Um 22 Uhr geht es ins Bett

Schilderungen von britischen Syrienheimkehrern

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Rakka, die syrische "Hauptstadt" des "Islamischen Staats" wurde bislang weitgehend von Luftangriffen der US-Koalition verschont, die versuchen, nur IS-Stellungen zu treffen. Dafür gerät sie nun unter Beschuss seitens der Luftwaffe des Assad-Regimes, die keine Rücksicht auf zivile Opfer nimmt. Angeblich wurden bei den Angriffen am Dienstag auf ein Industriegebiet mindestens 95 Zivilisten getötet. Es soll kaum Ärzte geben, wenig Medikamente und Ausrüstung, auch wenn der IS kürzlich sich gebrüstet hat, ein neues Krankenhaus eingerichtet zu haben, in dem die Menschen kostenlos behandelt werden.

Auch in Mossul sieht es offenbar schlecht mit der medizinischen Versorgung aus, wie die Washington Post berichtet. Der IS kann offenbar junge Männer anziehen, die in den Kampf ziehen wollen, aber mit Experten, die zur Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung notwendig sind, scheint es Schwierigkeiten zu geben. Wer kann, setzt sich ab, um der Schreckensherrschaft der fanatischen Fundamentalisten zu entkommen, die zwar alte Sitten beibehalten, aber keine Probleme haben, die technischen und militärischen Produkte der "Kreuzfahrer" zu nutzen. Mit ihren rigiden moralischen Vorstellungen, die brutales Töten einschließen, schrecken sie die meisten Gebildeten ab.

In Mossul haben sich viele Ärzte abgesetzt, die Krankenhäuser haben kaum Medikamente, oft fällt der Strom aus. Das ist ein Dilemma, denn es müssen nicht nur die verletzten Kämpfer behandelt werden, sondern es entsteht auch Unmut, wenn die "Regierung" den Alltag nicht wirklich organisieren kann. Jetzt droht der IS angeblich den Ärzten, die nicht zum Dienst erscheinen, ihr Eigentum zu beschlagnahmen, sollten sie die Arbeit nicht wieder aufnehmen. In manchen Krankenhäusern müssen aber auch die Ärztinnen voll verschleiert sein, Krankenschwestern dürfen keine Nachtschichten leisten. Mindesten 5 Ärzte sollen im September und Oktober exekutiert worden sein.

Aus der Not werden manche der unsinnigen, durch die Scharia begründeten Regeln schon mal flexibler gehandhabt. So sollen aufgrund der Personalknappheit durchaus auch Ärzte und Ärztinnen zusammenarbeiten, Krankenschwestern, obzwar verhüllt, können auch schon mit männlichem Personal oder Patienten in einem Raum sein. Manchmal können Frauen auch von Männern behandelt werden - wenn es nicht um Schwangerschaften oder Sexualorgane geht. Mit Sexualität und den Frauen haben die Islamisten die größten Probleme, möglicherweise macht auch dies ihren Furor und ihre Grausamkeit aus.

So flüssig scheint der IS mit dem Geld auch nicht zu sein. Angeblich kriegen Ärzte nur ein Monatsgehalt von 200 US-Dollar - Kämpfer sollen 400 und mehr beziehen -, während sie von der Zentralregierung 1000 US-Dollar erhalten. Daher dürfen Ärzte aus Mossul auch nach Kirkuk reisen, um die staatlichen Gehälter zu erhalten.

Bild: Met Police

Einen Blick in das Alltagsleben im streng religiös verwalteten "Islamischen Staat" bieten die Aussagen von zwei britischen Heimkehrern aus Syrien, die erstmals zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Die Anklage lautete auf Verschwörung. Die Brüder haben es aber nicht lange im Land des islamistischen Abenteuers ausgehalten und sind nach ein paar Wochen schon wieder abgereist. Im August fuhren sie nach Syrien, im September waren sie schon wieder da. Der Dschihad hat offensichtlich nicht gefallen.

Festgenommen wurden sie in Calais, als sie wieder nach Großbritannien einreisen wollten. Einer der beiden hatte AK47-Munition im Gepäck und Fotos von sich in Kampfmontur, die er seinen Freunden zeigen wollte, um sich als Abenteurer zu präsentieren. Die Religion spielt zumindest für die westlichen IS-Rekruten eine nebensächliche Rolle, wichtig scheint zu sein, sich als Mann darzustellen, der den Tod nicht fürchtet, und einer angsteinflößenden Gegenkultur anzugehören.

Auf den Handys wurden Fotos von den Ausbildungscamps gefunden, aber auch ein Stundenplan, wie das Leben dort ablief. Um 22 Uhr war, wie gesagt, Bettzeit angesagt, wenn man nicht Wache schieben musste. Mohommod, einer der Brüder, sympathisierte mit dem "Aufstand", aber er wollte durch seinen Ausflug ins Kämpferdasein angeblich auch seine Freundin beeindrucken, ihn zu heiraten. Das Leben in den Camps ist aber herausfordernd. Aufgestanden wird um 4:30 Uhr. Zuerst wird gebetet, dann gibt es Islamunterricht und schließlich wird neun Stunden lang trainiert. Da wird man müde und hat wenig Lust auf Anderes. So erzieht man Kämpfer.