Ukrainische Getreideflut: Rettung oder Ruin für EU-Bauern?

Weizenfeld in der Ukraine - Symbol für den Getreidestreit in der EU

Weizenfeld in der Ukraine: Im Zentrum des europäischen Getreidestreits, der die Zukunft der EU-Landwirtschaft prägt.

(Bild: Manfred Richter, Pixabay)

EU ringt mit ukrainischem Billig-Getreide. Einige wollen Import, andere fürchten den Ruin heimischer Bauern. Balanceakt zwischen Solidarität und Marktlogik.

In der Europäischen Union gärt der Streit um billiges ukrainisches Getreide weiter. Seit Monaten sind die Fronten verhärtet, doch nun zeichnet sich eine Lösung ab. Die EU-Kommission zeigt sich zumindest bereit, auf die osteuropäischen Mitgliedsstaaten zuzugehen.

Ukraine-Hilfe: Echte Solidarität oder Politikspiel?

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat die Europäische Union einige Maßnahmen ergriffen, um die ukrainische Wirtschaft zu unterstützen. So wurden im Juni 2022 Einfuhrzölle, Kontingente und handelspolitische Schutzmaßnahmen für ukrainische Importe ausgesetzt.

Zunächst wurde diese Entscheidung als Geste der Solidarität gewertet, doch die Spannungen innerhalb der EU nahmen zu. Nach Protesten einheimischer Landwirte verhängten die Nachbarstaaten der Ukraine einen Importstopp, was die Beziehungen der EU-Staaten untereinander und mit der Regierung in Kiew belastete.

Ukrainische Importe: Wohltat oder Wirtschaftskrieg?

Die EU-Kommission will die Privilegien für ukrainische Importe bis 2025 verlängern. EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis sagte der Nachrichtenagentur Reuters, man wolle aber die Sensibilität der Agrarsektoren in den östlichen Mitgliedsstaaten berücksichtigen.

Schon heute könne die EU-Kommission Maßnahmen ergreifen, um Märkte zu schützen. Dies gelte aber nur, wenn der gesamte EU-Markt betroffen sei. Wenn die Märkte einzelner Länder in Schieflage geraten, kann die EU-Kommission bisher nicht mit Schutzmaßnahmen helfen. Nach geltendem Recht müssen die betroffenen Länder die Lasten tragen.

Marktregulierung: Lösung oder neues Problem?

Dombrovskis sagte vor einem Treffen der EU-Handelsminister vor Journalisten:

Wir prüfen, wie wir das am besten bewerkstelligen können, einschließlich der Möglichkeit, die Schutzmaßnahmen nicht nur im Falle von Störungen des EU-Marktes insgesamt, sondern auch im Falle von Störungen in einem einzelnen Mitgliedstaat oder in einigen wenigen Mitgliedstaaten anzuwenden.

Die Probleme begannen nach dem Ende des Schwarzmeer-Abkommens. Dieses Abkommen regelte die Getreideexporte der Ukraine und Russlands auf dem Seeweg. Aufgrund der EU-Sanktionen gegen Russland konnten die russischen Exporte jedoch nicht durchgeführt werden. Deswegen hat Moskau das Abkommen nicht verlängert.

Agrartransport-Krise: Wer zahlt den Preis?

Von da an mussten große Mengen landwirtschaftlicher Produkte aus der Ukraine auf dem Landweg exportiert werden. Vor dem Krieg gelangten etwa 5.800 Tonnen Mais aus der Ukraine nach Polen. 2022 waren es über 1,8 Millionen Tonnen.

Die Transportkosten stiegen und das ukrainische Getreide war auf dem Weltmarkt kaum konkurrenzfähig. Schließlich blieb ein Großteil in den osteuropäischen Ländern hängen und überschwemmte die Märkte zu Preisen, mit denen die einheimischen Bauern nicht konkurrieren konnten.

Im vergangenen Jahr unterbreitete die Regierung in Kiew der EU-Kommission einen Vorschlag, wie ukrainisches Getreide wieder auf den Weltmarkt gelangen könnte. Brüssel sollte lediglich die Mehrkosten für den Transport übernehmen. Die Rede war von 30 bis 40 Euro pro Tonne. Doch in Brüssel verwies man auf die knappen Kassen.

Schutz der Landwirtschaft: Notwendigkeit oder Protektionismus?

Dombrovskis erklärte nun, dass geprüft werde, wie die empfindlichsten Produkte geschützt werden könnten. Sein Plan sieht vor, dass betroffene EU-Mitglieder vier Monate lang Sofortmaßnahmen ergreifen können – vorbehaltlich einer Bewertung durch die Kommission. Außerdem werde die Ukraine aufgefordert, sich stärker an EU-Standards zu orientieren.

Der neue Vorstoß der EU-Kommission stößt noch auf wenig Gegenliebe. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto hatte zuvor erklärt, der Zustrom billigen ukrainischen Getreides habe die mitteleuropäischen Märkte "ruiniert". Man wolle am Importverbot festhalten, aber den Transit ermöglichen.

Osteuropäer bleiben skeptisch gegenüber ukrainischen Importen

Die bulgarische Regierung hat der EU-Kommission vorgeschlagen, nur bestimmte Mengen von Agrarprodukten aus der Ukraine zollfrei einzuführen, schreibt Euractiv. In Brüssel sollen Importkontingente festgelegt werden, bei deren Überschreitung wieder Zölle erhoben werden. Die Höchstmengen sollten sich an der Marktlogik und den Verarbeitungskapazitäten orientieren.

Aus Warschau waren zuletzt versöhnliche Töne zu vernehmen. Die Staats- und Regierungschefs Polens und der Ukraine sagten am Montag zu, die politischen Streitigkeiten zu überwinden. "Ich bin sicher, dass wir eine Lösung finden werden, die den polnischen Landwirten und Produzenten zugutekommt und für die ukrainische Seite sicher ist", sagte der polnische Premierminister Donald Tusk.

Ob beide Seiten in der Frage der Agrarexporte eine Lösung gefunden haben, wurde nicht erklärt. In der vergangenen Woche hatte die Regierung in Polen noch gemeinsam mit Bulgarien, Ungarn, Rumänien und der Slowakei ein gemeinsames Schreiben an Dombrovskis und EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski geschickt. Im Schreiben erklärten sie, dass ihre Landwirte "erheblich leiden", seit die EU-Kommission die Einfuhrbeschränkungen für die Ukraine aufhob.

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