Venus - teuflischer Zwilling der Erde

Wissenschaftler wollen mehr über den erdähnlichen zweiten Planeten lernen, um den irdischen Treibhauseffekt besser zu verstehen

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Kürzlich trafen sich in Nizza (Frankreich) Wissenschaftler aus den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union zu einer astronomischen Konferenz mit dem Schwerpunkt "Venus". Während des Meetings mahnten die Teilnehmer alle Verantwortlichen, die für das 2005 angedachte "Venus Express"-Mission der ESA auch wirklich durchzuführen, zumal die neuen Daten dabei helfen sollen, Klimamodelle zu erstellen, mit denen sich die Intensität und die Folgen des irdischen Treibhauseffekts besser verstehen und berechnen lassen.

Fotoquelle/Bildnachweis: NASA

Von unserem Heimatstern aus gesehen ist die Venus der zweite Planet im Solarsystem. Ihre nahezu kreisförmige Bahn um die Sonne führt sie - wenn auch nur für kurze Zeit - sehr dicht an die Erde heran: bis auf 38,5 Millionen Kilometer (größter Abstand: 260,9 Millionen Kilometer). Kein anderer Planet geht so dicht auf Tuchfühlung zu seinem blauen planetaren Mitstreiter.

Höllen-Planet

Die Daten, die dereinst die sowjetischen Veneranssdc.gsfc.nasa.gov/planetary/venera.html und amerikanischen Mariner- und Pioneer-Sonden (und Magellan) von dem (temporär) erdnächsten Planeten sammelten, präsentieren nicht gerade einen freundlichen Nachbarn. Nein, so oder ähnlich muss es in der Hölle aussehen. Auf der Venus scheint es überall und unablässig zu kochen, zu brodeln und zu qualmen. Selbst mit der besten Raumfahrer-Montur könnten Astronauten auf dem geologisch sehr aktiven Planeten nicht überleben. Hier, wo der Druck ungefähr 90-mal höher ist als auf der Erdoberfläche, herrschen Temperaturen von zirka 470 Grad Celsius (Mittelwert) vor.

Es ist vor allem der undurchsichtigen, stark reflektierenden Atmosphäre zuzuschreiben, die vorwiegend aus Kohlendioxid (rund 96 %) und darüber hinaus noch aus Stickstoff und Spuren von Wasserdampf, Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid, Schwefelsäure sowie einigen Edelgasen besteht und der aus mehreren Schichten bestehenden dichten, schwefelhaltigen Wolkendecke und der von riesigen Ebenen, Tiefebenen, vulkanartigen Erhebungen und Hochländern durchsetzten Landschaft zu verdanken, dass die Venus bisweilen als der "teuflische Zwilling" der Erde bezeichnet wird.

Obwohl der innere Aufbau der Venus der der Erde ähnelt, obgleich die Parameter Größe, Masse und Dichte annähernd übereinstimmen, macht der dicke Wolkenteppich den Unterschied. Eingehüllt in einer aus größtenteils aus Kohlendioxid und Schwefelsäure bestehenden Schicht, die zwar jegliche Strahlung (und Hitze) einfängt, dafür aber nicht mehr rausläßt, herrscht auf der Venus das ganze Jahr über ein ungeheurer Treibhauseffekt, der den Planeten von Jahr zu Jahr immer weiter aufheizt.

Von der Venus lernen

Nichtsdestotrotz eignet sich die Venus als ein hervorragendes Studienobjekt, mit dem sich das weltweite Szenario eines globalen irdischen Treibhauseffekts plastisch durchspielen lässt. Mittlerweile glauben die meisten Wissenschaftler, dass sie von der Venus viel über die frühen und späten Erdjahre lernen können - so wie jene Forscher von der Europäischen Union und der NASA, die sich jüngst in Nizza trafen, um über mögliche Missionen zur Venus im Jahr 2005 zu diskutieren. "Die Venus und Erde sind zwar verschiedene Wege gegangen", sagt der Planetenforscher Larry Esposito von der Universität von Colorado in Boulder.

