Verändern Cyberkommandos das Militär?
Die Probleme sind groß, IT-Experten für den Cyberwar zu gewinnen, das US-Cyberkommando versucht, die "Superstars" mit vielen Ausnahmeregelungen anzulocken
In vielen Streitkräften werden für die Cyberdomäne, die wie Land, Luft, See und Weltraum als eigenständiges Gebiet für eine Teilstreitkraft gilt, Cyberkommandos aufgebaut. Die Bundeswehr hat 2017 damit begonnen, ein entsprechendes Kommando Cyber- und Informationsraum aufzustellen, dem 13.500 Soldaten zugeordnet wurden. Bis 2021 sollen es tausend mehr sein.
Neben der relativ einfachen Umorganisation, wodurch bei der Bundeswehr etwa das Zentrum Cyber-Operationen für offensive Operation im Frühjahr mit 100 "Hackern" aus der früheren Abteilung Computer Netzwerk Operationen geschaffen wurden, besteht eines der großen Probleme der Cyberkommandos in der Gewinnung neuen Personals aus IT-Experten. Die sind derzeit in der Wirtschaft gefragt und können deswegen gutes Einkommen erzielen, womit die Streitkräfte nicht mithalten können. Zudem haben viele keine Lust, sich dem Drill und dem körperlichen Training zu unterwerfen, mit denen Soldaten konfrontiert sind. Allgemein wird überlegt, die Fitnessprüfungen und -anforderungen herabzusetzen. Dazu kommt, dass die Vorgesetzten im Militär meist wenig Ahnung von dem haben, was die Programmierer, Entwickler und Hacker machen und wie sie arbeiten. Symptomatisch dafür ist der Kommandeur des Cyberkommandos der US-Luftwaffe, der kürzlich in einer Senatsanhörung sagte: "Ich bin kein Techniker, ich bin Kampfpilot."
Fieberhaft wird daher versucht, weil die Cyberwar-Kapazitäten defensiv und offensiv eine zunehmend wichtige und zentrale Rolle im Militär spielen, für die begehrten IT-Experten Möglichkeiten zu entwickeln, die ansonsten starren Rituale des Militärs zu umgehen und eine Nische für die Cybersoldaten zu finden, um sie anlocken zu können (ausführlich: Fish Out of Water: How the Military Is an Impossible Place for Hackers, and What to Do About It). Die Bundeswehr baut auch deswegen ein Forschungszentrum für Cybersicherheit mit internationalem Spitzenpersonal und bester Ausstattung und Infrastruktur in einem erst zu bauenden Hochsicherheitsgebäude mit einem internationalen Master-Studiengang in München an der Bundeswehrhochschule auf. Damit sollen Studenten angelockt werden, mit dem "Cyber-Cluster" soll auch die Start-up-Szene eingefangen werden (Bundeswehrhochschule München richtet "größtes Forschungszentrum" für Cybersicherheit ein).
Das Pentagon hatte das Cyberkommando, das ab 2016 einsatzbereit sein soll, zunächst in hoher Anlehnung an die NSA mit ihren IT-Experten und unter dem Kommando des NSA-Direktors aufgebaut. Letztes Jahr wurde das CYBERCOM aber nach einer Anordnung von Trump zu einem eigenständigen Funktionalkommando erhoben, die traditionelle Struktur der Streitkräfte wollte man aber doch intakt lassen (US-Cyberkommando steigt in der Pentagon-Hierarchie nach oben.
Allerdings soll CYBERCOM vom Geheimdienst abgelöst werden, zumal es Konflikte zwischen den Interessen des Geheimdienstes und des Pentagon gibt. Um sich von der NSA abzulösen, suchte man schon, einfacher zu bedienende "Plattformen" zu entwickeln, um auch ohne größere Programmierfertigkeiten Cyber-Angriffe ausführen zu können (Cyberkommando sucht nach "Plattformen" für Cyberangriffe). Noch aber ist der NSA-Direktor, General Paul M. Nakasone, auch der Kommandeur von CYBERCOM und es sieht nicht so aus, als würde wirklich eine Trennung angestrebt werden.
Es fehlt jedenfalls weiterhin an erfahrenen IT-Experten für den Cyberwar. Für deren Anwerbung war bereits 2017 der Cyber Excepted Service in Betrieb genommen worden, um schnell und flexibel Interessierte direkt einzustellen und Angebote zu machen. Mehr "coders and developers" sind gefragt, also "kreative" Hacker und Programmierer. Um die tausend von diesen Experten sollen fehlen. Wie Army Times berichtet, sollen nun neue Offiziere mit Lockangeboten für das Cyberkommando geködert werden.
So wird überlegt, Offiziere direkt in höheren Rängen für das Army Cyber Command einzustellen und damit die üblichen Rekrutierungsanforderungen zu umgehen. Direkt als Leutnant können schon IT-Experten angestellt werden. Und sie können 65.000 US-Dollar erhalten, um ihre Studienschulden abzuzahlen. Dazu sollen Geldangebote die Attraktivität erhöhen.
Ab nächstem Jahr soll bei einer Anstellung als Offizier eine Einmalzahlung von 40.000 US-Dollar möglich werden. "High-end operators" sollen als Bonus zusätzlich 72.000 US-Dollar erhalten, und wer sich auf einem höheren Posten für vier Jahr verpflichtet, soll bis zu 100.000 US-Dollar erhalten. Überlegt wird auch, allen Cyber-Soldaten monatlich 500 US-Dollar draufzulegen
Klar scheint zu sein, dass man die Verdienstkluft zwischen dem Pentagon und Google und Co. nicht wird schließen können. Daher setzt man auf Patriotismus, dem Land zu dienen. Aber selbst wenn man die IT-Experten zumindest für ein paar Jahre mit mehr Geld und Patriotismus und vielleicht auch dem Abenteuer, in Dienste des Vaterlands Cyberangriffe ausführen zu können, anlocken könnte, droht ein Konflikt innerhalb der Streitkräfte. Zwar sind die Soldaten auch Hierarchien gewöhnt, aber wenn dann Truppenteile als Stars verwöhnt werden, die ungefährdet in der Heimat sitzen, während die anderen ihr Leben aufs Spiel setzen, könnte das den Zusammenhalt noch weiter gefährden.
Joseph McGee, Direktor der Talent Management Task Force, sagt vorsichtig: "Diese Superstars spielen eine Außenseiterrolle, sie leisten für unsere Operationen einen Außenseiterbeitrag." Aber es gehe um eine grundsätzliche Veränderung und eine Herausforderung der bisherigen militärischen Kultur. Auch wenn man sich noch vor der grundsätzlichen Erkenntnis schützt, dass die Cyberdomäne zentral und essentiell für alle hochtechnisierten Teilstreitkräfte geworden ist und der Cyberwar eine neue Dimension der Kriegsführung darstellt, sind die Personalprobleme nur eine Randstörung bei der anstehenden Umorganisation der cyberbasierten Streitkräfte und der neuen Bedrohungen und Strategien.
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