Unser Bauch gehört immer noch uns

Seite 3: In Texas droht die Todesstrafe

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Der Kampf gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ist häufig mindestens mit dem christlich-fundamentalistischen Milieu verbunden. In Deutschland sind Penetranz und Einschüchterung die Mittel der Wahl. Abgesehen von Lebensschutz-Demonstrationen, z. B. in Frankfurt, ist eine beliebte Aktionsform die Mahnwache; und zwar vor Beratungsstellen, die die zum Abbruch erforderliche Bescheinigung ausstellen, oder vor Kliniken, bzw. Praxen, in denen Abbrüche durchgeführt werden.

Das soll die Frauen von diesem Schritt abhalten, ich würde es als Psychoterror bezeichnen. Diese Einschüchterungskampagnen sind ein Grund dafür, dass immer weniger Ärztinnen und Ärzte bereit sind, Abbrüche durchzuführen. Hinzu kommt, dass Schwangerschaftsabbruch immer noch als Straftat definiert wird und nicht die Frauen, sondern auch Ärztinnen und Ärzte laut Gesetz eine Straftat begehen, ihnen jedoch großzügig Straferlass gewährt wird.

Ein weiterer Grund ist, dass dieser Eingriff im Medizinstudium quasi keine Rolle spielt. Die Folge ist, dass keine 30 Jahre nachdem eine - wenn auch unbefriedigende - Lösung gefunden wurde, es ganze Landstriche gibt, in denen keine Schwangerschaftsabbrüche praktiziert werden. Mitunter müssen die betroffenen Frauen mehr als 100 km weit fahren, um zu einer entsprechenden Klinik zu kommen. In Passau praktiziert ein über 70jähriger Gynäkologe, weil es sonst weit und breit niemanden gibt, der diesen Eingriff vornimmt.

Ein stiller Wandel, der dazu führt, dass junge Ärztinnen und Ärzte keine Schwangerschaftsabbrüche durchführen, entweder weil sie es nicht können oder wegen des Stigmas "Straftäter/in" oder aber, weil sie befürchten, dass "Lebensschützer" auch vor ihrer Praxis aufmarschieren.

Vordergründig geht es um die theologische, im Kern philosophische Frage: Wann beginnt menschliches Leben? Eigentlich aber geht es um Kontrolle von Frauen. Das war in der Vergangenheit so und ist auch gegenwärtig so. Wir Frauen haben uns ein gehöriges Stück Freiraum für unsere Lebensentwürfe erkämpft.

Wir können uns dafür oder dagegen entscheiden, mit einem Mann zusammenzuleben. Wir können uns für oder gegen ein Leben mit einem Kind entscheiden. Wir können uns sogar für ein Leben mit Kind ohne den dazu gehörigen biologischen Vater entscheiden. Und wir haben uns das Recht, eine ungewollte Schwangerschaft nicht austragen zu müssen, hart erkämpft.

In der Diskussion taucht immer die Forderung nach besserer sozialer Absicherung auf, die mehr Frauen von einem Schwangerschaftsabbruch abhalten würden. Das ist im Prinzip richtig; die Angst, ein Leben mit einem, oder auch mit noch einem Kind ökonomisch nicht meistern zu können, ist ein häufiger Grund für Frauen, sich gegen ein Kind zu entscheiden. Aber nicht der einzige.

Solange es gegengeschlechtlichen Sex gibt, wird es auch ungewollte Schwangerschaften geben. Und solange es ungewollte Schwangerschaften gibt, wird es auch Schwangerschaftsabbrüche geben. In früheren - sehr viel früheren - Zeiten hatten Frauen das Wissen, Schwangerschaften mit den Mitteln der Natur zu verhindern oder aber auch abzubrechen. Dieses Wissen ist der Menschheit weitestgehend verloren gegangen. U.a., weil die sachkundigen Frauen als Hexen gebrandmarkt, verfolgt und verbrannt wurden. Die Hexenverfolgung findet heute subtiler statt.

Insbesondere arme Frauen waren den Verhältnissen immer schutzlos ausgeliefert. Niemand kann zählen, wie viele Frauen unter größten Schmerzen illegal einen Schwangerschaftsabbruch haben durchführen lassen, niemand weiß, wie viele an den Folgen verstorben sind.

Noch in den 1970er Jahren war für viele Frauen der einzige Ausweg, den Eingriff in den Niederlanden vornehmen zu lassen, dort war es legal. Wer sich das nicht leisten konnte, war auf das Hinterzimmer von Quacksalbern angewiesen - oder griff z. B. zum Kleiderbügel oder zur Stricknadel.

Wir hatten gehofft, dass zumindest diese Zeiten ein für alle Mal vorbei wären. Doch leider zeigt uns der Blick über den großen Atlantik, dass es sogar noch schlimmer werden kann. In den USA werden sowohl die Frauen als auch die Ärztinnen und Ärzten zunehmend kriminalisiert. Verschiedene Bundesstaaten stellten Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe, weder das Alter der Schwangeren, noch eine etwaige Vergewaltigung können als Grund für einen Abbruch geltend gemacht werden.

Im Gegenteil, z. T. wird den Vergewaltigern sogar das Umgangsrecht mit den Kindern zugesprochen. Sieben US-Bundesstaaten erließen kürzlich sogenannte "Herzschlag-Gesetze", mit denen Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe gestellt werden. In Ohio drohen Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche durchführen, eine Haftstrafe von bis zu 99 Jahren, in Texas wird sogar die Todesstrafe für die Frauen diskutiert. Todesstrafe, das ist das Urteil, das in dem Bundesstaat auf Mord steht.

Ziel ist es, ein Urteil von 1973 zu kippen, mit dem Schwangerschaftsabbrüche landesweit legalisiert wurden. Durch die Vorstöße der einzelnen Bundesstaaten soll die Regierung gezwungen werden, Schwangerschaftsabbrüche wieder generell unter Strafe zu stellen.

Auch in den USA sind die Verschärfungen das Ergebnis des gemeinsamen Wirkens von Frauenhassern, Gottesfürchtigen und Identitären.

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