Umfragen-Mehrheit gegen Merkels Böhmermann-Entscheidung

Zwei Drittel der Befragten sind nicht einverstanden. Alfa-Chef Bernd Lucke versucht uneigentliches Sprechen

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Merkels Entscheidung für staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den Schmähgedicht-Verfasser Böhmermann (Merkel fällt um) stößt in Umfragen auf deutliche Ablehnung. Zwei Meinungsforschungsinstitute, Infratest dimap und Emnid (beide Tochtergesellschaften von TNS), haben das dominierende Medienthema der vergangenen Woche aufgenommen und die Frage gestellt, ob die Entscheidung der Kanzlerin richtig war.

Bei Infratest, Auftraggeber war die ARD, hielten 65 Prozent der Befragten (1.002, repräsentativ ausgewählt) die Entscheidung für falsch. 28 Prozent fanden sie richtig. Bei Emnid war die Boulevard-Zeitung Bild am Sonntag der Auftraggeber und das Ergebnis bei der Frage nach richtig/falsch ganz ähnlich: 66 Prozent der Befragten (500, repräsentativ ausgewählt) gaben an, dass Merkels Entscheidung falsch war. "Richtig" gaben hier nur 22 Prozent an.

Auch bei den Umfragewerten, welche die Meinungsbilder bei den Unions, bzw. SPD-Anhängern erfragten, gab es Unterschiede zwischen den beiden Befragungen. Bei Infratest waren die Unionsanhänger zu 46% für die Entscheidung der Kanzlerin und 46 Prozent dagegen. Bei der SPD waren 68 Prozent dagegen und 29 % dafür.

Anders bei Emnid: Dort war die Ablehnung von Merkels Entscheidung in der Union mit 62 Prozent fast genauso hoch wie in der SPD mit 63 Prozent. Soweit zu den Einschränkungen der Aussagekraft von Umfragen, die sich hier nochmal bestätigt. Notiert wird von Infratest eine klare Aussage von AfD-Anhängern, die Plausibilität hat: 90 Prozent sind gegen die Entscheidung der Kanzlerin. In den Berichten der FAZ und der BamS zur Emnid-Umfrage tauchen die Angaben der AfD-Anhänger nicht auf.

Wie die 2/3-Ablehnung der Kanzler-Richtlinien-Entscheidung begründet wird, ob dies ein Votum für die Kunstfreiheit oder eines gegen die Haltung der türkischen Führung und der Türkei-Politik der deutschen Führung war, wird in den Umfrageergebnissen nicht eindeutig geklärt.

Wobei die Infratest-Ergebnisse laut Tagesschau einen Hinweis darauf geben, dass den Befragten die Kunstfreiheit von Satirikern wichtig ist: "Zwei Drittel der Befragten - nämlich 67 Prozent - sind gegen eine Bestrafung, nur zehn Prozent sind dafür." Allerdings bezog die Frage den türkischen Präsidenten mit ein: "Gefragt wurde, ob Böhmermann für sein so genanntes ‚Schmäh-Gedicht‘ wegen Beleidigung des türkischen Präsidenten bestraft werden sollte."

Der FAZ-Bericht zur Emnid-Umfrage steuert Anekdotisches zur Bestrafung Böhmermanns bei. Das frühere AfD-Vorstandsmitglied Bernd Lucke, jetzt Alfa-Allianz ("Vernunft und Mitte"), versucht sich an einem "Böhmermann". Er bezeichnete den ZDF-Satiriker auf seiner Webseite als "feige Drecksau", dem stellt er voran: "Noch was, was man nicht sagen darf".

Der Ton seiner Äußerungen ist allerdings nicht vom karikaturistischen Einsatz kursierender Schmäh-Beschimpfungen geprägt, sondern von Bitternis über das Publikum ("Da klatscht das Publikum, weil es den ungeliebten Erdogan erwischt. Da lacht es über die primitiven Vulgaritäten."). Er bedauert dessen fehlenden Mut zur gerechten Strafe: "Auf Unanständiges anständig zu reagieren, ist nicht so leicht. Es ist nicht jedermanns Sache, in einer Fernsehsendung aufzustehen und den Moderator abzuwatschen, wie er es verdient hätte."