Ukrainischer Ministerpräsident will Mauer an der Grenze zu Russland
"Russland ist der Aggressor" - Jazenjuk tritt dem Eindruck entgegen, dass es zwischen Kiew und Russland Zeichen der Annäherung gibt. Er verschärft den Ton
Am Vortag des Nato-Gipfels kamen heute aus Kiew unterschiedliche und zum Teil verwirrende Signale zur Beilegung des Konflikts in der Ukraine. Wurde heute Morgen eine Mitteilung aus dem Büro des ukrainischen Präsidenten in Eilmeldungen als "Waffenstillstandsvereinbarung zwischen Poroschenko und Putin" dargestellt, so berichtigte Putins Sprecher Dmitri Peskow diese Darstellung, um Missverständnissen vorzubeugen: Russland könne keinen Waffenstillstand schließen, weil es keine Konfliktpartei sei (Putin und Poroschenko einigen sich angeblich über "mögliche Auswege aus der Krise" [Update]). Aber mitreden will Putin schon: Später legte er Journalisten einen "Sieben-Punkte-Plan" vor, auf die sich die Konfiltparteien seiner Überzeugung nach umgehend einigen sollen.
Entstand mit der Botschaft Poroschenkos - deren Wortlaut nachgebessert wurde, ohne dass dies öffentlich gemacht wurde, wie die FAZ beobachtete - zwischenzeitlich in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass es zumindest zwischen der Regierung in Kiew und der russischen Regierung versöhnlichere Töne gibt und vielleicht gar Annäherungen, so trat dem der Kiewer Ministerpräsident Jazenjuk entschieden entgegen.
Zunächst präsentierte er einen Aktionsplan zur politischen und wirtschaftlichen "Erholung der Ukraine", der mit spektakulären Maßnahmen aufwartet, die sich wesentlich an der Gegnerschaft zu Russland und der Partnerschaft zur Nato und der EU ausrichten. Später ließ er noch eine Erklärung zum Sieben-Punkte-Plan Putins folgen, wonach dieser nur dem Anschein nach zur Lösung der Krise in der Ukraine konzipiert ist, er würde den Konflikt nur einfrieren. Tatsächlich handele es sich um einen "Plan zur Rettung russischer Terroristen".
Hintergedanken solcher Art könnte man freilich angesichts der schlechten militärischen Lage der Kiewer Streitkräfte, die sich recht unterschiedlich zusammensetzen - mit Söldner-Bataillonen, die mit Gesetz und Menschenrechten wenig oder nichts am Hut haben - , auch den Konfliktbeilegungsversuchen Poroschenkos vorhalten: von einer Waffenruhe würden die Kiewer Truppen nach Lage der Dinge mehr profitieren als ihre Widersacher. Dass sich Poroschenko von Friedenstauben ins Ohr gurren läßt, wäre neu.
Anscheinend aber war Jazenjuk das Vorgehen Poroschenkos zu sanft. Denn er legte scharf nach. Der Plan Putins sei "ein Versuch, die Internationale Gemeinschaft vor dem Nato-Gipfel zu verwirren" und die zu erwartende Sanktionswelle der EU gegen Russland zu vermeiden, so Jazenjuk. Wie bei anderen Abmachungen auch würde sich Russland nicht daran halten. Der beste Plan für Frieden in der Ukraine sei in einem Punkt zusammenzufassen: Russland solle "alle regulären Truppen, Söldner und Terroristen aus dem Ukraine abziehen. Der wahre Plan Putins sei die "Zerstörung der Ukraine und die Wiederherstellung der UdSSR", flickte Jazenjuk sein Mantra ein, um auch die Erwartungen nzu wiederholen, die er an die Nato und die EU richtet:
Wir erwarten Entscheidungen der Nato und der EU, wie man den Aggressor stoppt.
Zuvor hatte der Ministerpräsident den Aktionsplan der Regierung zur Erholung der Ukraine vorgestellt: Er sieht den Bau einer Mauer zwischen der Ukraine und Russland vor. Wie dies nach Stand der Dinge zu bewerkstelligen wäre, ist völlig unklar, die Absicht weltfremd. Jazenjuk baut auf Visionen, die von der Wirklichkeit absehen. Er zeigt sich vor allem als Ideologe.
Das Projekt Mauerbau stehe für eine neue Verteidigungsdoktrin der Ukraine. Deren Hauptelemente sehr einfach sind: Russland ist das Agressor-Land. Und: Die Ukraine will einen speziellen Partnerstatus bei der Nato - solange bis das Gesetz auf den Weg gebracht ist und in Kraft treten kann, wonach der blockfreie Status der Ukraine aufgehoben wird und die Ukraine die Mitgliedschaft der Nato beantrage.
Der Plan zur Reform des Landes stütze sich hauptsächlich auf das Assozierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU, so Jazenjuk: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand ein umfassenderes und informativeres Dokument als dieses schaffen kann."
Die Erklärung des Kiewer Ministerpräsidenten wird vor allem von diesen Leitmotiven getragen: der Feind heißt Russland, die Freunde Nato und EU. Gewürzt wird das mit Absichten, wonach die Kiewer Regierung vor internationale Gerichte ziehen will, um, wie der Justizminister bestätigte, Schadensersatzzahlungen für Schäden im Osten des Landes vom "Aggressor Russland" einzufordern. Zudem will man Sanktionen gegen Russland erlassen.