Unser Bauch gehört immer noch uns

Seite 2: Krauses Hobby Denunziation

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Männer haben mitunter merkwürdige Hobbys. Markus Krause z. B., Mathematikstudent aus Kleve, der gar nicht Markus Krause heißt, sondern Yannic Hendricks. Dessen "Hobby" es ist, das Internet nach Arztpraxen zu durchsuchen, die in ihrem Leistungs-Portfolio auch Schwangerschaftsabbrüche aufführen und diese dann bei der Landesärztekammer und der Staatsanwaltschaft zu melden, denn Werbung für Schwangerschaftsabbrüche ist, wie erwähnt, verboten.

Dass diese Denunziation sein Hobby sei, verriet Markus Krause im genannten taz-Interview. Eine der Ärztinnen, die Yannic Hendricks alias Markus Krause anzeigte, war die Gießener Notfallmedizinerin Kristina Hänel, deren Fall bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Nachdem er entdeckt hatte, dass Kristina Hänel auf ihrer Webseite neben verschiedenen anderen Behandlungen auch Schwangerschaftsabbruch erwähnte - ein Spiegelstrich unter anderen - erstattete er Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Gießen.

Nachdem diese keinen Handlungsbedarf sah, erstattete er Dienstaufsichtsbehörde bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft. Daraufhin wurde die Staatsanwaltschaft Gießen tätig und leitete ein Ermittlungsverfahren gegen Kristina Hänel ein. Am 24. November 2017 wurde sie zu einer Geldstrafe von 6000.- Euro verurteilt. Das Berufungsverfahren ist noch anhängig.

Seit etwa 2015 ist der Mathematikstudent in diesem "Geschäft" und hat etwa 70 Ärztinnen und Ärzte angezeigt. Der Mann hatte ein Vorbild: Klaus Günter Annen, der die Webseite "Babycaust" betreibt und Schwangerschaftsabbrüche mit dem Holocaust gleichsetzt. Das Portal BuzzFeed.News hat sich einmal genauer angesehen, wie viele Anzeigen nach §219a gestellt wurden:

Insgesamt verzeichnet die Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts (BKA) zwischen 2010 und 2016 mindestens 104 Anzeigen nach §219a. Die tatsächliche Zahl aber dürfte wesentlich höher liegen, da die Kriminalstatistik nur Verfahren erfasst, die an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurden. Nimmt eine Staatsanwaltschaft also keine Ermittlung auf, was häufig der Fall sein kann, gehen die Anzeigen nicht in die Statistik ein.
Zwischen 2012 und 2016 gab es laut BKA 78 Anzeigen wegen unerlaubter "Werbung für den Schwangerschaftsabbruch".
Laut der der Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamtes kam es im selben Zeitraum jedoch nur vier Mal zu einer Verurteilung nach §219a sowie §219b.
(…)
Angezeigt werden neben Ärztinnen und Ärzten auch Schwangerschaftsberatungsstellen und Kliniken. (…)
Es gibt verschiedene Gruppierungen, die Abtreibungen verbieten wollen oder gegen eine Entschärfung der Abtreibungsgesetze arbeiten. Die sogenannten "Anti-Abtreibungsaktivisten" nennen sich selbst "Lebensschützer" und organisieren sich in Gruppen wie "Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren", "Ärzte für das Leben" oder der "Initiative Christdemokraten".

Einer von ihnen ist Klaus Günter Annen. Er betreibt die Webseiten abtreiber.com und babykaust.de, wo Abtreibung unter anderem als "Steigerung des Holocaust" bezeichnet wird. Abtreibungseingriffe werden dort mit Konzentrationslagern verglichen. Um gegen Abtreibungen zu kämpfen, werden dort verstörende Bilder von angeblichen Schwangerschaftsabbrüchen gezeigt.
(…)
Zwischen 2011 und 2016 stellte er demnach 65 Anzeigen. Das entspricht 62,5 Prozent aller 104 Anzeigen in der Statistik des BKA - über die Hälfte aller Anzeigen der BKA-Statistik in den letzten Jahren gingen damit also auf Annen zurück.
(…)
Kam es 2015 noch zu 27 Anzeigen, verzeichnet die Polizeiliche Kriminalstatistik des BKA im Folgejahr 35 Anzeigen. Seit 2010 gab es laut der BKA-Statistik ingesamt 104 Anzeigen. Im Dreijahresvergleich hat sich die Zahl seit 2011 mehr als verdoppelt.

