Und ewig grüßt der Alien
Heute vor 55 Jahren stürzte bei Roswell ein militärischer Versuchsballon ab
Verschwörungstheoretiker machten in den 80er Jahren daraus die erste Begegnung der dritten Art, inklusive Raumschiff und toten Aliens.
Im Südosten des US-Bundesstaates New Mexico, an den Ausläufern der Sacramento Mountains, senkt sich die Landschaft in eine weite, karge Ebene. In dem dünnbesiedelten Gebiet zwischen Texas und Mexiko, an den Ufern des Rio Hondo, liegt die 50 000 Einwohner Stadt Roswell.
Am letzten Wochenende feierten dort mehrere Zehntausend UFO Gläubige aus aller Welt das UFO Festival 2002. Neben "fun with Aliens", einem Alien-Markt und einer "Electric Light UFO Parade" erzählten Ufologen noch einmal die Geschichte, die seit mehr als 30 Jahren Stoff für unzählige Artikel, Bücher, Radiosendungen, Talkshows, Spielfilme und TV-Serien liefert und den Ort weltberühmt gemacht hat. Es ist die Geschichte vom Absturz eines außerirdischen Raumschiffs mit mindestens vier toten Aliens, die die amerikanische Regierung seitdem in den geheimen Wüstenlabors der AREA 51 (Vgl.Satellitenbilder vom geheimen Testgelände Area 51) versteckt.
Was geschah 1947?
Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. "Airforce gelangt in den Besitz einer Fliegenden Untertasse" meldete die Luftwaffenbasis der kleinen Stadt Roswell im US-Bundesstaat New Mexico am 8. Juli 1947. Erst ein paar Wochen zuvor hatte der Privatpilot Kenneth Arnold im Staat Washington diese Dinger überhaupt zum ersten Mal gesichtet. Neun helle, in der Sonne blitzende Objekte, unglaublich schnelle, flache Scheiben, die flogen "wie Untertassen, wenn man sie über das Wasser springen lässt." Ein Reporter hatte daraufhin den Begriff der "Fliegenden Untertasse" geprägt und nun sollte so ein Ding in Roswell abgestürzt sein! Per Kabel und Telefon verbreitete sich die Nachricht schnell um die ganze Welt.
Aber noch am selben Tag dementierte das Militär entschieden. Die Meldung sei voreilig gewesen, bei den gefundenen Trümmern handele es sich lediglich um einen abgestürzten Höhenballon. Da die Angelegenheit für die Luftwaffe damit erledigt war, auch keine weiteren Ereignisse folgten, verlor die Öffentlichkeit bald das Interesse. Nur die sensationelle Schlagzeile blieb vielen im Gedächtnis und stimulierte vor allem die Fantasie von Autoren und Drehbuchschreibern.
Aliens aus Hollywood
Raumschiffe und Lebewesen von anderen Planeten, bis dahin eine Randerscheinung der Science Fiction Literatur, zogen in die Studios der Filmindustrie ein. Die ersten Hollywood Produktionen mit Alien Besetzung entwickelten sich sofort zu erfolgreichen Kinohits. In The Day The Earth Stood Still war der Außerirdische noch männlich, jung, gutaussehend und kam in friedlicher Absicht. Aber schon The Thing und Invasion of the Body Snatchers begründeten mit ihren blutdrünstigen Alienmonstern das Genre des Horror SciFi und erfuhren später ebenfalls sehr erfolgreiche Remakes.
Das noch junge Medium Fernsehen zog nach und servierte die Aliens gleich serienweise. My favorite Marsian, The Invaders und The Outer Limits beamten die Außerirdischen in jedes Wohnzimmer. Gleichzeitig nahm die Zahl der UFO Sichtungen weltweit zu. Zeitungen und Magazine, die darüber berichteten, erreichten astronomische Auflagen. In nächtelangen Radiosendungen spekulierte man über das neue Phänomen. Kinofilme mit guten oder bösen Außerirdischen erreichten Kultstatus. Ufos und Aliens entwickelten sich zu einer eigenen Popkultur und zuverlässigen Cash Cow für die Massenmedien.
Der Mythos wird erfunden
Ende der 70er Jahre begann die Grenze zwischen Realität und Fiction mehr und mehr zu verschwimmen. UFOs? Na klar gab es die, hundertfach waren sie doch gesehen worden. Da war es nur logisch, dass auch mal eins abstürzte. Und hatte die Luftwaffe 1947 nicht selbst gemeldet, eine Fliegende Untertasse geborgen zu haben? Gerüchte tauchten auf, die amerikanische Regierung halte mehrere tote Aliens in ihren Militärlabors versteckt. Die Leichen seien 1947 nach dem UFO Absturz in Roswell geborgen worden, um eine Massenhysterie zu vermeiden, vertusche die Regierung seitdem die wahren Ereignisse. Die dunklen Verschwörungstheorien fielen auf einen fruchtbaren Boden. Nach den rätselhaften Morden an Kennedy und Martin Luther King, den gefälschten Fernsehbildern aus Vietnam und vor allem dem Watergate Skandal war die amerikanische Öffentlichkeit ohnehin misstrauisch. Jeder Verdacht, der Präsident, die CIA, das FBI oder das Militär, vertusche, lüge oder manipuliere stieß auf größtes Interesse.
