Update: Britische Geheimdienste und Polizeibehörden wollen alle abhören
Nach einem Papier, das dem britischen Innenministerium vorliegt, soll die gesamte Kommunikation aller britischen Bürger erfasst und sieben Jahre lang in einer Datenbank gespeichert werden
Die Briten sind nicht gerade Nachzügler, wenn es um Abhören und Überwachen geht. Noch nicht lange ist es her, da wurde erst der umstrittene RIP-Act eingeführt (UK-RIP-Gesetz über Ermittlungsbefugnisse verabschiedet), doch scheint dies den Sicherheitsbehörden noch nicht zu genügen. DerObserver hat ein Dokument zugespielt bekommen, in dem das britische Innenministerium aufgefordert wird, für erweiterte Rechte zum Abhören und Speichern der gesamten Kommunikation zu sorgen.
Das Innenministerium hat inzwischen bestätigt, dass es ein solches als geheim eingestuftes Dokument erhalten habe, dessen Vorschläge geprüft würden. Das Dokument NCIS Submission on Communications Data Retention Law wurde inzwischen auch von Cryptome im Internet veröffentlicht.
Gewünscht wird von den Geheimdiensten, der Zollbehörde und der Polizei, dass die Verbindungsdaten (nicht der Inhalt) der gesamten Telefonanrufe, Emails und Internetverbindungen aller britischen Bürger erfasst, 12 Monate lang für Abfragen in Echtzeit bereit gehalten und danach in einer zentralen Datenbank für sieben Jahre gespeichert werden. Bislang werden Verbindungsdaten oft nur 24 oder 48 Stunden lang vorrätig gehalten: "Im Interesse, die Richtigkeit von Daten nachprüfen zu können, die vor allem für die Geheimdienste und für Zwecke der Beweismittelerhebung gebraucht werden, sollten CSPs (Communication Service Providers) verpflichtet werden, die Originaldaten für eine Zeitspanne von sieben Jahren oder so lange vorrätig zu halten, wie dies die Strafverfolgungsbehörde anweist." Um die geforderte Datenbank einzurichten, seien 9 Millionen Mark notwendig. 27 Millionen Mark seien jährlich zum Betreiben erforderlich. Und natürlich will man auch die Möglichkeiten schaffen, Millionen von Telefongesprächen und gespeicherte Emails nach bestimmten Begriffen durchsuchen zu können.
Notwendig sei dies, um besser die Cyberkriminalität, die Verwendung von Computern durch Pädophile, Rassisten, Cracker, Terroristen und das organisierte Verbrechen bekämpfen zu können. Die "digitale Welt", so die Begründung, habe die Beschaffung von Beweismiteln verändert. Jetzt seien Beweise, die früher von Augenzeugen gegeben wurden, "in den Händen von Maschinen." Nur die Kommunikationsdaten entsprechen den Berichten von Augenzeugen: "Kein Mensch ist mehr daran beteiligt, die elektronische Aktivität zu bezeugen, es gibt nur als Folge ein Opfer. Ganz ähnlich gibt es keinen materiellen Beweis, um den Kriminellen mit dem Ort der Straftat zu verbinden." Daher sei die langfristige Aufbewahrung der Kommunikationsdaten unabdingbar, da eine nur kurze Speicherung manche Kriminelle vor dem Gesetz schütze. Manchmal können nur Kommunikationsdaten, beispielsweise die Lokalisierung eines Verdächtigen aufgrund seines Handys, eine Strafverfolgung garantieren.
Verfasst hat das Dokument Roger Gaspar, vom National Criminal Intelligence Service (NCIS), der darin einräumt, dass die vorgesehenen Überwachungsmöglichkeiten möglicherweise mit dem Gesetz über Menschenrechte, dem Datenschutzgesetz und Gesetzen der EU kollidieren könnte. Dringend notwendig sei ein klarer gesetzlicher Rahmen. Aufgenommen habe man bereits Kontakte mit dem britischen Datenschutzbeauftragten. Dort verstehe man das Bedürfnis der Strafverfolgungsbehörden, habe aber Bedenken wegen der langen Speicherdauer.
Der konservative Abgeordnete Lord Cope, zuständig für Datenschutz, kritisierte das Vorhaben relativ vorsichtig: "Wir stehen dem Bedürfnis nach größeren Befugnissen wohlwollend gegenüber, um moderne Verbrechensarten zu bekämpfen. Aber riesige Datenbanken über jeden Bürger können sich schnell zu einer Welt des Big Brother verwandeln."
Scharf wird das Vorhaben hingegen von der Bürgerrechtsorganisation Liberty abgelehnt, die angedroht hat, vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen: "Die Sicherheitskräfte und die Polizei haben eine wilde Gier, Daten über unser Privatleben zu sammeln."
"Wir glauben", so schreibt Gaspar, "dass das Innenministerium schon eingesehen hat, dass eine solche Aktivität unbezweifelbar rechtmäßig, notwendig und angemessen, aber auch für die Interessen der Justiz lebensnotwenig ist." Gegenüber BBC sagte Paul Boateng, Staatssekretär im Innenministerium, nur, dass noch keine Entscheidungen getroffen worden seien und dass man das richtige Gleichgewicht zischen den Interessen der Wirtschaft und denen der Strafverfolgungsbehörden finden müsse. Zumindest hier ist von den Interessen der Bürger schon gar nicht mehr die Rede. Nicht viel anderes scheinen die deutschen Innenminister im Sinne zu haben: Deutsche Innenminister wollen Rundumbeobachtung der Internetnutzung.