Unbrauchbare Stammzellen
Die in den USA für die Forschung mit staatlichen Geldern erlaubten embryonalen Stammzellen sind mit tierischem Material versetzt und beeinflussen somit die Anwendungsmöglichkeiten beim Menschen
Die von der Bush-Regierung nach langem Zögern zugelassenen Stammzellen (Bush hat eine Entscheidung zur Forschung mit embryonalen Stammzellen getroffen) wurden von Eltern gespendet, die sie selbst zur künstlichen Befruchtung nicht mehr benötigten, aber zur weiteren Untersuchung freigaben. In diesem Sinne begründete Georges W.Bush im Jahr 2001 seine Stammzellenforschung: "This allows us to explore the promise and potential of stem cell research without crossing a fundamental moral line."
Allerdings wurden die Zellinien schon damals von einigen Forschern in Frage gestellt. Der Grund liegt in deren "Konservierung". Die Stammzellen werden zunächst isoliert und wachsen in Petrischalen, denen Mäusezellen und Kalbsblut beigemengt sind. Der Grund für dieses Vorgehen ist einfach: Die Stammzellen müssen gedeihen und sich zu "pluripotenten" Zellen entwickeln. Gleichwohl äußerten Forscher schon früh Bedenken, dass diese Prozedur, mehrfach angewandt, unvorhersehbare Folgen ermöglichen könnte. Gefürchtet wurden Viren oder Proteine und auch sonstige Substanzen, die in das Milieu verschleppt werden.
Mitarbeiter von der kalifornischen Universität in San Diego und dem Salk Institut berichten in der neuesten Ausgabe von "Nature Medizin" über genau solche Auswirkungen (Varki et al.: Stem cell need fresh start). Die Autoren weisen in ihren Proben N-Glycolyl-Neuraminsäure (Neu5Gc) nach und stellen fest, dass diese Substanz zwar von vielen Tieren gebildet wird, nicht aber vom Menschen.
Ajit Varki fand diese Neuraminsäure bereits früher: Vor allem im Schweinefleisch, aber auch in den Muskeln von Lämmern und Rindern. Im Selbstversuch konnte er mit seinen Mitarbeitern nachweisen, dass N-Glycolyl-Neuraminsäure innerhalb von Tagen ausgeschieden wird. Aber viele Menschen entwickeln Antikörper, ein Zeichen dafür, dass die Säure als Fremdkörper empfunden wird. Auch scheint die N-Glycolyl-Neuraminsäure chronische Entzündungen zu unterhalten.
Schon vor zwei Jahren erklärten die Forscher, dass Organtransplantationen mit Schweinegeweben häufig deshalb misslingen, weil sie durch Neu5Gc gehemmt werden. Die jetzigen Untersuchung unterstreicht diesen Gedankengang. Ajit Varki vermutet als Ursache eine Reaktion des Immunsystems. Dadurch verliert die embryonale Stammzelle an Wert, weil sie sich von Patient zu Patient in Abhängigkeit von den Antikörpern unterschiedlich verhält.
Abbildung Neu5Ac: Nachweis von N-Glycolyl-Neuraminsäure in allen Fraktionen (Credit Nature Medicine)
Was bisher nur als Gerücht galt, hat sich inzwischen bestätigt. Die N-Glycolyl-Neuraminsäure könnte eine Erklärung für die höchst unterschiedlichen Ergebnisse der Stammzellenforschung sein. "Die Säure tötet die Zellen ab. Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass auch im wirklichen Leben die Zellen absterben", erklärt Ajit Varki.
Das richtige Ergebnis zur rechten Zeit
Inzwischen laufen in den USA die Aktivitäten der Genforscher auf Hochtouren. Mit der Wiederwahl von Georges W. Bush haben sich die Erwartungen auf eine neue Standortbestimmung zur genetischen Forschung in den USA verflüchtigt.
Wenn die Regierung in Washington ihre Unterstützung versagt, müssen die Bürger aktiv werden. "Proposition 71" ist die erste Antwort der Genforscher in Kalifornien. Mit 59 zu 41 Prozent haben die Wähler die Gründung eines genetischen Zentrums im November 2004 bestätigt. Das neue "California Institute for Regenerative Medicine" (CIRM) hat zwar noch kein Personal, kein Haus und nur eine Webseite. Der Motor ist Robert Klein von Klein Financial Corp., einer Makler-Agentur. Aus eigener Tasche hat er 3 Millionen US-Dollar in die Werbe-Kampagne gesteckt und es so geschafft, dass 20 Millionen US-Dollar gespendet wurden. Nach drei Jahren will er sein 6-jähriges Präsidentenamt aufgeben, sagt der erklärte Optimist.
Wenn in Kalifornien trotz des viele Milliarden zählenden Haushaltloches ein solches Projekt gestartet wird, liegt das an Robert Klein und der Tatsache, dass die ersten 3 Jahre nicht vom kalifornischen Staat beeinflusst werden können. Die Regierung unter Arnold Schwarzenegger wird zwar 3 Milliarden über 10 Jahre investieren (California's bold $3 billion initiative hits the ground running, Science Vol 307 vom 14.Januar 2005), aber die "Öffentlichkeit", nämlich die Steuerzahler, Patientengruppen und zahlreichen Lobbyisten, können erst später eingreifen. Bis dahin hoffen die Initiatoren, die Weichen gestellt zu haben. Bereits heute werden mehr als 10 Prozent des Geldes zum Bau der verschiedenen Zentren benötigt, ganz abgesehen vom Kauf der Grundstücke und deren Unterhalt.
Nicht mehr die National Institutes of Health ist für die Genforschung zuständig, sondern private Unternehmer. Ob deren Motivation auch den Genforschern passt? Jedenfalls ist der Bush-Regierung vorerst die Kontrolle entglitten.