Buzzfeed

Wie Yannic Hendrick selbst sagt, hat er in den Jahren 2015 bis 2018 etwa 60-70 Anzeigen erstattet. Es ist allerdings nicht bekannt, wie viele davon zu einem Ermittlungsverfahren oder gar zu einer Verurteilung führten. Jedoch lässt sich sagen, dass Klaus Günter Annen einen sehr aktiven Mitstreiter bekommen hat, auch wenn beide bestreiten, in Kontakt zueinander zu stehen.

Allerdings bleibt es nicht bei den Anzeigen. Erboste "Lebensschützer" pöbeln und drohen, Kristina Hänel z. B. spricht davon, dass sie Todesdrohungen bekommen habe. Da ist sie nicht die einzige. Im Gegensatz zu Klaus Günter Annen war Yannic Hendricks alias Markus Krause erpicht darauf, dass sein Klarname nicht bekannt wird, deshalb entschied er sich für ein Pseudonym.

Das wurde allerdings gelüftet, Kristina Hänel erwähnte den Namen gegenüber der Presse und u.a. auch Kersten Artus, ehemalige stellvertretende Bürgerschaftspräsidentin der Hamburger Linksfraktion, jetzt Vorsitzende der Beratungsorganisation "Pro Familia" Hamburg, nannte ihn in einem Tweet beim Namen.

Das fand der Genannte gar nicht witzig und hatte prompt ein neues Hobby, dem er sich ebenfalls mit Leidenschaft widmete: Unterlassungsklagen, u.a. gegen Kersten Artus, der er gerichtlich verbieten lassen wollte, den Namen Yannic Hendrick öffentlich zu nennen. Das Landgericht Hamburg befand jedoch im April 2019, dass Yannic Hendrick selbst dafür gesorgt habe, dass er zur Person öffentlichen Interesses geworden sei und hinnehmen müsse, dass sein voller Name öffentlich genannt werde.

In dem erwähnten taz-Interview lässt er ein eigentümliches Weltbild durchscheinen. U.a. erwähnte er, dass er selbst zwar liiert sei, sich aber trotzdem um Verhütung oder gar Schwangerschaftsabbruch keine Gedanken machen müsse, er habe sich entschieden, bis zur Ehe enthaltsam zu leben. Das lässt aufhorchen: In den USA ist "True Love Waits" (1987 vom Baptistenpriester Jimmy Hester gegründet) als Keuschheitsbewegung in christlich-fundamentalistischen Kreisen weit verbreitet.

Das animierte die Gruppe "Just for Fun" dazu, Yannic Hendricks alias Markus Krause einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Ergebnis:

Auf Facebook ist Hendricks‘ Profil Mitglied in einigen öffentlichen Gruppen, die sich evangelikalen und katholischen Themen widmen, Väterrechtsgruppen, Lebensschutzgruppen ("Ich bin gegen Abtreibung!!!") und etlichen rechten, verschwörungstheoretischen Gruppen, die ein Hang zu antisemitischen Inhalten und NWO-Geschwurbel eint. In der Gruppe "Vom Volk fürs Volk", die sich perspektivisch um die Absetzung der Bundesregierung bemüht, werden Israelis mit "UNGEZIEFER" (Capslock im Original) verglichen und der Holocaust relativiert.

Inventati.org

Männerrechte und christlich motivierter Lebensschutz, eine gern gesehen Kombi. Um das Motiv mit einem Wort zu umschreiben: Frauenhass. Die Gruppe fand noch einiges mehr anhand seines Facebook-Profils, u.a. einen Hang zu rechtsextremen und identitären Gruppierungen in sozialen Netzwerken. Selbiges ist unterdessen nicht mehr abrufbar, so dass die Angaben nicht überprüft werden können.

Frauenhasser, Gottesfürchtige und Identitäre, das ist die unheilige Allianz, die gegen eines der grundlegendsten Frauenrechte Stimmung macht. Nichts beeinflusst und verändert das Leben einer Frau so sehr wie eine Schwangerschaft.

Und jede Frau muss das Recht haben, selbstbestimmt entscheiden zu können, ob sie diese Veränderung will. Jede Frau muss das Recht haben, sich dafür, und jede, sich dagegen zu entscheiden - und zwar ohne den Stempel "Straftäterin". Deshalb ist die ersatzlose Streichung des § 218 nach wie vor unerlässlich. Denn dieser ist, wie Gertrud Bülow von Dennewitz schon vor mehr als 100 Jahren feststellte, ein "unwürdiger Eingriff in die allerintimste Privatangelegenheit eines Weibes."