Ungefährliches Halbwissen
Das Nebeneinkünftegesetz verschleiert nicht nur die wirkliche Höhe der Einnahmen von Abgeordneten - es fehlen auch die Mittel, mit denen der Wähler Konsequenzen aus den Angaben ziehen könnte
Bestechlichkeit von Politikern ist in Deutschland kein geringes Vergehen. Laut § 108 e des Strafgesetzbuches drohen einem Volkvertreter, der sich nachweislich hat schmieren lassen, bis zu 5 Jahren Haft. Allerdings ist es hierzulande für ein Mitglied der politischen Kaste nahezu unmöglich im juristischen Sinne bestochen zu werden – denn, um diesen Tatbestand zu erfüllen, müsste sowohl der Vertrag über einen Stimmenkauf als auch die dazu gehörende Unterschrift aufgefunden werden.
Lange Kette von Bestechungsskandalen in der Bundesrepublik
Dabei haben Schmiergeldskandale von beträchtlichem Ausmaß immer wieder die Republik erschüttert. Z.B. die Flick-Spendenaffäre, der Wirbel um die Vergabe des ostdeutschen Tankstellennetzes an Elf Aquitaine, die Amigo-Affäre, der Parteispendenskandal um die Kohl-CDU, der Kölner Klüngel, die RWE-Affäre um CDU-Generalsekretärs Laurenz Meyer, der Berliner Bankenskandal, Gelder für Politiker von VW und Siemens sowie der sächsische Korruptionsskandal.
Der deutsche Bundestag sah trotz all dieser Skandale keinen Bedarf, den UN-Antikorruptionvertrag zu ratifizieren, aber er stimmte der „stufenweisen“ Offenlegung der Nebenverdienste der Parlamentarier zu - wogegen wiederum mehrere Bundestagsabgeordnete beim Bundesverfassungsgericht eine Klage einreichten, die unlängst abgewiesen wurde.
Gravierende Mängel
Diese nun umgesetzte „Offenlegung“ hat allerdings bereits mehrere elementare Schwächen offenbart. Da die Nebenverdienste nicht – wie etwa in Holland - konkret aufgedeckt, sondern nur in drei Stufen, bis zu einem Verdienst von 7000 Euro angegeben werden, bleiben die realen Honorierungsverhältnisse für Parlamentarier weiter unklar. So hat z.B. der ehemalige Bundesminister für Arbeit und Sozialwesen, Walter Riester, aufgrund seiner "Vortragstätigkeit" nebenher mindestens 181.000 Euro eingestrichen - es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass der reale Verdienst noch um einiges höher liegt. Dass liegt daran, dass der oberste Rentenprivatisierer lediglich angeben muss, dass er insgesamt zweiundzwanzig Vorträge für mindestens 7000 Euro gehalten hat. Ob das reale Entgelt pro Vortrag bei 7000 oder bei 70.000 Euro lag, das erfährt der Wähler nicht.
Auch müssen Mitglieder von Aufsichts- oder Verwaltungsräten ihre (meist ganz wesentlich darüber liegenden) Einkünfte nur einmal jährlich mit mindestens 7000 Euro angeben. Einkünfte aus Kapitalbeteiligungen werden zum großen Teil gar nicht aufgelistet. Sollte der oder die Abgeordnete bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Nebenverdienste honoriert bekommen, sind diese ebenfalls nicht anzeigepflichtig. Und Leistungen, die erst nach der Beendigung der politischen Karriere gezahlt werden (wie etwa bei Helmut Kohl oder Gerhard Schröder), standen in dem Gesetz gar nicht zur Debatte.
Nutzloses Wissen
Kritiker monieren, dass die Angaben der Parlamentarier – unter anderem aufgrund dieser extrem großzügig gestalteten „Ausnahmeregelungen“ - alles andere als einheitlich sind. Nach Ansicht von Lobby Control ist auch davon auszugehen, dass verschiedene Parlamentarier Unklarheiten bei den Transparenzregelungen nutzen, um die Dimensionen ihres realen Verdiensts zu verschleiern.
Allerdings würden auch vollständig aufgelistete Nebeneinkünfte wenig nutzen: Das deutsche Wahlrecht ist nämlich nur sehr bedingt dazu geeignet, dem Wähler aus der Veröffentlichung der Daten Konsequenzen durch Stimmentzug ziehen zu lassen. Wenn ein „wichtiger“ Politiker seinen Wahlkreis verliert, dann ist das für seinen Einzug in das Parlament meist bedeutungslos, weil er über die „Liste“ seiner Partei einziehen kann, auf deren Zusammenstellung der Wähler bei den Wahlen zum Bundestag keinen Einfluss hat.