Zölle als Rettung: Kann Deutschland seine Solaranlagen vor China schützen?
Deutschland ringt um seine Solarindustrie. Mit Zöllen gegen Billigimporte aus China und Subventionen will die Bundesregierung die Unternehmen schützen. Funktioniert das?
Freihandel war gestern – heute versucht die Bundesregierung, den deutschen Markt wieder abzuschotten. Zumindest teilweise und vor allem dort, wo in den vergangenen Jahren eine verfehlte Industriepolitik betrieben wurde. Zum Beispiel in der Solarindustrie, in der Deutschland einst führend war, bis ihr eine Regierung aus Christdemokraten und Liberalen das Genick brach.
Heute dominiert China den Markt und in den USA werden – dank staatlicher Förderung durch den Inflation Reduction Act (IRA) – neue Fabriken gebaut. In Deutschland und Europa kämpfen die letzten Hersteller von Solaranlagen ums Überleben. Der Ausgang ist ungewiss, zumal chinesische Hersteller ihre Anlagen in Europa zu konkurrenzlos günstigen Preisen anbieten.
Die Bundesregierung ist alarmiert. Sie prüfe nun alle Möglichkeiten, um die deutschen Hersteller vor einem weiteren Preisverfall zu schützen, heißt es in einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters. Subventionen, Zölle und andere Maßnahmen würden geprüft, heißt es in einem Papier des Wirtschaftsministeriums, aus dem Reuters zitiert.
Die Bundesregierung reagiert damit auf den Druck europäischer Hersteller. Bereits im August hatte der Chef des Solarzellenherstellers Meyer Burger gegenüber Reuters vor Billigimporten aus China gewarnt. Mit diesen könne man nicht konkurrieren.
Das Schweizer Unternehmen Meyer Burger Technology betreibt in Deutschland die größte Fabrik für Solarzellen in Europa. Der europäische Markt werde von einer "Flut" chinesischer Solarmodule überschwemmt, die weit unter den Herstellungskosten angeboten würden.
Dies zwinge auch die europäischen Hersteller zu Preissenkungen. Dies habe dazu geführt, dass das Unternehmen im ersten Halbjahr einen Verlust von rund 49,1 Millionen US-Dollar gemacht habe, obwohl der Umsatz um 70 Prozent gestiegen sei.
Das Handelsblatt berichtete Mitte September über einen Brandbrief europäischer Solarproduzenten an die Präsidenten des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission. Darin warnten sie vor massiven Problemen der Unternehmen bis hin zur Insolvenz.
Innerhalb eines halben Jahres sind die Preise für Solarmodule regelrecht eingebrochen. Sie sanken um mehr als 35 Prozent auf 15 Cent pro Watt.
Experten gehen jedoch davon aus, dass der Preisverfall nicht unbedingt auf Subventionen oder andere Maßnahmen der chinesischen Regierung zurückzuführen ist.
Vielmehr gebe es ein Überangebot: Wegen der Probleme mit den Lieferketten während der Coronapandemie hätten alle vorsorglich ihre Lager gefüllt. Dann habe die Energiekrise die Nachfrage in die Höhe getrieben. "Jetzt normalisiert sich die Nachfrage wieder und trifft auf volle Lager", zitiert das Handelsblatt einen Händler.
Die Europäische Union steht nun vor dem Dilemma, dass sie aus strategischen Gründen die Produktionskapazitäten für Solarmodule innerhalb der EU ausbauen will. Im Jahr 2030 sollen mindestens 40 Prozent des Eigenbedarfs hier produziert werden.
Diesem Ziel steht jedoch die Marktsituation entgegen. Vor fünf Jahren lag die weltweite Produktionskapazität noch bei rund 200 Gigawatt. Inzwischen sind es laut Handelsblatt bis zu 900 Gigawatt. Die weltweite Nachfrage liege aber nur bei 400 bis 500 GW.
Es herrscht ein Überangebot auf dem Markt – und die meisten Produktionskapazitäten befinden sich in China. Hinzu kommt, dass die US-Regierung den Bau weiterer Fabriken in den USA fördert. Sie gewährt Steuergutschriften in Höhe von 30 Prozent der Kosten für den Bau oder die Modernisierung von Fabriken, die Komponenten für erneuerbare Energien herstellen.
Dies hat unter anderem dazu geführt, dass auch Meyer Burger seine Ausbaupläne für das deutsche Werk zurückgezogen hat. Stattdessen will das Unternehmen eine Fabrik in Colorado bauen. "Wir bekommen 1,4 Milliarden Dollar IRA-Geld für diese Fabrik", hatte Meyer-Burger-Chef Gunter Erfurt im August laut Reuters gesagt.
Nun rächt sich, dass die früheren Minister Norbert Röttgen (CDU) und Philipp Rösler (FDP) sich 2012 nicht schützend hinter die deutsche Solarbranche stellten. Ihnen wurde damals vorgeworfen, das Vertrauen der Kapitalmärkte in die Branche untergraben zu haben, was letztlich zum Aus zahlreicher Firmen geführt hatte. Eine andere Politik hätte womöglich dazu geführt, dass deutsche Unternehmen jetzt eine ganz andere Marktposition innehätten.
Angesichts der weltweiten Überkapazitäten und der Subventionen in den USA wird es für Deutschland und die EU jedoch teuer, das Überleben der Branche hierzulande zu sichern. Und ohne Abschottung vom Weltmarkt dürfte es auch kaum gelingen.
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