Aber infolge der menschlichen Aktivitäten entwickelt sich die Erde immer mehr in dieselbe Richtung wie die Venus. Wenn wir die Geschichte der Venus besser verstehen lernen, können wir unsere Modelle für die Erde besser abstimmen.

In der letzten Zeit hat bei den meisten Forschern ein Umdenken stattgefunden. Wurde anfangs noch kontrovers diskutiert, ob die globale Erwärmung auf den von Menschen produzierten Emissionen wie Kohlendioxid, Methan und anderen Gasen zurückzuführen sei, so bestreitet inzwischen kaum ein Wissenschaftler mehr diesen Zusammenhang. Gleichwohl erwiesen sich jedoch die Anstrengungen der Forscher, die globalen Entwicklungen vorauszusagen, die zum Treibhauseffekt führen, als widersprüchlich und wenig zuverlässig. "Hätten wir auf der Erde dieselbe Hitze und die gleichen Bedingungen wie auf der Venus, dann würde der sich einstellende Treibhauseffekt alles Leben auf der Erde vernichten", stellt Andrew Ingersoll vom California Institute of Technology fest.

So etwas wird auf der Erde nicht allzu bald passieren, aber die Venus gibt uns ein eindrucksvolles Bild von dem, was für Auswirkungen ein langzeitiger Klimawechsel hat.

Landung auf der Venus

Computergenerierter Blick auf die Oberfläche der "Eistla Regio" Fotoquelle/Bildnachweis: NASA

Einig sind sich die Forscher wenigstens darin, dass die Modelle, die Voraussagen des Treibhauseffekts erlauben sollen, optimiert werden müssen. Und genau hierbei könnten die Venus-Daten helfen, vorausgesetzt, es gelänge den Astronomen, die bisherigen und künftig zu erwartenden Informationen über die Venus mit den aktuellen und zukünftigen Klimamodellen in Einklang zu bringen. Dazu bedarf es aber nach Ansicht von Dr. Esposito eines gewaltigen Schritts nach vorn: "Wir müssen die Venus besuchen, um noch mehr Informationen über die atmosphärische Zusammensetzung und die auf ihrer Oberfläche zu sammeln," so der Planetenforscher. Deshalb müsse Espositos Ansicht nach die NASA nunmehr verstärkt darüber nachdenken, ob nicht parallel zu der für das Jahr 2005 geplanten ESA-"Venus-Express"-Mission, die eine umfassende Erforschung der Atmosphäre und Plasmaumgebung des Planeten Venus vorsieht, zusätzlich der Einsatz eines Lande-Orbiters Sinn mache. Zwar wäre die Landung mit einer Sonde auf der "heißen" Venus-Oberfläche, wo selbst Blei schmelzen würde, eine gewaltige Herausforderung, doch der Ertrag wäre umso größer, so der Forscher.

Bei alledem könnte die Venus-Express-Sonde bei der Aufklärung einer anderen wichtigen Frage helfen. Denn eigentlich müsste es nach Ansicht der Forscher auf der Venus viel heißer sein. Aber ungeachtet der Fakten, dass die Venus näher zu Sonne steht als die Erde, dass sie sich langsamer um die Sonne dreht als unser Heimatplanet, und dass sie einen nahezu undurchdringlichen Wolkenteppich aufweist, dass sie sage und schreibe 75 Prozent der einfallenden Sonnenstrahlung reflektiert (bei der Erde sind es gerade mal 30 Prozent), ist es dort in Anbetracht der gegenwärtig bekannten Klimamodelle geradezu vergleichsweise warm. "Das Klima auf der Venus-Oberfläche stimmt nicht völlig mit den extrapolierten Daten, so wie sie auf der Erde wären, überein", sagt der Planetenforscher Fred Taylor, der an der University of Oxford (England) forscht und lehrt. "Mit unseren Modellen kann etwas nicht stimmen."