The story must go on
Die Idee, die Außerirdischen seien tatsächlich auf der Erde angekommen und die Regierung verheimliche das, löste eine Flut von Spekulationen aus. Fotos angeblich geheimer Dokumente über eine mysteriöse Regierungskommission namens "Majestic12" tauchten auf. Dort hätten in den 50er Jahren hochrangige Wissenschaftler und Militärs abgestürzte Raumschiffe und Aliens untersucht. Eine zweite Absturzstelle wurde erfunden, ein Farmer oder ein Ingenieur, dann wieder eine Studentengruppe, später eine Krankenschwester hätten die toten Aliens gesehen. Selbsternannte Roswell Experten zogen durch die Talkshows oder präsentierten im Privatfernsehen eigene Mystery Sendungen. Zum massenmedialer Höhepunkt wird 1995 die Ausstrahlung des Videos einer angeblichen Alienautopsie. In Deutschland verfolgen Millionen Zuschauer bei RTL das gruselige Geschehen.
Die Regierung reagiert zu spät
Als die amerikanische Regierung 1994 endlich auf die Anschuldigungen reagiert und bis geheime Akten öffnet, ist es längst zu spät. Die Erklärung des Verteidigungsministeriums, dass 1947 lediglich ein Versuchsballon des geheimen Militärprojektes MOGUL abgestürzt war, stößt in der Alien Nation auf taube Ohren. 1995 wird Bill Clinton sogar bei einem Besuch in Irland nach den toten Aliens gefragt. "Nein, soweit ich weiß, ist 1947 kein UFO abgestürzt in Roswell. Und wenn die US-Luftwaffe Leichen von Außerirdischen gefunden hat, dann hat sie mir nichts davon gesagt." antwortet er dem 13jährigen Ryan aus Belfast und niemand glaubt ihm. Die TV Serie X-Files und Kinofilme wie Independance Day (Vgl. Independence Day) und Men in Black (Vgl. Men In Black) heizten die Gerüchte weiter an.
1997 versuchte es die Luftwaffe noch einmal. Als mögliche Erklärung bietet sie an, dass wenn damals jemand etwas Lebewesenartiges gesehen haben will, es sich vielleicht um Fallschirmspringer-Dummies der Armee gehandelt haben könne. Die seien zwar erst ein paar Jahre später im Einsatz gewesen, aber möglicherweise hätten die "Zeugen" ja etwas durcheinander gebracht. Die UFO Szene reagierte empört, man wolle sie wohl für dumm verkaufen! Außerdem steht der 50. Jahrestag des "Roswell Incidents" vor der Tür und die 100 000 Festivalteilnehmer können doch nicht alle irren, oder?
Ein Beweis dagegen ist ein Beweis dafür
Gleichgültig, ob Regierung, Luftwaffe oder CIA (VglDie UFOs und die CIA) Berichte herausgeben, ob Anthropologen oder Skeptiker den Roswell Mythos logisch zu erklären versuchen. Obwohl kein einziger Zeuge, der die Aliens gesehen haben soll, je ausfindig gemacht und persönlich befragt werden konnte, wird die Roswell Legende bis heute erbittert verteidigt. Jeder Gegenbeweis, jede abweichende Meinung gilt den Gläubigen als Teil der weitergehenden Verschwörung, der gigantischen Vertuschung, ja als "Versuch, die Roswell-Bewegung im Kern zu treffen und zu zerschlagen." Wer will, kann sich mithilfe unzähliger Internetseiten selbst eine Meinung bilden, Stoff gibt es genug. Allein bei Google erreicht die Kombination von Roswell und UFO über 77 300 Treffer, Tendenz steigend.
Vor einigen Wochen bekannte sich auch der Musiker und DJ Moby zu Roswell. In einem Spiegel-Interview sagte er, der Grund dafür, dass seine neue CD "18" heißt, "sind die Außerirdischen, die damals in Roswell runtergekommen sind. Die hat man in Hangar 18 versteckt." Warum er daran glaubt, erklärte er mit den Worten:
Irgend etwas muss ja damals in Roswell passiert sein, sonst würde der Staat bis heute nicht so ein Geheimnis daraus machen.
Um die Vorfälle in Roswell macht die amerikanische Regierung seit 1994 kein Geheimnis mehr, lediglich um die Militärlabors in der AREA 51. Und der Grund dafür ist möglicherweise viel bedrohlicher als ein paar tote Aliens.