Umverteilen mit Solar-Förderprogramm: E-Autos und Ego-Scooter
Mediensplitter (43): 300 Millionen Euro Steuergelder für Gutsituierte. Krasse soziale Schieflage? Was der FDP-Verkehrsminister daraus macht, wer mitfährt und was ausgeblendet wird.
Das neueste staatliche Förderprogramm für E-Autos war ein Selbstläufer, also: selbstfahrend. Die Tagesschau hatte dieser Tage gemeldet:
Förderstopp schon kurz nach Programmstart. Nach einem großen Ansturm auf das neue Förderprogramm für das Laden von Elektroautos mit Solarstrom sind die Mittel bereits nach einem Tag vergeben. Es wurden rund 33.000 Anträge bewilligt - trotz zwischenzeitlicher technischer Verzögerungen, teilte die staatliche Förderbank KfW mit.
300 Millionen Euro Steuergelder waren im Fördertopf aus dem Bundes-Verkehrsministerium von Minister Volker Wissing (FDP). Auf die krasse soziale Schieflage gerade dieses Programms wurde medial kaum eingegangen.
Wer da hat, dem wird gegeben
Um an die maximal 10.200 Euro Förderung pro Antrag zu bekommen, muss man (sic!) nicht nur im eigenen Eigenheim leben, sondern zudem schon entweder Besitzer eines E-Autos sein oder aber ein solches verbindlich bestellt haben.
Dazu ließe sich die Bibel zitieren, Psalm 127: "Der Herr (Wissing, d.A.) gibt es den Seinen im Schlaf." Oder auch, etwas deftiger, das Sprichwort: "Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen". Soziologisch wird dieses Phänomen als "Matthäus-Effekt" aufgegriffen, nicht mit Blick auf den einstigen Fußballer, sondern auf diese Stelle aus dem Matthäus-Evangelium: "Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe".
Wobei es hier um Fragen des richtigen Glaubens geht. Keine Glaubensfrage ist es hingegen, in dem Förderprogramm ein neues Tempo der Umverteilung von unten nach oben zu erkennen und das zu kritisieren. Was leider in nur wenigen etablierten Medien geschah.
Es gibt Ausnahmen, wie den Kommentar von Bernward Janzing in der taz: Unter der naheliegenden Überschrift "Politik für die, die schon haben" kommt der Autor zu dem Fazit:
Das neue Förderprogramm ist nichts anderes als Klientelpolitik für die Mittel- und Oberschicht unter dem nett aussehenden Deckmantel des ökologischen Wandels.
Im Tagesschau-Artikel (vom WDR) hingegen heißt es auf die Frage, ob das Ganze sozial gerecht sei, ganz vorsichtig: "eher nicht".
PR-Verlautbarung
Ende Juni hatte sich ein "exklusiver" Beitrag aus dem ARD-Hauptstadtstudio "eher nicht" wie ein journalistischer Text gelesen, sondern wie eine PR-Verlautbarung aus dem Hause Wissing, unter dem euphorischen Titel: "Neue Förderungen für E-Ladeinfrastruktur geplant".
Besser könnte es eine ministeriale Pressestelle kaum auf den positiven Punkt bringen.
Der Politiker von der gelben Ampel-Farbe kann sich medial so darstellen, als habe er im Sinne des Wohles aller Menschen hierzulande alles richtig gemacht und rundum überzeugend einen Nerv getroffen:
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (sprach) noch in der Nacht von "überwältigendem Zuspruch" für das Kombipaket aus Ladestation, Photovoltaikanlage und Solarstromspeicher.
FAZ
Worum es auch geht
Was so nicht in der FAZ steht: Es geht Leuten wie Wissing sowie generell vielen politisch Verantwortlichen hierzulande und den Interessen und Strukturen, die sie repräsentieren, offensichtlich um das Puschen von möglichst großen, teuren und vor allem deutschen E-Autos - nicht zuletzt im Sinne des Auto-Industriestandortes Deutschland und der hiesigen großen Konzerne VW, BMW und Mercedes-Benz.
Da sind "eher nicht" Mieterinnen, Mieter oder Paketzusteller die Haupt-Zielgruppe. Für die wäre ein entschlossener Ausbau von "E-Mobilität" als sozialer Infrastruktur mit Eisenbahn, Tram und Oberleitungs-Bus weit zielführender, im Sinne von Teilhabe und nachhaltigem Verkehr.
Ein wichtiger Verkehrs-Knotenpunkt dürfte auch und gerade bei diesem Thema die Kreuzung "Ost-West" sein. Es gehört nicht viel Fantasie und Kombinationsgabe zur Vermutung, dass unter den ca. 33.000 Privilegierten mit ihrem bewilligten Antrag gerade Ostdeutsche deutlich unterrepräsentiert sind.
Weil ihnen einfach in vieler Hinsicht Kapital fehlt, um beim, so tagesschau.de, gesamtdeutschen "Windhund-Prinzip" vorn dabei zu sein: relativ geringe Hauseigentums-Quote, relativ geringe E-Auto-Anteile, relativ wenig Vermögen, Einkommen, Rente und Netzwerk-Kontakte insgesamt.
Ein Sprecher der für die Abwicklung des Förder-Programms zuständigen KfW sagte auf Anfrage, derzeit gebe es noch keinen Überblick über die genaue geografische und regionale Aufteilung der 33.000 Menschen mit erteiltem Förder-Zuschlag. Bis eine solche Übersicht vorliege, werde es noch einige Tage dauern.
Dass übrigens E-Autos tatsächlich nachhaltiger unterwegs seien als andere Fahrzeuge, darf weiterhin als zumindest umstritten gelten. Zumal, wenn berücksichtigt wird, dass derzeit vor allem "PKW-Panzer", also SUV gekauft werden, wie die entsprechende Fachpresse mit einem gewissen Stolz verkündet:
Der E-Auto-Markt führt das fort, was seit Jahren generell bei Neufahrzeugen gilt: SUV sind der Maßstab. So finden sich unter den meistverkauften Elektroautos in Deutschland in erster Linie SUV.
Aber dann fährt ja doch gemeinsam, was zusammengehört: Nicht zuletzt alte, weiße, reiche Männer (mit womöglich schlechtem Umwelt-Gewissen) fahren E-SUV und zudem clever die Subventionen ein und heim, die ihnen alte, weiße, reiche Männer wie Volker Wissing an der Ampel anbieten.