Bush hat eine Entscheidung zur Forschung mit embryonalen Stammzellen getroffen

Nach langem Zögern kam ein Kompromiss zustande, der es Allen Recht machen soll und niemanden zufrieden stellen wird

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Lange hat US-Präsident für eine seiner bislang schwierigsten Entscheidungen gebraucht. Herausgekommen ist nicht das an sich während der Wahlen angekündigte Verbot der Förderung der Forschung mit embryonalen Stammzellen, sondern ein Kompromiss, wie dies dem an Umfragen orientierten Politikstil der Generation der Chamäleonpolitiker so entspricht.

"Vor acht Jahren glaubten Wissenschaftler, dass die Forschung mit fötalem Gewebe große Hoffnungen für Behandlungen und Medikamente eröffnen würde, aber der Fortschritt hat bislang nicht die ursprünglichen Erwartungen erfüllt. Die Forschung mit embryonalen Stammzellen eröffnet große Versprechungen und große Gefahren. Daher habe ich entscheiden, dass wir mit großer Vorsicht vorangehen müssen."

Bush - Abtreibungsgegner und Todesstrafebefürworter - will die mit öffentlichen Gelder finanzierte Forschung auf 60 Zelllinien beschränken, die bereits aus embryonalen Stammzellen angelegt wurden, da hier "die Entscheidung über Leben und Tod schon getroffen wurde". Damit könne man einerseits die erfolgversprechende Forschung vorantreiben und würde andererseits nicht "eine fundamentale moralische Grenze" überschreiten. Stark gefördert soll hingegen die Forschung, die mit Stammzellen von Erwachsenen, von Tieren oder aus der Nabelschnur arbeitet. Ein Ethikrat soll eingesetzt werden, der die Forschung kontrolliert und Richtlinien festlegt.

Sicherheitshalber hatte der amerikanische Präsident seine Entscheidung im Urlaub bekannt gegeben. Richtig zufrieden dürfte damit wohl kaum jemand werden, auch wenn Bush in seiner Ansprache beteuerte, dass er selbst lange darüber nachgedacht - und gebetet habe. Geht den einen die Öffnung nicht weit genug, ist für die anderen der auch hierzulande umstrittene Rubikon bereits überschritten. Im Unterschied zu Deutschland, in dem prinzipiell über Verbot oder Zulassung diskutiert wird, geht es in den USA bislang zumindest nur über die Förderung der Forschung mit Steuermitteln. Privat finanzierte Forschung an embryonalen Stammzellen ist dagegen erlaubt.

Ebenso wie hierzulande die moralischen Experten und Politiker über die Stammzellenfrage und andere biopolitischen Themen ins Philosophieren kommen, ist es angeblich auch dem amerikanischen Präsidenten ergangen, der versucht, seine Entscheidung auf der Position der "meisten" Wissenschaftler zu begründen, die die Forschung mit embryonalen Stammzellen für therapeutische Zwecke befürworten. Die USA hätten, so Bush, nicht nur viele Erfolge vorzuweisen, die die Welt mit Fortschritten der Wissenschaft und Medizin zur Verbesserung des menschlichen Lebens beglückt haben, sondern hier würden auch die höchsten ethischen Maßstäbe der Forschung beachtet. Ob das die moralischen Fundamentalisten überzeugen wird, scheint doch sehr fraglich zu sein, zumal die biotechnologischen Fortschritte es ermöglichen, aus den Wissenschaftlern wieder böse und gewissenlose Frankensteins zu machen, die von anderen moralischen Experten in Zaum gehalten werden müssen.

Bush sagte in seiner Ansprache, dass er bei der moralischen Entscheidung immer wieder auf zwei fundamentale Fragen gestoßen sei: "Erstens, sind diese eingefrorenen Embryos menschliches Leben und daher so wertvoll, dass sie beschützt werden müssen? Und zweitens, sollten sie nicht, wenn sie sowieso schon vernichtet werden, für ein größeres Gut genutzt werden, für die Forschung, die das Potenzial besitzt, anderes Leben zu retten und verbessern?" Das seien Fragen "über den Beginn des Lebens und den Sinn der Wissenschaft". Die Entscheidung zwischen der Achtung jeden Lebens und der Wissenschaft, die dem Leben helfen kann, habe ihn dann, angesichts der noch nicht gesicherten Aussichten der Forschung, zu dem Kompromiss geführt, die Forschung mit den angeblich bereits vorhandenen 60 Zelllinien zu fördern.

Gerätselt wird freilich, wie Bush zu dieser Zahl kommt. Vermutet wird, dass es wesentlich weniger gibt. Die Einschränkungen könnten aber auch bei 60 bereits enorm sein, selbst wenn sie sich tatsächlich unendlich vermehren ließen, wie Bush sagte. Zumindest genetisch ist die Vielfalt nicht sehr groß. Die Arbeit mit ihnen könnte aber auch durch eine Vielzahl an Patenten sehr eingeschränkt sein. Sean Tipton, der Sprecher für die American Society for Reproductive Medicine, kritisierte, dass es nach der wissenschaftlichen Literatur nur sechs dokumentierte Zelllinien gebe. Insgesamt könnten es vielleicht 15 in den USA sein: "Der Präsident scheint andere Informationen über die Zahl der Stammzellenlinien zu haben als die am besten informierten Wissenschaftler und medizinischen Experten. Wir fürchten, dass dies ein Indiz für die Art der Information ist, die der Präsident erhalten hat." Vielleicht aber wollte Bush seine Entscheidung weicher machen und die Schaffung weiterer Zelllinien ermöglichen?

Die Position von Bush stellt noch keineswegs das Ende der Debatte dar. Die Entscheidung wird im Kongress gefällt. Noch eindeutig aber lehnt Bush das Klonen ab - und sieht sich hier gedeckt durch die Haltung der meisten Amerikaner. Aber auch schon diese Entscheidung betritt in ihrer Unentschiedenheit das ethische "Minenfeld", das Bush den Forschritten der Biotechnik attestiert hatte. Die Entscheidung über Leben und Tod von künstlich befruchteten Embryos wird auch in Zukunft täglich getroffen werden, so dass der Forschung nach dem moralischen Schluss von Bush weiterhin eine Vielzahl von nicht gebrauchten Embryos zur Verfügung stünde. Der Kompromiss aber zeigt, dass die Politik kaum dazu imstande sein wird, Entscheidungen über moralische Fragen zu treffen, wenn ihre einzige Moral nur in einer Anpassung an die vorherrschende Positionen und keinen Standpunkt mehr darstellt.