Ultimatum an Polen und Ungarn
Die EU will vor allem den "Wiederaufbaufonds" freibekommen und zur Not ohne beide Staaten mit Fondsgeldern loslegen
In der EU-Kommission platzt einigen offensichtlich angesichts der Blockadehaltung von Ungarn und Polen der Kragen. Beide Länder blockieren mit dem angekündigten Veto für den EU-Haushalt 2021-2021 auch den damit verbundenen "Wiederaufbaufonds". Denn sie sind dagegen, die Auszahlung von Geldern mit der Einhaltung des Rechtsstaatsprinzips zu verbinden, obwohl sie das ohnehin schon weitgehend verwässern konnten.
Brüssel hat nun beiden Ländern ein Ultimatum gestellt. "Wir brauchen bis heute oder spätestens morgen ein Abkommen mit Ungarn und Polen", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen ranghohen EU-Diplomaten. Ansonsten werde man zu einem "Szenario B" übergehen. Offensichtlich will man sich angesichts abstürzender Wirtschaften nicht länger die Hände binden lassen, um endlich gegensteuern zu können.
Die Zeit drängt jedenfalls, denn auf dem EU-Gipfel am Donnerstag sollen Polen und Ungarn einlenken. Die Drohkulisse ist längst aufgebaut und klar, wie der Plan B aussehen soll. Man wolle dann den Corona-Hilfsfonds im Umfang von 750 Milliarden Euro zur Not auch ohne die beiden Länder auflegen. Davon würden beide Länder hart getroffen, denn sie sollten, vor allem Polen, besonders vom Milliardenregen profitieren. Da das Land auch noch über Strukturhilfen aus dem EU-Haushalt besonders bedacht wird, müsste sich Polen warm anziehen, schließlich wäre der Haushalt weiter blockiert und aus dem Hilfsfonds würde ebenfalls kein Geld in Richtung Warschau fließen. Besonders reizvoll ist der Fonds auf für diese beiden Länder, da erstmals 390 Milliarden Euro, also der Großteil der Hilfsgelder, als Zuschüsse fließen sollen. Die müssen nicht zurückgezahlt werden, nur 360 Milliarden werden als Kredite vergeben.
Ob Ungarn und Polen ein konkretes Kompromissangebot gemacht wurde, ist weiter unklar. Bestätigt wurde nur, dass die mit der Suche nach einer Lösung beauftragte deutsche EU-Ratspräsidentschaft noch in Kontakt mit Warschau und Budapest steht. Spätestens am Dienstag werde man wissen, ob es eine Lösungsmöglichkeit gibt oder nicht, wird berichtet. Beim Gipfel am Donnerstag und Freitag soll es jedenfalls keine Grundsatzdiskussion mehr darüber geben.
Auch Beobachter in beiden Ländern glauben inzwischen, dass sich Ministerpräsident Viktor Orbán verkalkuliert hat, als er auf Konfrontationskurs mit Brüssel ging. "Er hätte sich nicht auf einen Frontalzusammenstoß mit den einflussreichsten europäischen Regierungen über ein Junktim zwischen der Einhaltung rechtsstaatlicher Kriterien und Finanztransfers der Union an ihre Mitgliedsländer einlassen dürfen", wird analysiert. In der Debatte habe das polnisch-ungarische Tandem mehrere strategische Fehler begangen.
Auch Orbán ist klar, dass die EU-Strategie darauf hinausläuft, den als schwächer eingeschätzten Polen Mateusz Morawiecki aus der Veto-Front herauszubrechen. Denn Orbán allein könnte sich vermutlich kaum allein gegen den Strom stellen. Orbán meinte in seinem wöchentlichen Interview im Staatsradio deshalb schon, dass Polen von dem gemeinsam mit Ungarn ausgehandelten Standpunkt nicht einseitig abweichen könne. Denn zuvor hatte Morawiecki schon ein erstes Einlenken gegenüber Brüssel signalisiert.