein, wo Kriege gewonnen oder verloren werden.
Streubomben: Militärischer Nutzen zweifelhaft
Daher konzentrieren sich ihre Hoffnungen und Haushaltspläne auf kostspielige Systeme von zweifelhafter Relevanz für die Kriegsführung wie den neuen B-21-Bomber, die neue Interkontinentalraketensystem Sentinel-ICBM und die nächste Generation des Air Dominance-Kampfflugzeugs, von dem keines in den nächsten Jahren fliegen wird, während uns dafür Geld aus den Taschen gezogen wird.
Die Ausgaben des Pentagons werden sich in diesem Jahr voraussichtlich auf 850 Milliarden Dollar belaufen (die Gesamtausgaben für die nationale Sicherheit liegen bereits weit über einer Billion, aber das ist eine andere Geschichte). Doch selbst mit dieser gigantischen Summe Geld ist das System offenbar nicht in der Lage, die Mittel für einen begrenzten Krieg, wie er derzeit in der Ukraine stattfindet, aufzubringen.
Der Konflikt ist geprägt von aufeinander folgenden Ankündigungen, dass immer leistungsfähigere Waffensysteme an die Ukrainer geliefert werden – Javelins-Panzerabwehrraketen, 155-mm-Haubitzen, Himars-Präzisions-Langstreckenraketen, Patriot-Luftabwehrraketen, Abrams-Panzer und demnächst auch F-16-Jagdflugzeuge.
Ein Offizier des US-Militärgeheimdienstes wies mich kürzlich auf den eigentlichen Grund hin, wonach die Waffen ausgewählt werden: "wenn das letzte System, das wir geschickt haben, aufgebraucht ist".
Jetzt hat Biden mit seinem Versprechen, Streubomben zu schicken, die dafür bekannt sind, dass sie noch fünfzig Jahre nach dem Ende des jeweiligen Krieges Kinder töten und verstümmeln, für weltweite Empörung gesorgt. Die militärische Begründung für den Einsatz von Streubomben ist ihre angebliche Nützlichkeit gegen "weiche" Ziele wie abgebaute Infanterie, Radaranlagen und Radfahrzeuge.
Ein ehemaliger Panzeroffizier und Veteran des Golfkriegs von 1991 erinnert sich jedoch, dass "wir sie zutiefst verabscheuten und die Artillerie und die Luftwaffe anflehten, sie nicht einzusetzen. Ganz einfach deswegen, weil sie die Unterstützungskräfte und Räder der Fahrzeuge beschädigten, die uns ins Gefecht folgten. Nach dem Krieg behandelten wir zahlreiche dadurch verwundete Menschen, darunter unsere eigenen Soldaten und auch Zivilisten (Kinder)."
Biden hat zugegeben, dass die Streubomben nur deshalb geschickt werden, weil den USA die Artilleriemunition ausgeht, die die Ukrainer eigentlich benötigen. "Es ist ein Krieg, bei dem es um Munition geht. Und die Munition geht ihnen aus, und wir haben nur noch wenig davon", sagte er in einem Fernsehinterview.
Also werden die Streubomben abgeworfen, wobei die Regierungsbeamten Krokodilstränen vergießen: "Ich werde mich hier nicht hinstellen und sagen, dass es einfach gewesen ist ... Es ist eine Entscheidung, die einen harten Blick auf den potenziellen Schaden für die Zivilbevölkerung erforderte", sagte der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan gegenüber Reportern. (Als bekannt wurde, dass die Russen in der Ukraine Streubomben einsetzten, verurteilte die damalige Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, solche Aktionen als "Kriegsverbrechen").
Nachdem die größte Kriegsmaschinerie der Geschichte ihren Schrank leer gekratzt hat, ist sie nun darauf reduziert, ein Gerät von zweifelhaftem militärischem Nutzen einzusetzen, das von über hundert Ländern als illegal angesehen wird. Das ist es, was wir für unsere 850 Milliarden Dollar bekommen.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Das englische Original finden Sie hier. Übersetzung: David Goeßmann.
Andrew Cockburn ist Redakteur im Washington-Büro von Harper's Magazine und Autor mehrerer Sachbücher, darunter sein neuestes "The Spoils of War: Power, Profit and the American War Machine" (2021). 2009 veröffentlichte er zudem "Kill Chain: The Rise of the High-Tech Assassins" (2016). Cockburn hat unter anderem für die New York Times, The New Yorker und National Geographic geschrieben sowie zahlreiche Dokumentarfilme produziert, darunter "American Casino" (2009), der von der Finanzkrise handelt. Sein 1981 für PBS produzierter Film "The Red Army" war der erste ausführliche Bericht über die gravierenden Mängel der sowjetischen Militärmacht und wurde mit dem Peabody Award ausgezeichnet.