Ungewollte Folgen: Kinderporno-Paragraf bringt engagierte Lehrerin in Bedrängnis

(Bild: VBlock, Pixabay)

Sie wollte nur helfen, nun droht ihr eine Gefängnisstrafe. Einer Lehrerin aus Rheinland-Pfalz wird die Law-and-Order-Politik im Strafrecht zum Verhängnis. Warum ein Umdenken nötig ist.

Das Strafrecht soll den Menschen Schutz bieten. Dazu bedient man sich der Strafnormen. Sie drücken in Bezug auf ein bestimmtes menschliches Verhalten ein Unwerturteil aus und legen den Sanktionsrahmen fest. Dabei kommt es vor, dass Politiker über das Ziel hinausschießen und eine Strafnorm auf bedenkliche Weise verschärfen. So auch in diesem Fall.

Unter der Überschrift "Lehrerin will helfen – und wird wegen Kinderpornografie angeklagt" berichtete die Tagesschau von einem geradezu tragischen Fall aus Rheinland-Pfalz. Gegenstand ist ein intimes Video einer 13-jährigen Schülerin, das diese zunächst an ihren Freund geschickt hatte und das später an der Schule die Runde machte. Die Lehrerin griff daraufhin ein.

Um die Eltern zu informieren, lud sie das Video schließlich auch auf ihr Handy, löste damit jedoch vor allem staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen sich aus. Der Vorwurf: Besitz von kinderpornografischen Inhalten, strafbar gemäß Paragraf 184b Absatz 3 Strafgesetzbuch. Jüngst wurde Anklage gegen die Lehrerin erhoben.

Die Staatsanwaltschaft selbst kommentiert diesen Fall mit folgenden Worten: "Uns sind die Hände gebunden." Und damit hat sie recht. Denn Paragraf 184b Strafgesetzbuch stellt Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte unter Strafe. 2021 wurde diese Strafnorm weitgehend zu einem sogenannten Verbrechenstatbestand hochgestuft.

Auf den Fall gewendet bedeutet das: Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr – ausnahmslos. Die Staatsanwaltschaft ist über Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz an Recht und Gesetz gebunden. So war es ihr unmöglich, das Verfahren aus Opportunitätsgründen und im Wege der Paragrafen 153 und 153a Strafprozessordnung einzustellen. Sie musste anklagen.

Verschärfungen im Strafrecht als Ausdruck reflexartiger Kriminalpolitik

Mit der Verschärfung von Paragraf 184b Strafgesetzbuch hatte die Politik fraglos ein hehres Ziel im Blick, nämlich die Bekämpfung von Kinderpornografie und Gewalt gegen Kinder. Zudem sind Verschärfungen des Strafrechts eine typische Antwort der Politik auf kriminelle Phänomene.

Dennoch, nicht selten handelt es sich um reflexartige Reaktionen, bei denen Kriminalpolitiker zwar fest mit dem Applaus besorgter Bürger und der Zustimmung einschlägiger Boulevardmedien rechnen können. Bei näherem Hinsehen entpuppen sich ihre Law-and-Order-Gebärden – mehr Schutz durch härtere Strafen – jedoch als schlichte Antwort auf ein komplexes gesellschaftliches Problem. Insofern verwundert es kaum, dass kriminalpolitische Verschärfungsvorhaben nicht selten ihr Ziel verfehlen und praktisch wirkungslos oder gar verfassungsrechtlich bedenklich sind.

Es finden sich dazu bereits anschauliche Beispiele, etwa die Verschärfung von Paragraf 244 Strafgesetzbuch: 2017 wurde für den Wohnungseinbruchdiebstahl ein eigener Verbrechenstatbestand in Paragraf 244 Abs. 4 Strafgesetzbuch geschaffen. Anders als behauptet ist jedoch nicht davon auszugehen, dass Täter allein durch die Verschärfung im Strafgesetzbuch von der Tat abgehalten werden.

Mehr noch: Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Wohnungseinbrecher im Strafgesetzbuch lesen und anschließend abwägen, ob sie die Tat bei erhöhtem Strafrahmen noch begehen wollen oder nicht. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen kommt es potenziellen Tätern vielmehr auf das Entdeckungsrisiko und damit insbesondere auf die Frage an, wie gut Wohnhäuser gegen Einbruch gesichert sind. Die isolierte Anhebung des Strafrahmens ist damit weitgehend wirkungslos.

Ähnlich verhält es sich bei der Verschärfung von Paragraf 184b Strafgesetzbuch. Hier wird die Anhebung des Strafrahmens sowohl von der Wissenschaft als auch von Praktikern kritisiert, bisweilen sogar als verfassungswidrig eingestuft. Es existieren gerichtlicherseits bereits mehrere Vorlagen an das Bundesverfassungsgericht zur Prüfung dieser Strafnorm. Und auch die Politik hat unlängst erkannt, dass diese Verschärfung ein Fehler war. Man ringt um eine Änderung.

Mehr Rationalität bitte!

Das alles hilft der Lehrerin aus Rheinland-Pfalz freilich wenig. Ihr drohen neben der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe auch beamtenrechtliche Konsequenzen, namentlich die Entfernung aus dem Dienst.

Am Ende steht (wieder) einmal die Forderung nach mehr Rationalität in der Kriminalpolitik, primär im Strafrecht. Es kann nicht sein, dass sich Law-and-Order-Fetischisten mit ihren immer gleichen Antworten durchsetzen und damit – wie in diesem Fall – das Strafrecht letztlich zur Belastung für die Menschen machen.

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