Urknall im Labor

Neue Experimente erzeugen kurzzeitig Dichten und Temperaturen, die mit den extremen Bedingungen im frühen Universum vergleichbar sind

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Auf der Quark Matter 2001 Conference an der Stony Brook University in New York gaben Physiker vom Brookhaven National Laboratory gestern bekannt, dass es ihnen gelungen ist, Materie mit der bisher größten Dichte herzustellen.

Damit sind überzeugende experimentelle Anzeichen für die Existenz eines neuen Materie-Zustands beobachtet worden. Bei den Experimenten wurden Goldkerne nahezu mit Lichtgeschwindigkeit zum Zusammenstoß gebracht. Diese Crashtests wurden von dem bislang leistungsstärksten Teilchenbeschleuniger, dem neuen Schwerionenbeschleuniger Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) besorgt. Durch die extrem hohen Energien entstehen beim Zusammenprall verschiedenste Teilchen, die von sehr aufwendigen Detektoren, beim RHIC sind es vier, identifiziert werden. Teilchenbeschleuniger werden unterirdisch in Tunnelgewölben gebaut und umkreisen mit kilometerlangen Strecken ganze Stadtteile und Landschaften.

Die bei der Kollision entstandenen Zerfallsteilchen wiesen, verglichen mit der Dichte, die entsteht, wenn Kerne gewöhnlicher Materie zusammenprallen, eine mehr als zwanzigfache Dichte auf. Die Temperaturen in der komprimierten Materie überstiegen eine Billion Grad.

Die Physiker vermuten, von der Entwicklung des Makrokosmos als Expansionsbewegung von einem Punkt unendlicher Dichte und Temperatur ausgehend, dass große Mengen ähnlich heißer und dichter Materie einige Millionstel Sekunden (etwa 0,01 Millisekunden) nach dem Urknall existierten. Der RHIC versucht die Bedingungen des frühen Universums nachzuspielen, um der grundlegenden Natur der Materie auf die Spur zu kommen. So drückte es zumindest Dr.William A.Zajc, Physiker an der Columbia University und einer der beteiligten Forscher, aus, als er zu den Experimenten Stellung nahm:

Wir hoffen genau die Materie schaffen zu können, aus der das gesamte Universum entstanden ist.

Trotz der Euphorie über die seit Juni letzten Jahres immer besser gelingenden Gold-Kollisionen, habe man noch einen langen Weg vor sich. Ultimatives Ziel sei die Schaffung eines Quark-Gluon-Plasmas, etwas das auf der Erde bisher noch nie identifiziert wurde. Der neu konstruierte Zustand zeigt bereits viele der charakteristischen Eigenschaften des Quark-Gluon-Plasmas. Die in gewöhnlicher Materie vorliegende Bindung von Quarks und Gluonen zu komplexeren Teilchen ist aufgehoben, so dass sich die Quarks frei bewegen können. Da der Zustand nur sehr kurze Zeit besteht und freie Quarks oder Gluonen den Feuerball nicht einzeln verlassen können, muss der Nachweis indirekt erfolgen, nämlich durch genaues Messen der bei der sogenannten Hadronisierung im Zuge der Abkühlung des bei der Kollision gebildeten Feuerballs entstandenen Teilchen.

Die allgemein akzeptierte Theorie sagt vorher, dass ein solcher Zustand in der Frühzeit des Universum realisiert war. Quarks, (nach einem wohl phonetisch gemeinten Wortgebilde aus "Finnegans Wake" von James Joyce) sind die Infrateilchen, aus denen Protonen und Neutronen bestehen. Diese Grundbausteine der Materie wurden 1964 - von Gell-Man und Zweig unabhängig voneinander - hypothetisch eingeführt.

Die Forscher gaben bekannt, dass diese Materie noch eine 1,5 bis 2mal so hohe Dichte aufweist, wie jene, die letztes Jahr in den Labors des Europäischen Laboratoriums für Teilchenphysik (CERN) in Genf geschaffen wurde.

"Jedes Mal schaffen wir das Universum neu," so Dr. Nicholas P. Samios vom Brookhaven National Laboratory, "es sind immer nur ein paar entscheidende Momente, nicht der ganze Urknall, den wir nachstellen. Und das werden wir noch Millionen und Abermillionen Mal machen."